(Rom) Seit 5. September regiert Italiens parteiloser Ministerpräsident Giuseppe Conte nicht mehr mit einer Mehrheit aus Fünfsternebewegung und Lega, sondern einer neuen Mehrheit aus Fünfsternebewegung, Linksdemokraten und radikaler Linken. Das seltene Kunststück, sich bei konträren Mehrheiten im Amt zu halten, könnte bald auch seinem wendigen, österreichischen Amtskollegen Sebastian Kurz von der ÖVP gelingen, der bis Mai mit der FPÖ regierte, nun aber eine Koalition mit den Grünen anstrebt. Der Linksruck, den Italien im Spätsommer erlebte, geht tief. Er verschob auch innerhalb der Fünfsternebewegung die Achse. Während Brüssel zufrieden applaudierte und Entgegenkommen bei den Staatsfinanzen in Aussicht stellte, haben in den Ministerien auch linke Weltverbesserer die Arbeit aufgenommen. Zu ihnen gehört der neue Bildungsminister Lorenzo Fioramonti.
Der Minister, der häufig als Wirtschaftswissenschaftler und Wirtschaftsexperte geführt wird, der schon an der Universität Heidelberg wirkte und mit einer Deutschen verheiratet ist, deren Großvater im Zweiten Weltkrieg Vizeadmiral der deutschen Kriegsmarine war, ist ein Exponent des Linksrucks. Zuletzt war er Professor für Wirtschaftspolitik in Pretoria in Südafrika, wo er den Aufbau des größten Universitätscampus für die nachhaltige Entwicklung in Afrika koordinierte.
Tatsächlich hat Fioramonti, Jahrgang 1977, nicht Wirtschaft studiert, sondern im Diplomstudium Philosophie und im Doktoratsstudium Politikwissenschaften. Seine Dissertation schrieb er über die Unterstützung der Demokratie in Südafrika durch die EU, damals noch EG genannt. In Pretoria, wo er ordentlicher Professor wurde, lehrte er zwar Wirtschaftspolitik, aber am Institut für Politikwissenschaften der Geisteswissenschaftlichen Fakultät.
Die Vernetzung Fioramontis zeigt sich an wohldotierten Aufträgen: 2008 50.000 Euro vom italienischen Außenministerium für eine „internationale Erhebung der öffentlichen Meinung und die Meinung der politischen Eliten in der EU“. 450.000 Euro erhielt er vom Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Kommission für zwei Forschungsprojekte über „multilaterale und interregionale Beziehungen und die Außenpolitik der EU“.
Seine politischen Erfahrungen sammelte er Ende der 90er Jahre in der linksliberalen Gruppierung Italia dei Valori. Anschließend stand er der ehemals kommunistischen, heute sozialistischen Gewerkschaft CGIL nahe. Anfang 2018 tauchte er überraschend als Kandidat auf der Liste der Fünfsternebewegung für die Parlamentswahlen auf und errang ein Mandat. Mit dem fliegenden Koalitionswechsel der Partei stieg er schließlich Anfang September zum Minister für Unterricht, Universitäten und Forschung auf.
Seine Artikel über eine Wirtschaftspolitik „für eine bessere Welt“ erschienen in der Financial Times, der New York Times, der Havard Business Review, aber auch in Medien des deutschen Sprachraumes, so in der Wochenzeitung Das Parlament der Bundeszentrale für politische Bildung und in der bürgerlich-liberalen Wiener Presse. Fioramonti beeinflußte die öffentliche Meinung im Sinne von Deindustrialisierung und „Wachstumsrücknahme“, den Zielsetzungen ganz bestimmter Kreise.
In den erst wenigen Wochen seiner Amtszeit polarisierte der Minister bereits mehrfach. Anfang Oktober forderte die rechte Opposition geschlossen seinen Rücktritt, nachdem einige Tweets mit „groben und sexistischen“ Angriffen Fioramontis „gegen Politiker und die Polizei“ bekannt wurden. Die Wortwahl des Ministers sei „erschreckend und geschmacklos“, sagte eine rechtsliberale Politikerin, der ein Tweet Fioramontis galt. Kritik ließen sogar die verbündeten Linksdemokraten anklingen, wenn sie zu verstehen gaben, daß „Haßsprache“ und „sexistische und harte Ausdrücke“ kein gutes Vorbild für die Jugend seien.
Fioramonti blieb jedoch im Amt und provozierte kurz darauf erneut, als er in einer Fernsehsendung sagte, „an eine laizistische Schule“ zu glauben und sich für die Entfernung der Kreuze aus den Schulen aussprach. Viele hatten gehofft, das Land habe solche kulturkämpferischen Töne hinter sich. Die Italienische Bischofskonferenz sprach von einem Ausdruck „grundsätzlicher kultureller Unkenntnis“.
