(Rom) „Demutsgeste“, „starkes Signal“ oder „unwürdiges Spektakel“? Seit gestern herrscht Verlegenheit über eine Geste von Papst Franziskus. Im päpstlichen Umfeld heißt es: „Für den Frieden alles“.
Franziskus empfing die politische und religiöse Führung des Südsudans. Das mehrheitlich von Christen bewohnte schwarzafrikanische Land erlangte nach einer langen und grausamen Unterdrückung durch den arabisch-muslimischen Nordsudan 2011 die staatliche Unabhängigkeit. Die Stammeskonflikte in dem Land waren damit aber nicht zu Ende. Seither gehörte der Bürgerkrieg zum Alltag und forderte rund 200.000 Tote und an die zwei Millionen Obdachlose und Vertriebene.
Papst Franziskus lud die beiden Hauptgegner des Landes, Staatspräsident Salva Kiir und seinen ehemaligen Vizepräsidenten Riek Machar, zu geistlichen Exerzitien nach Santa Marta und mahnte sie mit Nachdruck zum Frieden. Die Tatsache, daß beide politischen Führer der Einladung folgten und nach Rom kamen, um gemeinsam Seite an Seite an den geistlichen Einkehrtagen teilzunehmen, stimmt nicht nur in Santa Marta hoffnungsvoll.
Gestern hielt Papst Franziskus ihnen eine Ansprache, darin sagte er:
„Beendet die Feindseligkeiten, bleibt ihm Frieden. Der Frieden ist möglich!“
An den Exerzitien nahmen auch die designierten Vizepräsidenten James Wani Igga, Taban Deng Gai und Rebecca Nyandeng De Mabior teil sowie acht Mitglieder des Kirchenrates des Landes. Die Exerzitien wurden von Erzbischof John Baptist Odama von Gulu in Uganda und von P. Agbonkhianmeghe Orobator, dem Vorsitzender der Konferenz der Generaloberen von Afrika und Madagaskar, gehalten.
Für den kommenden 12. Mai ist die Bildung einer Übergangsregierung geplant. Sie soll das Friedensabkommen umsetzen, das Regierung und Opposition im vergangenen August unterzeichnet und im September ratifiziert haben.
„Ihr habt den Friedensprozeß eingeleitet. So werdet ihr zu Vätern der Nation“, sagte ihnen Papst Franziskus mit Blick auf den 12. Mai.
Zugleich äußerte er den Wunsch, „eure geliebte Nation“ zu besuchen.
Am Ende geschah dann Ungewöhnliches. Papst Franziskus sprach zunächst ein Gebet. Plötzlich warf er sich vor den Kontrahenten auf den Boden und küßte Staatspräsident Salva Kiir, Riek Machar und den designierten Vizepräsidenten die Schuhe.
„Ein intensiver und starker Moment der Begleitung für den neuen Staat, der in wenigen Wochen das Licht erblicken wird“, schreibt heute Avvenire, die Tageszeitung der Italienischen Bischofskonferenz.
Im Saal herrschte große Verlegenheit. Eine „starke“ Geste war es. „Für den Frieden alles“, heißt es im Vatikan, wenn auch einige den Kopf schütteln.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Avvenire (Screenshots)