(Rom) Derzeit stehen Kardinäle gegen Kardinäle und Bischöfe gegen Bischöfe in der Kirche. Und die große Mehrheit der Oberhirten schweigt – nicht unbedingt vornehm, sondern überfordert oder feig. Das jüngste Beispiel sind zwei Weihbischöfe, die zum selben Themen völlig konträre Positionen vertreten. Auf der einen Seite steht Msgr. Robert Barron, Weihbischof von Los Angeles, auf der anderen Seite Msgr. Athanasius Schneider von Astana.
„Es ist Zeit, eine Erlaubnis einzuführen“
Msgr. Robert Barron wurde 2015 von Papst Franziskus zum Titularbischof von Macriana und Weihbischof des Erzbistums Los Angeles ernannt. In der englischsprachigen Welt ist er ziemlich bekannt aufgrund seiner publizistischen Aktivitäten als Gründer der gemeinnützigen Organisation Word on Fire Catholic Ministries. Er sprach sich jüngst für die Einführung eines Nihil obstat der Bischöfe aus für alle, die in sozialen Netzwerken publizieren. Online-Aktivitäten von Katholiken sollen, geht es nach Bischof Barron, genehmigungspflichtig werden. Was er ins Gespräch bringt, ist die kirchliche Variante eines verschärften Netzwerkdurchsetzungsgesetzes und deckt sich mit den Bestrebungen bestimmter weltlicher Kreise des linken politischen Spektrums seit dem Wahlsieg von US-Präsident Donald Trump im November 2016, das Medium Internet einschränken zu wollen.
Auch die Begründung der geforderten Internetzensur ist deckungsgleich mit weltlichen Bestrebungen. Es gebe „Haßreden“, so Weihbischof Barron, und Positionen, die sich „von der Theologie der Kirche entfernen“. Was darunter zu verstehen ist, scheint heute weniger eindeutig, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Was genau ist „die Theologie der Kirche“ heute, die keine abweichende Meinung duldet? Theologie ist nicht gleich Glaubenslehre. Von welcher Theologie darf man sich nicht „entfernen“, um nicht die bischöfliche Erlaubnis zu verlieren, im Internet publizieren zu dürfen?
Die katholische US-Zeitschrift National Catholic Register veröffentlichte am 29. Januar ein Interview mit Weihbischof Barron.
Frage: Glauben Sie, daß die Kirche ihre Vision und ihre Soziallehre in Bezug auf soziale Medien weiterentwickeln muß?
Weihbischof Barron: Ich möchte diesbezüglich einen Vorschlag unterbreiten, wohlwissend, daß ich als kleiner Hinterbänkler der Bischofskonferenz überhaupt keine Autorität habe, um das zu erreichen. Aber so wie Johannes Paul II. in Ex corde ecclesiae die Bischöfe dazu aufrief, eine stärkere Aufsicht über die unter der Ägide der Kirche tätigen Universitäten auszuüben, würde ich empfehlen, daß wir Bischöfe eine gewisse Autorität über diejenigen ausüben, die behaupten für die Kirche im Social Media Space zu lehren. Es gibt, um ehrlich zu sein, eine beunruhigende Anzahl solcher Menschen in den sozialen Medien, die mit haßerfüllter, spaltender Rede handeln, die oft im Widerspruch zur Theologie der Kirche stehen und bedauerlicherweise einen starken Einfluß auf das Volk Gottes haben. Ich denke, daß die Hirten der Kirche, die das Lehramt überwachen, darauf hinweisen können und sollten, wenn Menschen in sozialen Medien den Leib Christi schädigen. Ich frage mich, ob es Zeit ist, so etwas wie eine Erlaubnis für diejenigen einzuführen, die behaupten, den katholischen Glauben online zu lehren, wodurch ein Bischof bestätigt, daß die Person innerhalb der vollen Gemeinschaft der Kirche lehrt.
