
(Kinshasa) Am 31. Dezember hatte die katholische Kirche der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo (ehemals Zaire, vormals Belgisch-Kongo) zu einem friedlichen Protestmarsch gegen die Nichteinhaltung des Silvesterabkommens von 2016 aufgerufen. Das Silvesterabkommen war am 31. Dezember 2016 zwischen Regierung und Opposition vereinbart worden. Damals war das Mandat von Staatspräsident Joseph Kabila ausgelaufen, und das Abkommen enthielt eine Einigung, daß Wahlen zur Bestimmung eines Nachfolgers innerhalb 2017 stattfinden sollten. Doch Kabila sitzt noch immer im Präsidentenpalast und macht keine Anstalten, diesen verlassen zu wollen.
Die Vorgabe der kirchlichen Stellen lautete, daß sich die Gläubigen nach den Sonntagsmessen versammeln und geordnet und friedlich durch das Stadtzentrum ziehen sollten. Die Kundgebung wurde jedoch von der Regierung, um deren Macht es geht, verboten. Ein Willkürakt, der von den kirchlichen Stellen verurteilt wurde.
Militär umstellte die Kirchen
Damit der Protestmarsch nicht dennoch abgehalten würde, hatte die Regierung der Polizei und dem Heer Befehl erteilt, die katholischen Kirchen zu umstellen, während drinnen die Heilige Messe zelebriert wurde. Sicherheitskräfte sind sogar in die Kathedrale Unserer Lieben Frau vom Kongo eingedrungen und schossen Tränengas auf die darin versammelten Gläubigen. Offenbar hatte sich die Nachricht verbreitet, daß Oppositionsführer Felix Tschisekedi, der Hauptgegenspieler von Staatspräsident Joseph Kabila in der Kathedrale anwesend war oder diese zu erreichen versuchte. Tschisekedi war nach dem Silvesterabkommen wiederholt als möglicher Übergangs-Premierminister genannt, aber nie ernannt worden, weil Präsident Kabila die Ernennung des Premierminister dazu nützte, um die Opposition nach Möglichkeit zu spalten und zu schwächen.
Die Priester der Kathedrale hatten die Gläubigen kurz vor Beginn der Heiligen Messe informiert, daß die Bischofskirche umstellt war und legten ihnen nahe, sich so schnell als möglich nach Hause in Sicherheit zu bringen. Viele weigerten sich jedoch, die Kirche zu verlassen und so begann die Zelebration des Heilige Meßopfers.
Die ersten Toten waren zu beklagen, als Sicherheitskräfte während der Heiligen Messe in die Kathedrale eindrangen und diese mit Tränengas beenden wollten. Als Panik ausbrach, eröffneten einige Angreifer das Feuer auf die flüchtenden Gläubigen.
Protestmarsch fand dennoch statt

Von anderen Kirchen kam es schließlich doch zum angekündigten Protestmarsch, dessen Teilnehmerzahl immer größer wurde. Um den friedlichen Charakter zu unterstreichen zogen Ministranten mit dem Kreuz voran. Polizei und Armee schossen in den Zug und rasten mit einem Militärfahrzeug in die Ministranten an der Spitze des Zuges. Fünf weitere Menschen verloren dabei das Leben.
Florence Marchal, die UNO-Sprecherin in der Demokratischen Republik Kongo verurteilte die Gewaltanwendung gegen friedliche Demonstranten. Marchal bestätigte, daß eine weitere Person von den Sicherheitskräften in Kananga, der Hauptstadt der Provinz Kasaï-Central, getötet worden war. In Kinshasa waren mehr als 120 Personen verhaftet worden, darunter zwölf Ministranten.
