(Rom) Der Fundamentaltheologe Alfredo Morselli, Pfarrer im Erzbistum Bologna, der seit seiner Priesterweihe 1986 ausschließlich in der überlieferten Form des Römischen Ritus zelebriert, fragte sich, ob die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener, die sich wegen ihres Konkubinats im Stand der schweren Sünde befinden, ein „Trojanisches Pferd“ ist, um in Wirklichkeit die Interkommunion mit den Protestanten einzuführen. Der Theologe ist von einem inneren Zusammenhang zwischen dem umstrittenen nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia und der nun diskutierten Interkommunion mit den Protestanten überzeugt.
Im Mittelpunkt der aktuellen Diskussion steht ein Beschluß der Deutschen Bischofskonferenz vom vergangenen Februar, lutherischen Ehepartnern von Katholiken die Kommunion zu gewähren, wenn sie das kirchliche Verständnis der Eucharistie teilen. Dieser Beschluß fand seinen Niederschlag in der DBK-Handreichung „Mit Christus gehen – Der Einheit auf der Spur. Konfessionverbindende Ehen und gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie”.
Eine Minderheit von dreizehn Bischöfen stimmte dagegen. Sieben von ihnen wandten sich um eine Klärung an Rom, ob ein solcher Vorstoß mit der kirchlichen Glaubenslehre und Sakramentenordnung vereinbar sei.
Seit 2015 „offensichtlich, in welche Richtung der Papst drängt“
Papst Franziskus lud am vergangenen Donnerstag, 3. Mai, Vertreter von Mehrheit und Minderheit nach Rom ein, um mit den zuständigen römischen Dikasterienleitern über die offenen Fragen zu sprechen. Entscheidend dabei sei, so Don Morselli, die Antwort des Papstes, daß sich die deutschen Bischöfe erneut zusammensetzen und über die Frage sprechen sollten, bis sie eine „möglichst“ einstimmige Position finden. Diese päpstliche Antwort wurde bereits von Kardinal Willem Jacobus Eijk, dem Erzbischof von Utrecht, als „völlig unverständlich“ getadelt. Obwohl die katholische Lehre in der Sache „ganz klar“ sei, sei Papst Franziskus nicht seiner Pflicht nachgekommen, die Lehre deutlich zu bekräftigen.
Die Empfehlung des Papstes, so Don Morselli, sei im Licht seiner Antwort an eine Lutheranerin am 15. November 2015 in Rom zu lesen, die Franziskus gefragt hatte, ob und wann sie zusammen mit ihrem katholischen Mann die Kommunion empfangen könne.
Der wichtigste Teil der langen päpstlichen Antwort lautete:
„Ein befreundeter Pastor sagte mir jedoch: ‚Wir glauben, daß hier der Herr gegenwärtig ist. Er ist gegenwärtig. Ihr glaubt, daß der Herr gegenwärtig ist. Was ist der Unterschied?‘ – ‚Nun, es sind die Erklärungen, die Deutungen …‘ Das Leben ist größer als Erklärungen und Deutungen. Nehmt immer auf die Taufe Bezug: ‚Ein Glaube, eine Taufe, ein Herr‘, sagt uns Paulus, und von daher zieht die Schlußfolgerungen. Ich werde nie wagen, Erlaubnis zu geben, dies zu tun, denn es ist nicht meine Kompetenz. Eine Taufe, ein Herr, ein Glaube. Sprecht mit dem Herrn und geht voran. Ich wage nicht mehr zu sagen.“
Es sei „offensichtlich, in welche Richtung der Papst drängt“, so Don Morselli. Die Entscheidung soll dem Gewissen des Einzelnen überlassen bleiben. Franziskus vermittelte den Eindruck, als sei der Unterschied zwischen Katholiken und Lutheraner nur eine Frage der Formulierung („Wir glauben, daß hier der Herr gegenwärtig ist. Ihr glaubt, daß der Herr gegenwärtig ist“). Der Rest sei nur eine Frage der „Erklärungen und Deutungen“: „Das Leben ist größer als Erklärungen und Deutungen“.
Blondels Philosophie der Aktion
Der Theologe Morselli sieht hinter dieser und anderen Formulierungen von Franziskus das Denken des Franzosen Maurice Blondel und seiner Philosophie der Aktion. Die Wahrheit entspreche nicht mehr dem objektiven Wesen der Natur, sondern der Lebenswelt, die sich der Mensch selbst „macht“.
Morselli erinnert daran, daß der heilige Thomas von Aquin das genaue Gegenteil lehre und die Glaubenskongregation solche Thesen eines pragmatischen Relativismus, der behauptet, „die Wahrheit sei eine progressive Anpassung des Intellekts und des Lebens gemäß den Erfahrungen und den Bedürfnissen der Aktion“, verurteilte, so 1924.