„Es ist unser Recht, unsere Besorgnis zum Ausdruck zu bringen“
Eine ganz andere Position vertritt Msgr. Athanasius Schneider, der 2006 von Papst Benedikt XVI. zum Titularbischof von Celerina und Weihbischof von Karaganda ernannt wurde. 2011 berief ihn derselbe Papst als Weihbischof in das Erzbistum Astana. Im September 2019 veröffentlichte Bischof Schneider zusammen mit Diane Montagna in den USA das Gesprächsbuch „Christus Vincit: Christ’s Triumph Over the Darkness of the Age“ (Christus siegt. Christi Triumph über die Dunkelheit der Epoche). Diane Montagna ist die couragierte Rom-Korrespondentin von LifeSiteNews, die bei den Pressekonferenzen zur Amazonassynode unangenehme Fragen zur Götzenverehrung der Pachamama stellte.
In dem Buch wird dasselbe Thema behandelt, zu dem Weihbischof Barron Stellung nahm, allerdings von Weihbischof Schneider ganz anderslautend beantwortet.
Frage: Ist das Internet ein wichtiges Instrument, damit die Laien den Glauben verteidigen?
Weihbischof Schneider: Ja, natürlich. Ich sehe das Internet und die sozialen Medien als Werkzeuge der Vorsehung, die den Laien, die den Glauben verteidigen wollen, eine einzigartige Möglichkeit bietet, vereint zu sein. Das wäre vor 30 Jahren nicht möglich gewesen. Jetzt sehe ich Laien, Männer und Frauen, die den Mut haben, ihrem Pfarrer, ihrem Bischof und auch dem Heiligen Stuhl zu sagen: „Bitte, wir sind besorgt über diese Fakten. Das entspricht nicht dem Glauben unserer Väter. Wir bitten, den Glauben unserer Mutter, der Kirche, zu verteidigen.“ Das liberale Kirchen-Establishment – ich nenne es die kirchliche Nomenklatura[1] – beschuldigt nun die Laien der Einmischung und sagt: „Das ist nicht eure Sache. Haltet den Mund!“
Frage: Das riecht nach Klerikalismus, würden Sie nicht auch sagen?
Weihbischof Schneider: Ja, diese Haltung dieser Kleriker gegen die gläubigen Laien ist ein Beweis für enormen Klerikalismus. Die gläubigen Laien müssen diesen arroganten Klerikern antworten. Das ist es, was das Zweite Vaticanum lehrt über die Pflichten der Laien, den Glauben zu bezeugen und zu verteidigen. Sie können diesen Klerikern sagen: „Wenn Sie das Zweite Vaticanum so sehr lieben, dann müssen Sie es zulassen, daß man Sie kritisiert! Laßt uns aufstehen und freimütig in der Kirche für die Verteidigung unserer Väter sprechen. Wir haben das Recht, unsere Besorgnis zum Ausdruck zu bringen, auch dem Papst, denn wir sind eine Familie.“ In dieser neuen und mutigen Haltung vieler Laien sehe ich eine Verwirklichung der Absicht des Zweiten Vatikanischen Konzils. Gott hat das Böse nach dem Konzil zugelassen und nutzt es, um ein größeres Wohl daraus zu erlangen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Erzbistum Los Angeles/Corrispondenza Romana
[1] Die „Nomenklatura“ waren die kommunistischen Funktionäre, die alle Schlüsselpositionen in den sozialistischen Diktaturen des Ostblocks besetzten und alle Bereiche des öffentlichen Lebens überwachten und lenkten.
Bischöfe gegen Bischöfe – das wurde uns für die Endzeit gesagt.
Mich würde schon interessieren, wo bestimmte Leute die vermeintlichen Haßbotschaften zusammen klauben. Oder empfinden sie alles, was ihrer verschwurbelten Weltsicht widerspricht, als gehässig?
Oder ist es so, daß eher sie die ideologisch ramponierten Hassenden sind? Der Haß geht immer von den Abtrünnigen aus.