Vor drei Tagen kündigte Minister Fioramonti an, daß ab dem Schuljahr 2020/21 Italiens Schüler 33 Pflichtstunden in Sachen „Klimawandel und nachhaltige Entwicklung“ zu absolvieren hätten.
Damit erklärt sich, warum er gleich am Beginn seiner Amtszeit ein Beraterkomitee einrichtete und die wissenschaftsresistente, indische Öko- und Nachhaltigkeitsaktivistin Vandana Shiva und seinen Fachkollegen, den ehemaligen Arbeits- und Sozialminister der Mitte-links-Regierung unter Enrico Letta (2013/14) zu seinen Beratern ernannte. Beide sind parteilos und gehören dem Club of Rome an.
Neben den 33 Pflichtstunden sollen eine ganze Reihe von Fächern wie Geographie, Mathematik und Physik umgebaut werden, damit sie aus einer „neuen Perspektive“ mit „der nachhaltigen Entwicklung verknüpft werden“.
Die Ankündigung durch den Minister erfolgte am 5. November, ganz globalistisch, über die Presseagentur Reuters. Die Schüler sollen nach dem Rechenmodell vom „ökologischen Fußabdruck“ von Mathis Wackernagel und William Rees und den Thesen von der „glücklichen Wachstumsrücknahme“ von Serge Latouche unterrichtet werden. Der Minister wörtlich:
„Ich will aus dem italienischen Bildungssystem weltweit das erste machen, das Umwelt und Gesellschaft in den Mittelpunkt unseres Lernens stellt.“
Noch ist völlig unklar, wie der Minister seine „Revolution“ des Bildungswesens realisieren will, oder wem er die Abhaltung der Pflichtstunden zum Klimawandel anvertrauen wird. Manche Beobachter bekommen beim Nachdenken schon Kopfschmerzen, angesichts der angekündigten Ideologisierung der Schule.
Seine Beraterin Vandana Shiva beispielsweise behauptet, daß in Indien 250.000 Kleinbauern Selbstmord begangen hätten, weil sie „für den Markt“ produzieren wollten, aber nicht mithalten konnten, daß die Bienen ausgerottet würden und daß genveränderter Reis die Armut und die Unterernährung weltweit vergrößert habe. Nichts davon aber ist wahr. Vandana Shiva macht sich nicht einmal die Mühe, ihre Behauptungen zu belegen.
Noch wirrer werden die Gedanken der Regierungsberaterin zur Xylella fastidiosa, dem Feuerbakterium, das Italiens Olivenbäume befällt. Vandana Shiva spricht sich dagegen aus, die befallenen Bäume zu fällen, um die gesunden zu schützen, denn durch das Fällen würde „die Kultur“ zerstört, nämlich „der Frieden“, denn „die Taube hat einen Olivenzweig im Schnabel. Wir müssen Frieden mit der Erde schließen. Der Olivenbaum ist das Symbol dieses Friedens mit der Erde.“ Den italienischen Olivenbauern empfiehlt die Beraterin des Bildungs‑, Wissenschafts- und Forschungsministers daher, die befallenen Pflanzen „mit viel Liebe zu umarmen“.
Der andere Berater ist Enrico Giovannini, der das Vorwort zu Fioramontis einziger Publikation mit einiger Breitenwirkung schrieb. Er ist Mitgründer und Sprecher des Bündnis für nachhaltige Entwicklung in Italien, das 2016 gegründet wurde, „um in der italienischen Gesellschaft, den Wirtschaftsakteuren und den Institutionen das Bewußtsein von der Bedeutung der Agenda 2030 für die nachhaltige Entwicklung wachsen zu lassen und sie für die Verwirklichung der Ziele der nachhaltigen Entwicklung zu mobilisieren. Globalismus pur.
Gemeint ist die politische Agenda der UNO, die im September 2015 von der 70. Hauptversammlung der Vereinten Nationen, mit dem Segen von Papst Franziskus beschlossen wurde und die 2000 beschlossenen Millenniums-Ziele fortsetzt. Umfaßte die globale Politik 2000 acht Ziele, so waren es 2015 schon 17 mit 169 Unterzielen. Von den Milliarden, die für die Millenniums-Ziele gerechnet wurden, ist man für die Nachhaltigkeits-Ziele schon zu Billionen übergangen, die natürlich in erster Linie von den entwickelten, westlichen Staaten aufzubringen sind. Dem liegt die beweislos postulierte Überzeugung zugrunde, daß die reichen Länder schuld an der Ungerechtigkeit in der Welt seien. Die Finanzierung einer gigantischen Umverteilung sei daher nur ein Akt der „Wiedergutmachung“ – behaupten jedenfalls die Vertreter dieser Logik.