Die Regierung verhängte ein generelles Kundgebungsverbot. Auslöser der Proteste war die Ankündigung von Staatspräsident Kabila, der nach zwei Mandaten nicht mehr kandidieren darf, daß die Präsidentschaftswahlen erst 2018 stattfinden werden. Dabei nannte er zunächst keinen konkreten Termin, dann erst den 23. Dezember 2018. Trotz Silvesterabkommens, und obwohl sein Mandat bereits seit fast 13 Monaten abgelaufen ist, hätte er damit mit Spitzfindigkeiten und Willkür Neuwahlen bereits zwei Jahre lang verzögert. Die Opposition ist inzwischen überzeugt, daß Kabila auch der Wahltermin Dezember 2018 nicht einhalten wolle.
Das Jahr 2018 beginnt in der Demokratischen Republik Kongo unter keinem guten Stern. Die internationale Staatengemeinschaft scheint zu Kabilas-Machtausübung zu schweigen. Dabei unterhält die UNO seit bald 20 Jahren im Kongo ihre teuerste Peacekeeping-Mission namens Monusco (vormals Monuc). Derzeit sind noch mehr als 16.000 Blauhelme im Land stationiert. Geleitet wird sie vom ehemaligen Außenminister von Niger, Maman Sambo Sidikou, der seit 1999 ein hoher UNO-Funktionär ist.
Korruption und Verantwortungslosigkeit Hauptfeind des Landes
Vielleicht liegt das „Schweigen der Welt“ auch daran, daß im Westen zu viele in der Vergangenheit zu voreilig über den Kongo gesprochen haben. Vor allem die europäische Linke und Teile der mit ihr verbundenen, steuergeldfinanzierten Entwicklungshilfeorganisationen sind eilfertig bereit eine Klagelied über den „bösen Westen“ anzustimmen und die Schuld für das Desaster im Kongo-Becken dem Westen und seiner Ressourcengier anzulasten.
Tatsache ist vielmehr, daß der erste Feind des Kongo dessen Machthaber sind, die sich schamlos an den landeseigenen Ressourcen bereichern. Sie verkaufen die Bodenschätze und Reichtümer, mit denen das Land im Vergleich zu europäischen Staaten überreich gesegnet ist, als wären sie ihr Privateigentum. Um die Ernährung und Versorgung der 80 Millionen Landsleute soll sich hingegen die internationale Staatengemeinschaft kümmern. So die Sichtweise von Präsident Kabila und seiner Konsorten.
Im Gesamtkontext ist es zunächst nur von sekundärer Bedeutung, ob Kongos Langzeitpräsident, Sese Seko Mobutu (1965 – 1997), frankophil war und sein ermordeter Nachfolger Laurent Desire Kabila (1997 – 2001) den USA nahestand, vor allem den Großkonzernen. Auf diese Verwicklungen verweisen gerne linke Autoren und verlagern damit Verantwortung und Schuld. Egal welcher ausländischen Macht die kongolesischen Machthaber nahestehen, ihnen gemeinsam ist zunächst ein grundlegender Mangel, nämlich Verantwortungsbewußtsein und Ethik. Erst deshalb kommen ausländische Nutznießer, einmal diese, dann jene, zum Zug.
Auf seinen im Zuge des Zweiter Kongokrieges ermordeten Vater folgte Joseph Kabila, der seit 2001 das Amt des Staatspräsidenten innehat. Kabila Junior war damals Generalstabschef und machte sich ohne demokratische Legitimation mit Unterstützung der von ihm kontrollierten Armee selbst zum Nachfolger seines Vaters.
Von Erzbischof Marcel Utembi Tapa von Kisangani, er ist seit 2016 auch Vorsitzender der Bischofskonferenz des Landes, wird derzeit viel Geschick verlangt, seine geistlichen Aufgaben nicht durch politische zu überlagern, aber gleichzeitig das Land in Gerechtigkeit zu befrieden und die Menschen vor weiterer Willkür und Gewalt zu schützen.
Text: Andreas Becker
Bild: Wikicommons/Vatican.va (Screenshot)
Ministranten mit dem Kreuz ziehen katholischen Prozessionen voran, aber keinen politischen Protestmärschen. Das ist Mißbrauch, Instrumentalisierung, völlig verantwortungslos und in keiner Weise christlich.
Und das in einem demokratischen Land …