Eine Art Vorzensur durch die Bischöfe, wie sie Msgr. Barron vorzuschweben scheint, ist in den Sozialen Medien wohl illusorisch. Nichts desto weniger ist sein Anliegen, in den Sozialen Medien mögen keine häretischen Ansichten und v.a. auch keine hasserfüllten, spaltenden „Reden“ verbreitet werden, vollkommen berechtigt. Am ehesten könnte man sich diesem Ziel vielleicht annähern, wenn Kommentare (sogen. Postings) nicht mehr unter Pseudonymen, sondern nur noch unter dem vollen bürgerlichen Namen geschrieben und veröffentlicht werden dürfen. Die Betreiber katholischer Netzwerke hätten es selbst in der Hand, eine derartige Verfügung zu treffen.
Sehr geehrter Herr Johann Hahn,
Pseudonyme abzuschaffen ist ‑ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen- m.E. völliger Quatsch. Wenn Sie wollen, dass möglichst viele Menschen ehrlich sagen, was sie denken, dann müssen diese die Sicherheit haben, dass sie wegen ihrer offenen Meinungsäußerungen nicht noch mehr kritisiert werden, als sie es mitunter in ihrem persönlichen Umfeld schon werden, weil sie eben nicht mit dem jeweiligen Zeitgeist schwimmen, etc.
Ja, es wäre schön, wenn man wirklich ungehindert und ohne jegliche Form von Repressionen offen sprechen dürfte. Sie wissen doch selbst, dass dies heute häufig gar nicht mehr geht. Wenn Sie noch keine solche Negativerfahrungen gemacht haben, wenn Sie offen, ehrlich, wahrheitsgemäß sprechen, dann neige ich fast dazu, Sie ‑diesbezüglich- zu „beneiden“, obwohl „Neid“ an sich kein für mich typischer Wesenszug ist und auch im Grunde nie wirklich war. Ich würde auch behaupten, man hat in den 1980er Jahren wesentlich offener reden können als heute. Heute wird Ihnen doch die Political Correctness um die Ohren gehauen, wegen Dingen, über die sich noch vor 20 Jahren so gut wie niemand Gedanken machte.
Ein anderer Grund ist häufige Namens-Ähnlichkeit oder gar Namens-Gleichheit. Da ich aufgrund meines Berufes mit vielen Menschen zu tun habe, kommt es immer wieder vor, dass mir Grüße von Leuten ausgerichtet werden, mit denen ich früher oder heut noch zu tun hatte bzw. habe. Selbst durch Nachfragen wird nicht immer deutlich, von wem genau diese Grüße kommen, wegen besagter Namens-Gleichheit bzw. Ähnlichkeit. Wenn wir das hohe Gut der freien Meinung in Gedanken, in Wort und Schrift ernst nehmen wollen, dann müssen wir halt auch ertragen, dass es gelegentlich, manchmal auch öfter, Menschen gibt, die sich hinter dem Pseudonym verstecken, um unqualifizierte Bemerkungen von sich zu geben. Mit freundlichen Grüßen Kealani.
Gegenüber einer geplanten Einschränkung der der Meinungsfreiheit durch politische Begriffe wie „Hassrede“ sollte man sehr vorsichtig sein. Unter einer Hassrede kann nur der sprachliche Ausdruck von Hass gegen Personen oder Gruppen verstanden werden. Als Hassrede kann aber nicht die Gegenposition zu politischen Ideologien bezeichnet werden. Als Grundposition muss immer die Forderung nach einem ergebnisoffenenen Dialog bleiben. Eine verbindliche Vorzensur bedeutet jedoch eine eine Einschränkung der Persönlichkeitsrechte des anderen. Davon zu unterscheiden ist das Recht eine Lehre zu formulieren, etwa die Lehre einer oder der Kirche.
Warum sollte man sein bedenken, was in unserer
Kath. Kirche zur Zeit passiert, nicht äußern
dürfen.
Die Kirchensteuern werden gerne angenommen.
Gut, daß es Kath.Netzwerke gibt.
Ich danke Herrn Weihbischof Schneider
für seinen Mut.
Wo bleiben die andern Hirten?