(Lahore) Ein Jahr nach der Ermordung von Salman Taseer, des Gouverneurs der pakistanischen Provinz Punjab, erinnern die Christen des Landes an das Schicksal von Asia Bibi. Die Christin und fünffache Familienmutter befindet sich seit Juni 2009 in Haft. Ihr wird vorgeworfen, Mohammed beleidigt zu haben. Im Oktober 2010 wurde Asia Bibi zum Tode verurteilt. Sie schwebt in ständiger Lebensgefahr. Der Staat selbst hat Zweifel, ihre Sicherheit im Gefängnis garantieren zu können, obwohl sie völlig abgesondert und mit eigenem Wachpersonal festgehalten wird.
Rechtliche Grundlage ihrer Verhaftung und Verurteilung ist das sogenannte Anti-Blasphemigesetz, das eine Beleidigung Mohammeds, des Islam oder Allahs mit dem Tode bestraft. Gouverneur Taseer, selbst Moslem, bemühte sich für Asia Bibi und sprach sich für eine Änderung des Gesetzes aus. Damit besiegelte er sein Todesurteil. Taseer wurde von einem seiner eigenen Leibwächter exekutiert.
Das gleiche Schicksal erlitt zwei Monate später, am 4. März 2011 der Minister für die Minderheiten, der Katholik Shahbaz Bhatti. Er setzte sich für Freilassung von Asia Bibi ein und verlangte die Abschaffung des berüchtigten Anti-Blasphemiegesetzes. Aus seinem geistlichen Vermächtnis geht hervor, das Bhatti stets mit seiner Ermordung durch fanatische Moslems rechnete.
„Mit dem Mord an Salman Taseer und dem Mord an Shahbaz Bhati wollte man alle zum Schweigen bringen, die es wagen, gegen den Extremismus Stellung zu nehmen“, erklärte Msgr. Rufin Anthony, der katholische Bischof von Lahore. „Die Anhänger der Finsternis sind entfesselter denn je.“
Der Bischof erklärte, daß in Pakistan „viele offene Fragen zu klären sind. Es muß uns für das Wohl Pakistans gelingen, ohne Angst miteinander zu reden“, so Bischof Anthony.
Die Familie Taseer gedachte mit zahlreichen Menschenrechtsaktivisten in ihrem Haus in Lahore des ermordeten Gouverneurs. Dabei richtete sie einen erneuten Appell, den im August 2011 entführten Sohn Shahbaz Taseer freizulassen. Laut Regierungsinformationen soll er in den von den Talibans kontrollierten Stammesgebieten gefangengehalten werden.
Der Menschenrechtsaktivist Zeeshan Joseph erinnert an Taseer als den Mann, der für die „Verteidigung einer christlichen Frau“ ermordet wurde und forderte die Bestrafung jener, die den Mord feiern.
Den Jahrestag der Ermordung nützten islamistische Organisationen, um die Ermordung und den Mörder zu feiern. Die Extremistengruppe Tahaffuz Namoos-i-Rasalat Mahaz (Tnrm) veranstaltete im Zentrum von Lahore eine Kundgebung. Ihr Anführer Allama Muhammad Tahir Tabassum verlangte von der Regierung, die Pistole, mit der Taseer erschossen wurde, öffentlich zu versteigern. Das Sunni Ittehad Council erklärte sich umgehend bereit, eine Million Dollar für die „heilige Pistole“, wie es in einer Aussendung heißt, zu bezahlen.
Der Mörder Mumtaz Qadri wurde in erster Instanz zum Tode verurteilt. Das Berufungsverfahren hat noch nicht begonnen. Gleiches gilt, wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen für Asia Bibi, deren Zukunft völlig ungewiß ist. Internationale Bemühungen, ihre Ausreise aus Pakistan zu erwirken, hatten bisher keinen Erfolg. Die Regierung fürchtet ein endgültiges Kippen der öffentlichen Meinung zugunsten der islamischen Extremisten.
Text: Asianews/Giuseppe Nardi
Bild: Asianews