(Rom) Im August 2016 setzte Papst Franziskus einen neuen Vertrauensmann an die Spitze der Päpstlichen Akademie für das Leben. Das ließ Experten bereits wenig Gutes ahnen für die von Johannes Paul II. gegründete, vatikanische Einrichtung. Es kam aber noch viel schlimmer.
Zum 31. Dezember 2016 setzte Kurienerzbischof Vincenzo Paglia alle Akademiemitglieder vor die Tür. Dabei waren sie auf Lebenszeit ernannt worden. Ein halbes Jahr später ernannte Papst Franziskus, auf Paglias Vorschlag hin, neue Mitglieder. Einige davon standen durch zweifelhafte Aussagen nicht im besten Ruf, entschlossene Verteidiger der Kultur des Lebens zu sein.
Damit wurde indirekt bestätigt, was seit 2013 von der Lebensrechtsbewegung schmerzlich beobachtet wird: Die neue Führungsspitze des Vatikans entfernt sich in Sachen Lebensrecht vom bisherigen Kurs der Katholischen Kirche. Die Positionen gelten zwar weiterhin, doch leistet die Kirche keinen Widerstand mehr gegen die Tötung ungeborener Kinder. Die nicht verhandelbaren Grundsätze, die Benedikt XVI. allen Anfeindungen zum Trotz vertreten hatte, stehen heute mehr oder weniger nur mehr auf dem Papier, und das ist bekanntlich geduldig.
Schlag auf Schlag setzte die „neue“ Päpstliche Akademie für das Leben unter Paglias Führung einen neuen Kurs um. Seit April 2015 wurden bereits mehrfach erklärte Abtreibungslobbyisten in Vatikan eingeladen, ob als Gesprächspartner, Referenten oder sogar als Mitglieder anderer Päpstlicher Akademien.
Am 17. Dezember plädierte der Moraltheologe Maurizio Chiodi, ebenfalls neuernanntes Akademiemitglied, die Enzyklika Humanae vitae von Paul VI. gegen künstliche Verhütungsmethoden „im Licht von Amoris laetitia neu zu lesen“.
Rabbi Fishel Szlajen und die Abtreibung
Nun erklärte der jüdische Rabbi und promovierte Philosoph Fishel Szlajen, auch er neuernanntes Akademiemitglied, daß bei Gefahr für das Leben der Mutter, bei Vergewaltigung oder bei irreversiblen Schäden am ungeborenen Kind, dessen Tötung geradezu geboten sei.
Die drei Indikationen benützte die Abtreibungslobby in der Vergangenheit konsequent als Einfallstor zur Abtreibungsfreigabe. Aus „seltenen“ Fällen und der „ultima ratio“ wurde, meist im Handumdrehen, eine weitgehend schrankenlose Abtreibungsfreigabe. Genau so war es von den Abtreibungsbefürwortern, die Kreide gefressen hatten, von Anfang an gewollt.
Szlajen, der über die argentinische Freunde der Freunde des Papstes auf die Ernennungsliste gelangte, publizierte seine Thesen unter dem Titel „Abtreibung auf Wunsch: Das Verbrechen als Recht“ auf dem argentinischen Nachrichtenportal InfoBae, die mit der Washington Post kooperiert. Der Autor gilt als jüdischer Fachmann für Bioethik-Fragen. In den vergangenen Jahren veröffentlichte mehrere Schriften zum Thema Jüdische Philosophie und Abtreibung, aber auch zu Selbstmord und Euthanasie.
Szlajen betont im genannten Aufsatz, daß die Heilige Schrift das Leben eines Menschen ab seiner Zeugung anerkennt. Trotz dieser Einführung behauptet er aber dann einen Vorrang des Lebens der Mutter vor dem Leben des Kindes. Diese Gradualität des Lebens, ein vorrangiges und ein nachrangiges Leben, bedeutet eine Unterteilung in ein Leben erster und ein Leben zweiter Klasse. Rabbi Szlajen erweckt dabei den Eindruck, als lasse sich in bestimmten Situationen ein Abtreibungsgebot aus der Bibel ableiten.
Das aber „stellt ein absolut abnormes, in der Kirche nie gekanntes, abwegiges Prinzip dar“, so Corrispondenza Romana. Durch die vielbesprochene „Kurienreform“ von Papst Franziskus wurde es in jene Institution der Kirche eingeschleust, die ganz dem Einsatz für die Kultur des Lebens gewidmet sein sollte.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: InfoBae/Corrispondenza Romana (Screenshots)