
(Moskau) Mit einer gigantischen Prozession zu Ehren von Zar Nikolaus II. gedachten Rußlands Christen der Ermordung der Zarenfamilie durch die Kommunisten.

In Katharinenburg am Uralgebirge nahmen Hunderttausende von Russen am 17. Juli an einer gigantischen Prozession teil, die am Jahrestag und am Ort des Verbrechens stattfand. Die Prozession führte zur Basilika, die zu Ehren der kaiserlichen Familie am Ort ihrer Ermordung errichtet wurde. In der Basilika werden Reliquien des letzten Zaren aufbewahrt. Die ermordete Zarenfamilie wurde im Jahr 2000 von der russisch-orthodoxen Kirche heiliggesprochen, die ihre Ermordung durch die Kommunisten als Martyrium anerkannte.
Katharinenburg (Jekaterinburg) liegt rund 2.000 Kilometer östlich von Moskau. Nach seinem Verzicht auf die Regierungsgeschäfte, die bereits im Zuge der Februarrevolution 1917 erfolgte, wurde der Zar mit seiner Familie in Katharinenburg interniert. Dort wurden er, seine Frau und seine fünf Kinder im Juli 1918 von den Bolschewiken ermordet. Das Hinrichtungskommando führte der Kommunist jüdischer Abstammung Jakow Swerdlow an, der auf direkten Befehl Lenins handelte.
Am 17. Juli setzte sich die gigantische Prozession bereits um 4 Uhr morgens in Bewegung. In der Nacht vom 16. auf den 17. Juli war die Bluttat geschehen. Hunderttausend Teilnehmer brauchte es allein, um die 100.000 Ikonen zu tragen (je Person eine Ikone), die mitgeführt wurden. Unzählige weitere Gläubige folgten dem Zug der Ikonen, der einen Weg von 20 Kilometern zurücklegte. Immer mehr Menschen schlossen sich ihnen an, sodaß die Prozession gigantische Ausmaße annahm.
Die Prozession, an der der gesamte Heilige Synod der russisch-orthodoxen Kirche teilnahm, wurde vom Moskauer Patriarchen Kyrill I. angeführt. Vor der Basilika zelebrierte der Patriarch eine Heilige Messe im Gedenken an die Zarenfamilie.
Die Märtyrer von Alapajewsk

Bereits am 15. Juli weihte Kyrill I. in Alapajewsk die Kirche der Theodora-Ikone, einer Ikone der Gottesmutter, mit der Zar Michael I., der erste Romanow auf dem Zarenthron, gesegnet worden war. Die Kommunisten hatten 1918 einige Angehörige der Zarenfamilie nach Alapajewsk gebracht. Dort wurden sie in einem Bergwerk in der Nähe der Stadt, ebenfalls am 18. Juli, ermordet. Unter ihnen war Großfürstin Jelisaweta Fjodorowna, die als deutsche Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt in Darmstadt geboren worden war. Nach der Ermordung ihres Mannes 1905 durch das Attentat eines Sozialisten, veräußerte sie ihren gesamten Besitz und gründete in Moskau den Frauenorden der Schwestern der Liebe und der Barmherzigkeit und das Martha-Maria-Kloster, in das sie selbst eintrat und als Äbtissin leitete.
Nachdem die Weiße Armee Alapajewsk kurzzeitig von der Roten Armee zurückerobern konnte, wurden die Leichen der Ermordeten geboren und auf dem Rückzug nach Osten mitgeführt und zunächst in Peking begraben. 1921 erfolgte auf Drängen ihrer Schwester Vikotoria von Hessen-Darmstadt, die in Großbritannien verheiratet war, die Überführung nach Palästina und die Beisetzung im russisch-orthodoxen Maria-Magdalena-Kloster in Jerusalem. Ihr Kloster in Moskau wurde von den Kommunisten aufgehoben und die Schwestern nach Sibirien deportiert. Der Orden existiert seither nicht mehr.
1998 wurden die sterblichen Überreste der eigentlichen Zarenfamilie feierlich in der Peter- und-Paul-Kathedrale in St. Petersburg beigesetzt. Der damalige russische Präsident Boris Jelzin nannte die Ermordung „eine der beschämendsten Seiten unserer Geschichte“. 2008 wurde Zar Nikolaus II. vom Oberster Gerichtshof Rußland rehabilitiert und die Familie als Opfer der „politischen Repression der Bolschewiken“ anerkannt.
Die Verehrung der Zarenfamilie wird in Rußland sehr tief empfunden. Sie stellt ein zentrales Element der historischen Kontinuität dar, da sie die 70jährige Tyrannei der Kommunisten überwindet und ein Aspekt der nationalen Identität ist.
Am 25. Mai 2017 hatte auch der amtierende Staatspräsident Wladimir Putin die Reliquien von Zar Nikolaus II. verehrt. Die Zeremonie fand damals in der Christus-Erlöser-Kathedrale in Moskau statt.
Ein Jahrhundert nach dem Massaker erlebte Rußland und die Welt eine der größten Prozessionen der jüngeren Geschichte.
Kurzvideo der heiligen Liturgie vor der Basilika:
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Medias-Presse/Wikicommons/Videos/Youtube
Was würde Papst Franziskus empfinden, würde er von diesem Ereignis lesen und diese sehr aussagekräftigen Bilder sehen? Und was würden die meisten Bischöfe in Deutschland und anderswo darüber empfinden und sagen?
Man wird wohl darüber nichts erfahren, aber man muß auch nicht darüber spekulieren.
Die katholische Kirche ist weithin zu einem Ablaßverein für alle ungebeichtenden Sünden und zu einem Sammelbecken für Häretiker aller Couleur geworden.
Bei allem respekt für die Zuwendung der Russen zur russisch-orthodoxen Kirche und dem mit ihr so verbundenen Zarenhaus, ist zu bedenken, dass Nikolaus II. die Nöte und Befindlichkeiten seiner Volksgenossen falsch beurteile und auch nicht vor äußerst Abwehrmaßnahmen zurückschreckte. Es drängen sich Parallelen zum Vorabend der franzöischen Revolution auf. In beiden Fällen war zentralistischen und prachtverliebten Herrschern die Sicht für die Lebenswirklichkeit weiter Bevölkerungskreise entglitten und sie trugen – wenngleich ohne Vorsatz – dazu bei, dass das Heft des Handelns an Gruppierungen gelangte, die das Land in Abgründe führten. Bei Russland hat das deutsche Kaiserreich durch die gewollte Einschleusung Lenins sicherlich ein Mitverschulden.
Ansonsten waren man im alten Reich aufgrund der Kleinstatterei meist viel näher bei seinen Untertanen. Hier nahm die Geschichte – über Luther, Friedrich II., Bismarck und Hitler – einen gänzlich anderen Verlauf.
Während die Fehler der zaristischen Herrschaft von der Geschichsschreibung breit aufgenommen und genügend beackert wurden, harrt das schreckliche Terrorverbrechen der Ermordung der gesamten Zarenfamile durch Kommunisten immer noch der Aufarbeitung, geschweige denn der Bewältigung.