Hinter einem klugen Kopf steckt nicht immer der Heilige Geist

„Verteidiger des Glaubens“ von Christoph Röhl


„Verteidiger des Glaubens“ über Benedikt XVI.: ein „extrem einseitiger Film“.
„Verteidiger des Glaubens“ über Benedikt XVI.: ein „extrem einseitiger Film“.

Ein Gast­kom­men­tar von Hubert Hecker. 

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Der deutsch-eng­li­sche Fil­me­ma­cher Chri­stoph Röhl ist nach eige­nen Anga­ben ein kir­chen­fer­ner Athe­ist. Die­ser Hin­ter­grund hät­te sich für sein Film­pro­jekt über die katho­li­sche Kir­che nicht pro­ble­ma­tisch aus­wir­ken müs­sen, wenn der Film­au­tor unvor­ein­ge­nom­men an die Recher­che her­an­ge­gan­gen wäre. Tat­säch­lich aber ist sein Film „Ver­tei­di­ger des Glau­bens“, der ab 31. Okto­ber in eini­gen Kinos zu sehen ist, ein extrem ein­sei­ti­ger Strei­fen. Gleich zu Anfang legt sich Röhl mit sei­nem Vor­ur­teil über die Kir­che fest: „Der Katho­li­zis­mus zielt dar­auf ab, die Gedan­ken der Men­schen zu kon­trol­lie­ren.“ Und so ver­sucht er, das Wir­ken von Papst Bene­dikt XVI. in den Rah­men eines inqui­si­to­ri­schen Kon­troll­sy­stems einzupressen. 

Laut Ver­lags­an­ga­ben will Röhl mit sei­nem Film ein Por­trait des inzwi­schen eme­ri­tier­ten Pap­stes gelie­fert haben. In Wirk­lich­keit stellt der Strei­fen weder eine Doku­men­ta­ti­on des Lebens, Wir­kens und vor allem Schrei­bens von Joseph Ratz­in­ger dar noch ent­hält er eine Wür­di­gung des Theo­lo­gie­pro­fes­sors, Erz­bi­schofs von Mün­chen, Kuri­en­kar­di­nals und Inha­bers des Papst­am­tes. Das Film­ur­teil über Bene­dikt ist geprägt durch eine Ansamm­lung von nega­ti­ven Mei­nungs­äu­ße­run­gen von Papst­kri­ti­kern. Deren Ver­riss des Pon­ti­fi­kats von Papst Bene­dikt schließt sich der Film­re­zen­sent der Frank­fur­ter All­ge­mei­nen in sei­nem Bei­trag vom 1. Novem­ber grund­sätz­lich an. 

Der Autor Bert Reb­handl unter­füt­tert das plat­te Urteil des Film­au­tors mit theo­lo­gi­schen Inter­pre­ta­tio­nen. Sein Ansatz ist die in der Nach­kon­zils­zeit ver­brei­te­te Sicht auf das Chri­sten­tum als Ver­falls­ge­schich­te vom bibli­schen Cha­ris­ma zur büro­kra­ti­schen Insti­tu­ti­on Kir­che. In die­sem Sinn beginnt der Rezen­sent sei­ne Film­be­spre­chung mit der The­se: Aus der Leh­re des „wan­der­cha­ris­ma­ti­schen End­zeit­pro­phe­ten“ Jesus sei im Lau­fe der Jahr­hun­der­te eine „Dok­trin inmit­ten einer Büro­kra­tie“ gewor­den. Im Zen­trum des büro­kra­ti­schen „Appa­ra­tes wie der Kurie“ ste­he die Con­gre­ga­tio pro doc­tri­na fidei. Die­ses kirch­li­che System hät­te so einen wie Kar­di­nal Ratz­in­ger „her­vor­ge­bracht“. Der habe sich eben des­halb vor­züg­lich dar­in ein­ge­rich­tet „wie in einer festen Burg“. In einer ande­ren System­lo­gik hät­te man ihn „als Appa­rat­schik bezeich­nen kön­nen“. Vom Appa­rat-Begriff ist der Zei­tungs-Autor so berauscht, dass er ihn sogar auf einen Orden anwen­det, den der Legio­nä­re Christi. 