Dasselbe gelte auch für den Umweltschutz und den Klimawandel. Da die Länder, in denen es mit dem Umweltschutz im argen liegt, aufgrund von Korruption, Mißwirtschaft oder Gleichgültigkeit ihren Pflichten für die „Gesundheit des Planeten“ nicht nachkommen, müßten das ebenfalls die Staaten tun, die über die nötigen Mittel verfügen. Gemeint ist damit freilich derselbe, gigantische Umverteilungsmechanismus mit einigen besonderen Profiteuren.
Giovannini will die nachhaltige Entwicklung in der Verfassung festschreiben lassen. Von der menschenverschuldeten Erderwärmung gibt er sich überzeugt, weshalb er Greta Thunberg unterstützt, die er im Frühjahr in Rom empfing.
Vandana Shiva und Enrico Giovannini sind Mitglieder des Club of Rome, der 1968 gegründeten neo-malthusianischen Globalisten-Lobby zur Bevölkerungsdezimierung. Die Neo-Malthusianer hatten, was ihre Ziele anbelangt, keine Probleme mit dem Eisernen Vorhang oder dem kommunistischen China. Die Katastrophen-Behauptungen des Clubs wurden zwar alle widerlegt, dennoch vertritt er sie in modifizierter und versteckterer Form bis heute. Das gilt auch für Giovannini. Der Club of Rome hatte behauptet, daß sich die Goldvorkommen bis 1981 erschöpfen werden, bis 1985 die Quecksilbervorkommen, bis 1987 die Zinnvorkommen, bis 1990 die Zinkvorkommen, bis 1992 die Erdölvorkommen, bis 1993 die Vorkommen von Kupfer, Blei und Erdgas. Nichts davon ist eingetreten. Von den Hungersnöten und Unruhen, die ab den 80er Jahren bis zur Jahrtausendwende fast den gesamten Westen in eine Mondlandschaft verwandeln würden, ganz zu schweigen.
Bildungsminister Fioramonti scheint das alles nicht zu kümmern, weil er selbst von derselben Ideologie durchtränkt ist. Zu seinen Vorschlägen gehört die Einführung einer Klimasteuer auf Flugtickets, Plastik, zuckerhaltige Getränke und Nahrungsmittel und die Erdölindustrie.
Gegenüber Reuters brachte er seine Überzeugungen wie folgt auf den Punkt:
„Ich will das Italien vertreten, das sich all dem widersetzt, was Salvini vertritt.“
Und weiter:
„Wir müssen eine neue Erzählung schaffen und dürfen keine Angst haben, etwas zu sagen, was Salvini vielleicht nicht gefallen könnte, denn dafür existieren wir.“
Deshalb sind noch zwei Details aus Fioramontis Biographie zu ergänzen. Seine Karriere weist 2013 einen Zwischenstopp bei der Rockefeller Foundation auf und schließlich und nicht zuletzt, ist er Mitglied im European Council on Foreign Relations (ECFR), der international tätigen, „paneuropäischen“ Denkfabrik von George Soros. Der ECFR verfügt über Büros in sieben europäischen Hauptstädten. Seine Aktivitäten stützen sich auf 60 hauptberufliche Mitarbeiter sowie auf assoziierte Wissenschaftler aus 28 Staaten. Und hier schließt sich wieder der Kreis nach Österreich. Mitglied des ECFR ist auch Sebastian Kurz. Er gehörte der Soros-Denkfabrik bereits vor seinem Aufstieg zum Bundeskanzler an. Auch als Regierungschef der Alpenrepublik sah er nie eine Notwendigkeit, sich zu seiner Mitgliedschaft zu erklären.
Während Fioramonti in der Mitgliederliste des ECFR bereits aktuell als Bildungsminister geführt wird, was er seit dem 5. September ist, steht bei Sebastian Kurz nach wie vor „Bundeskanzler“ (Chancellor), was er seit dem 27. Mai nicht mehr ist, aber bald wieder sein dürfte. Beim ECFR geht man offensichtlich fest davon aus.
Neben Kurz sind aus Österreich auch Ulrike Lunacek, einstige Europaabgeordnete und Spitzenkandidatin der Grünen, und Hannes Swoboda von den Sozialdemokraten ECFR-Mitglieder.
Fioramonti ist nicht nur ein Exponent des Linksrucks. Er ist auch ein Exponent des Establishments. Beide Dinge scheinen immer mehr zusammenzufallen.
Die Liste der übrigen im ECFR vernetzten Netzwerker aus Österreich, der Bundesrepublik Deutschland und anderen europäischen Staaten findet sich transparent im Internet.
Text: Andreas Becker
Bild: MiL