
(Rom) Am 11. September schrieb Kardinal Donald Wuerl, Erzbischof von Washington, und als solcher Nachfolger von Ex-Kardinal McCarrick, einen Brief an die Priester seines Bistums. Darin bereitete er sie auf seinen eventuellen Rücktritt vor. Zumindest kündigte er ihnen an, mit Papst Franziskus über seinen Rücktritt zu sprechen. Heute empfing Franziskus die Führungsspitze des US-Episkopats – endlich.
Wie das vatikanische Presseamt bekanntgab, wurden heute vormittag Kardinal Daniel DiNardo, Erzbischof von Galveston-Houston und Vorsitzender der Amerikanischen Bischofskonferenz, sein Vize Erzbischof José Horacio Gómez von Los Angeles, der Generalsekretär Msgr. Brian Bransfield und Kardinal Sean Patrick O’Malley, Erzbischof von Boston und Vorsitzender der Päpstlichen Kinderschutzkommission, von Papst Franziskus in Audienz empfangen.
Wie ernst meint es Franziskus? Zwei Gradmesser

Sollte sich Papst Franziskus doch endlich durchgerungen haben, das Problem „Gay Gate“ der US-Kirche öffentlich anzugehen?
Wie ernst es Franziskus ist, wird sich daran zeigen, ob er Kardinal Wuerl in der römischen Kongregation für die Bischöfe beläßt. Nach seiner Wahl hatte der argentinische Papst den US-Kardinal Raymond Burke aus der Bischofskongregation entfernt. Progressiven Kirchenkreisen war dessen Einfluß unter Papst Benedikt XVI. auf die Bischofsernennungen in den USA ein Dorn im Auge gewesen. Franziskus ersetzte Burke durch Wuerl. Damit erhielt der nunmehrige Ex-Kardinal Theodore McCarrick, wie heute der Vorwurf lautet, zusätzlichen Einfluß auf die Bischofsernennungen in den USA. Gleich drei Kirchenmänner aus dem McCarrick-Umfeld wurden von Franziskus zu Kardinälen erhoben und auf bedeutende Bischofssitze in den USA berufen bzw. an die Spitze eines römischen Dikasteriums.
Dabei handelt es sich um den nunmehrigen Kardinal Kevin Farrell. Seine weitere Zukunft ist ein weiterer Gradmesser, ob Franziskus den Gay Gate – Skandal ernsthaft angehen will. Farrel wurde von Franziskus zum Präfekten des neuerrichteten Dikasteriums für die Laien, die Familie und das Leben ernannt. In dieser Funktion wurden von Farrel dem Weltfamilientreffen im Namen des Papstes erstmals eigene Programmpunkte zum Thema Homosexualität aufgezwungen.
Nach der Veröffentlichung des Pennsylvania-Berichts und noch mehr nach Bekanntwerden des Viganò-Dossiers kursierten Gerüchte, daß Papst Franziskus Kardinal Wuerl geheim zu einem Gipfeltreffen geladen habe. Anfang September wurden diese Gerüchte vom EWTN-Reporter Jason Calvi bestätigt. Von größerer Bedeutung ist, daß es Teil dieser Gerüchte war, daß Franziskus bereit sei, einen „Bauern“ auf dem Schachbrett „zu opfern“, um Farrell (und wohl auch andere der innerkirchlichen Homo-Seilschaften) zu retten. Farrell, Wuerl und weitere hochrangige Kirchenvertreter werden im Viganò-Dossier der „Homo-Lobby“ zugerechnet.
„An der Römischen Kurie sprechen einige von der irischen Homo-Lobby“, so die traditionsverbundene Internetseite Messa in Latino.
Spitze der US-Kirche endlich von Franziskus empfangen

Kardinal DiNardo, der Vorsitzende der Amerikanischen Bischofskonferenz, hatte bisher Franziskus vergeblich gebeten, in Audienz empfangen zu werden. Obwohl die Kirche in den USA im Sturm der Kritik steht, ließ Franziskus Kardinal DiNardo wie irgendeinen Bittsteller im Regen stehen. Erst nach Wochen wurde er heute vormittag vom Papst empfangen, um ihm endlich die schwerwiegende Lage schildern und mit ihm besprechen zu können.
Es gibt Stimmen in Rom, die behaupten, Franziskus habe Kardinal DiNardo, der kein Bergoglianer ist, deshalb so spät als möglich empfangen, um währenddessen eine „Lösung“ vorbereiten und sie dem US-Episkopat vorsetzen zu können. Laut diesen Stimmen wolle Franziskus keinen wirklichen Dialog zum Thema und schon gar nicht zu Personalien. Erst als es keinen anderen Ausweg mehr gab, entfernte Franziskus McCarrick aus dem Kardinalskollegium. Damit, so römische Stimmen, habe der Papst gehofft, das Thema „abzuschließen“. Dem machte das Viganò-Dossier des ehemaligen Apostolischen Nuntius in den USA, Msgr. Carlo Maria Viganò, einen unerwarteten und massiven Strich durch die Rechnung.
Der Papst habe auf Zeit gespielt, in der Hoffnung, daß sich die Aufmerksamkeit schnell lege. Dem ist aber nicht so.
Heute gab Franziskus zudem bekannt, alle Vorsitzenden der Bischofskonferenzen einzuberufen, das sind derzeit weltweit rund 150, um mit ihnen die Geißel der klerikalen Pädophilie zu bekämpfen. Einen solchen Schritt gab es noch nie. Das päpstliche Handeln wird aber nicht an solchen Gesten, sondern an konkreten Entscheidungen zu messen sein.
Zwei Gradmesser wurden genannt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va/Erzbistum Washington (Screenshots)