(Islamabad) Seit Juni 2009 befindet sich Asia Bibi, die pakistanische Katholikin und Mutter von fünf Kindern, wegen angeblicher „Beleidigung des Islams“ im Gefängnis. 2010 wurde sie dafür zum Tode verurteilt. Nach bald neuneinhalb Jahren gibt es wieder kleine Zeichen der Hoffnung.
Asia Bibi ist zur Symbolfigur geworden, zur lebenden Anklage gegen das berüchtigte Anti-Blasphemiegesetz, das seit den 80er Jahren in Pakistan den Islam vor Beleidigungen schützen soll. In Wirklichkeit wird das Gesetz zur Diskriminierung der religiösen Minderheiten eingesetzt, allen voran gegen die Christen. Sie bilden im mehrheitlich islamischen Land nur eine kleine Minderheit, die allerdings mehrere Millionen Menschen zählt.
Der Grund ihrer langen Haft, der Großteil davon in der Todeszelle, sollte nicht vergessen werden: Im Juni 2009 wurde Asia Bibi von ihren Arbeitskolleginnen, mit denen sie einen Acker bestellte, beschuldigt, den Islam beleidigt zu haben. Die Musliminnen ließen Asia Bibi kein Wasser trinken, weil sie Christin ist. Es kam zu einem Wortwechsel, bei dem Asia Bibi laut Anklage einen Vergleich zwischen Jesus Christus und Mohammed angestellt haben soll:
„Jesus Christus ist für die Sünden der Menschen am Kreuz gestorben. Was hat euer Prophet Mohammed für die Rettung der Menschen getan?“
Diese Frage kann in Pakistan das Leben kosten. Im November 2010 wurde sie zum Tode durch den Strang verurteilt.
Todesgefahr
Weil sie Partei für Asia Bibi bzw. gegen das Blasphemiegesetz ergriffen, mußten 2011 der damalige Bundesminister für die Minderheiten, der Katholik Shahbaz Bhatti (siehe: Shahbaz Bhatti wäre heute 50 – Sein Testament: Für Christus will ich sterben), und der damalige Gouverneur des Punjab, der Muslim Salman Taseer, sterben. Beide wurden von fanatischen Muslimen ermordet.
Nun gibt es seit einigen Stunden ein Urteil des Obersten Gerichtshofes, das aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht wurde. Die Gefahr ist real, daß Asia Bibi ermordet werden könnte, noch ehe sie ihren Fuß wirklich aus dem Gefängnis setzen kann. Wenn sie nicht am Galgen stirb, werde man Lynchjustiz betreiben, drohten radikalislamische Gruppen bereits vor Jahren.
Das ist auch der Grund, weshalb sie seit bald zehn Jahren in Isolationshaft gehalten wird, sie mit ihrem Schutz begründet wird, aber unmenschliche Haftbedingungen im Gefängnis von Multan bedeuten. Sie darf nur dreimal im Monat für je eine Stunde ins Freie. Von einer Stunde Hofgang, wie sie für Gefangene als Mindeststandard gelten, kann Asia Bibi seit Jahren nur träumen. Gefängniswärter, die sie seit Jahren kennen, ließen in der Vergangenheit mehrfach die Rechtsanwälte wissen, daß Asia Bibi nicht die nötige medizinische Versorgung erhält, die sie bräuchte.
Urteil gefällt, aber nicht verkündet
Die Obersten Richter haben entschieden, aber nicht verlautbart. Die Verteidiger Asia Bibis und pakistanische Menschenrechtsaktivisten sind optimistisch. Sollte sie, wie von ihnen vermutet, tatsächlich freigesprochen worden sein, braucht sie ein sicheres Land, das ihr politisches Asyl gewährt. Daher ist die Rede, daß dieses Land gesucht wird und ein Plan entworfen wird, sie außer Landes zu bringen, noch bevor der Freispruch veröffentlicht wird.
Soweit die aktuelle Stimmung, die noch einer Bestätigung harrt.
Bereits vor Beginn der Verhandlung am Obersten Gerichtshof hatte sich Wilson Chowdhry, der Vorsitzende der British Pakistani Christian Association vorsichtig optimistisch gezeigt. AsiaNews zitierte ihn mit den Worten:
„Ich habe Vertrauen, daß es ein gutes Ergebnis sein wird. Asia war während all dieser Jahre stark und mutig und hat nichts von ihrem Glauben verloren“.
Noch optimistischer gab sich Saiul Malook, einer der Rechtsanwälte von Asia Bibi, im Anschluß: „Ich bin mir hundertprozentig sicher, daß sie freigesprochen wird. Das war ein guter Prozeß.“
Das Versagen linker Menschenrechtsorganisationen
Nun gibt es ein Urteil, doch es ist nicht bekannt. Wurde sie wirklich freigesprochen. Tausende Christen, die für sie weltweit gebetet haben, hoffen es. Vor dem Gerichtsgebäude hatten sich zahlreiche Muslime versammelt. Radikale Organisationen hatten zum Protest aufgerufen. Die Staatsführung befürchtet Unruhen. Das war ein Grund, weshalb sich der Fall von Asia Bibi schon so lange hinzieht. Was zählt das Leben einer unschuldigen Frau im Gefängnis, im Gegensatz zu Massenunruhen mit vielleicht Tausenden von Toten, einem potentiellen Regierungsumsturz und der Möglichkeit, daß ein so bevölkerungsreiches muslimisches Land, das über Atomwaffen verfügt, in die Hände radikalislamischer Gruppen fällt? Das scheint die Frage gewesen zu sein, die sich höchste Regierungskreise nicht nur in Islamabad, sondern auch in anderen Regierungskanzleien bis nach Washington stellten. Der Rest nennt sich „Güterabwägung“.
Der Fall Asia Bibi offenbarte nicht nur, daß Pakistan sich in einer kontrollierten Geiselhaft islamistischer Gruppen befindet. Es offenbarte auch eine Form von Heuchelei von bestimmten Menschenrechtsorganisationen. Dabei handelt es sich um jene Organisationen, die in den den westlichen Medien den größten Raum erhalten und sich in der Öffentlichkeit am lautstärksten Gehör verschaffen. Sie haben sich im Fall Asia Bibi sehr kleinlaut und gegenüber dem Schicksal dieser Katholikin ziemlich desinteressiert.
Am Fall Asia Bibi wurde eine ideologisch motivierte Schlagseite ihrer Menschenrechtsarbeit sichtbar. Wenn der Einsatz für die Menschenrechte nicht als Kampf gegen rechts verbucht werden kann, wird das Engagement zurückgeschraubt. Dabei wäre das laut diesem Verständnis in Pakistan durchaus möglich gewesen. Doch der Islam stellt ein Tabu dar, das nur punktuell angetastet wird. Für eine Christin scheinen sich gewisse Menschenrechtsorganisationen jedenfalls nicht mobilisieren zu wollen, schon gar nicht wegen angeblicher Beleidigung des Islams. Diesen linken Organisationen, Amnesty International, sei namentlich genannt, viel zu Asia Bibi in den vergangenen zehn Jahren so gut wie nichts ein.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: NBQ