Vor diesem Hintergrund sei „klar ein roter Faden zu erkennen, der die Interkommunion mit Amoris laetitia verbindet“. Auf der einen Seite werde in dogmatischen Fragen ein Vorrang des Lebens über die Lehre behauptet und zugleich in moralischen Fragen ein Vorrang des Lebens über das Objekt des Handelns. In Wirklichkeit brauche das wahre Glaubensleben die unveränderliche Lehre und das moralische Leben klare Anleitungen, ob eine Handlung in sich gut oder schlecht sei. Sonst ergebe sich „ein falscher Primat eines falschen Lebens“, so Don Morselli.
Daraus folge automatisch, daß das Leben „nie eine Lüge“ sein könne. Die fehlende Übereinstimmung des eigenen Lebens mit der Wahrheit, die sich aus dem objektiven Wesen der Dinge erkennen lasse, führ zu „Lebenslügen“. Es stimme zwar, daß das Leben größer und mehr sei, als die Lehrsätze der Konzile. Es sei aber ebenso wahr, daß ohne diese „Erklärungen und Deutungen“ kein wirkliches christliches Leben möglich sei.
Es sei daher keine „Kommunion“ (Gemeinschaft) mit Jesus und der Kirche möglich, wenn die Kommunion im Glauben fehlt, weil die nötige Zustimmung zur Lehre fehlt. Don Morselli in Anspielung auf die Formulierung von Papst Franziskus:
„Eine Geste, die etwas Falsches zum Ausdruck bringt, ist nicht ein ‚Leben, das größer ist als Erklärungen und Deutungen‘, sondern eine Lüge“.
Päpstliche Steilvorlage für deutsche Bischöfe
„Die Antwort des Papstes an die deutsche Protestantin war, um ein Bild aus dem Fußball aufzugreifen, eine Steilvorlage für die deutschen Bischöfe, damit sie den ihnen zugespielten Ball der Interkommunion in ein ungeschütztes Tor schießen. Der Papst lieferte sogar eine doppelte Hilfe, da es auch einen Absatz in der Gemeinsamen Erklärung anläßlich des gemeinsamen katholisch-lutherischen Reformationsgedenkens gibt, die am 31. Oktober 2016 im schwedischen Lund unterzeichnet wurde“, so Don Morselli. Darin heißt es:
„Viele Mitglieder unserer Gemeinschaften sehnen sich danach, die Eucharistie in einem Mahl zu empfangen als konkreten Ausdruck der vollen Einheit. Wir erfahren den Schmerz all derer, die ihr ganzes Leben teilen, aber Gottes erlösende Gegenwart im eucharistischen Mahl nicht teilen können. Wir erkennen unsere gemeinsame pastorale Verantwortung, dem geistlichen Hunger und Durst unserer Menschen, eins zu sein in Christus, zu begegnen. Wir sehnen uns danach, daß diese Wunde im Leib Christi geheilt wird. Dies ist das Ziel unserer ökumenischen Bemühungen. Wir wünschen, daß sie voranschreiten, auch indem wir unseren Einsatz im theologischen Dialog erneuern.“
Es falle das ungewöhnliche Pathos auf, so der Fundamentaltheologe. Zu einem solchem Pathos greift Papst Franziskus, wenn er Neuerungen anstoßen will („Den Schrei des Volkes hören“). Doch dann geschah Unerwartetes. Die Mannschaft, in deren Tor der Ball geschossen werden sollte, warf, obwohl der Tormann vom Feld gestellt worden war, die Verteidiger dazwischen.
„Den Neomodernisten ist das Tor nicht gelungen.“
Und weiter:
„Die päpstliche Aufforderung an die deutschen Bischöfe, eine einstimme Übereinkunft zu finden, könnte als Einladung verstanden werden, nicht nur irgendeine gemeinsame Lösung zu finden, sondern eine vom Papst gewollte Lösung. Sie könnte aber auch in dem Sinn interpretiert werden, wie dies vom Domradio in Köln geschehen ist: ‚Roma non locuta – causa non finita!‘
Dem Bergoglianischen Rom „ist es nicht gelungen, den entscheidenden Treffer ins Tor zu setzen. Das Spiel ist also noch offen. Unterstützen wir mit Gebet und Opfer den kleinen Rest, die wenigen deutschen Bischöfe, deren Zahl gering, aber deren Herz dafür um so größer ist… und bleiben wir immer in vertrauensvoller Erwartung des verheißenen Triumphs des unbefleckten Herzens Mariens.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.News/Church Militant (Screenshots)
„Den Schrei des Volkes hören“ heißt bei Papst Franziskus die Sünde(n) legitimieren; es ist marxistisches, teuflisches Gerede.
„Ich werde nie wagen, Erlaubnis zu geben, dies zu tun, denn es ist nicht meine Kompetenz“ – Richtig, es ist nicht seine Kompetenz, die Sünde zu legitimieren.
Aber es ist seine Kompetenz die Lehre der Kirche zu verkünden und die Kirche darin zu einen; es gibt nur eine Kirche Jesu Christ, das ist die römisch-katholische Kirche, alles andere ist abgefallen und ist eingeladen zurückzukommen.