Im Film wird Ratz­in­gers theo­lo­gi­scher Lebens­pfad als Weg­schlei­fe vom libe­ra­len Kon­zils­re­for­mer zu einem kon­ser­va­ti­vem Glau­bens­be­wah­rer behaup­tet. Die­se The­se klingt auch in der Rezen­si­on an in dem Satz, Ratz­in­ger sei „schon 1969 vor der Stu­den­ten­be­we­gung aus Tübin­gen ins hei­mat­li­che Regens­burg geflo­hen“. Im Rah­men einer Rück­zugs­theo­lo­gie spinnt der Rezen­sent die Feste-Burg-Meta­pher wei­ter zu einer „Kir­che als Haus voll Glo­rie“, um schließ­lich dem Papst das „Kon­strukt der tri­um­phie­ren­den Kir­che“ als hand­lungs­lei­tend anzu­dich­ten. Dem „Augu­sti­ni­sten Ratz­in­ger“ unter­stellt Reb­handl die Vor­stel­lung, dass Rom und die Kurie letzt­lich „eine Pro­vinz des Got­tes­staa­tes hin­ter den Din­gen und Zei­ten“ seien. 

Der Film­au­tor küm­mer­te sich um kei­nes der viel­fäl­ti­gen theo­lo­gi­schen Wer­ke Ratz­in­gers. Statt­des­sen ver­meint er, aus dem bay­risch-katho­li­schen Hin­ter­grund der Ratz­in­ger-Fami­lie die Glau­bens­welt des Pap­stes ablei­ten zu kön­nen. Im Deutsch­land­funk erklär­te er: „Mein Ziel war, den Glau­ben dar­zu­stel­len, was die­ser Glau­be bedeu­tet. Und das bedeu­tet halt: Hei­mat, Fami­lie, nost­al­gi­sche Erin­ne­run­gen an der Kind­heit“. Auf die­se Wei­se ver­sucht er den Theo­lo­gen­papst zu einem ober­bay­ri­schen Pro­vinz­ler zu degra­die­ren. Der FAZ-Redak­teur vari­iert die­sen Gedan­ken mit der The­se, Ratz­in­gers Kir­chen-Tri­um­pha­lis­mus sei „wohl auch“ aus sei­nen „bay­ri­schen Kind­heits­er­in­ne­run­gen“ erwach­sen. Der Kuri­en­kar­di­nal als Lei­ter der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on habe sowohl im Sin­ne „bay­ri­scher Hei­ma­ti­dyl­lik“ gehan­delt wie auch in „auto­ri­tä­rer Globalisierung“. 

Reb­handls Spe­ku­la­tio­nen wei­ten sich dann auf Mut­ma­ßun­gen über Ratz­in­gers inne­res Wol­len aus. So behaup­tet er, als Theo­lo­ge sei er einer von denen gewe­sen, „die das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil nicht wirk­lich umset­zen woll­ten“. Zu sei­nem Rück­tritt als regie­ren­der Papst glaubt der Zei­tungs­mann mit einer Innen­schau auf Bene­dikts Befind­lich­kei­ten zu wis­sen, dass der Rück­zugs­grund „wohl eine Mischung aus Krän­kung und Über­for­de­rung war“. 

Dar­in scheint sich der Rezen­sent mit dem Film­au­tor einig zu sein: War­um soll man sich auf die Fak­ten in Ratz­in­gers Lebens­werk stüt­zen und sei­ne theo­lo­gi­schen Schrif­ten zitie­ren, wenn so vie­le inter­es­san­te Mei­nun­gen und Theo­rien über den Papst im Umlauf sind? Zu den beson­ders mei­nungs­star­ken Äuße­run­gen gehört sicher­lich die Schluss­be­mer­kung der Rezen­si­on, nach der einen sol­chen kir­chen­kri­ti­schen Film des Athe­isten Röhl „womög­lich der Hei­li­ge Geist inspi­riert“ haben könn­te. Dage­gen zei­gen die Aus­füh­run­gen Reb­handls, dass von dem Glanz der gött­li­chen Geist­wir­kung offen­bar wenig auf den klu­gen Kopf des FAZ-Autors abge­strahlt ist.

Text: Giu­sep­pe Nardi

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