
Von Giuseppe Nardi*
Das jüngste Vorgehen der Hochschulleitung Heiligenkreuz wirft eine grundsätzliche Frage auf: Handelt es sich bei der Correctio filialis zum umstrittenen nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia um eine Papst-Kritik? Dazu einige pointierte, aber ernstgemeinte Gedanken, die durch die Heiligenkreuzer „Erklärungen“ provoziert wurden.
Ein Unterzeichner der Correctio filialis lehrte als Gastprofessor auch an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz. Rektor und Großkanzler gingen am 15. Oktober auf maximale Distanz. Insgesamt wurden dazu von der Hochschulleitung zwei öffentliche Erklärungen abgegeben.
In der „Mitteilung des Herrn Abtes und des Rektors“ ist von einer „öffentlichen Kritik an Papst Franziskus“ die Rede. Diese könne man, „auch wenn der Betreffende nur als Gastprofessor tätig ist und seine Unterschrift einzig und allein in seinem Namen geleistet“ habe, „nicht hinnehmen“. Warum? Weil diese „öffentliche Kritik“ an Papst Franziskus „einen Schatten auf unsere Hochschule wirft“.
Den Unterzeichnern der Correctio filialis, zum großen Teil Professoren der Theologie und der Philosophie, wurde in der Mitteilung implizit unterstellt, nicht „unverbrüchlich cum Petro et sub Petro“ zu lehren und zu handeln“, nicht „dem römischen Lehramt aufs engste verbunden“ zu sein und dem „jeweiligen Petrusnachfolger“ nicht „die Treue zu halten“.
Als die offenkundige Trennung vom „an unserer Hochschule zeitweise wirkenden Gelehrten“ wegen der Unterzeichnung der Correctio filialis in den Medien thematisiert wurde, so auch von Katholisches.info, bezichtigten Abt und Rektor in einer zweiten Erklärung, „Klarstellung“ genannt, mit dieser Medienarbeit „vielleicht sogar kirchenspalterisch“ wirken zu wollen.
Der Inhalt der beiden Erklärungen der Hochschulleitung Heiligenkreuz legt nahe, daß man dort die Correctio filialis nicht gelesen hat.
Die Correctio ist in der Sprache sachlich und respektvoll formuliert. Sie nennt sich sogar im Titel „kindlich“ (filialis), eine zutiefst katholische Formel, die man kaum mehr ins Deutsche zu übersetzen wagt, ohne im stark säkularisierten Umfeld nur Hohn und Spott zu provozieren.
Die Treue und Verbundenheit zu Petrus wird von den Unterzeichnern ausdrücklich und überzeugend betont: „bewegt von der Treue zu Unserem Herrn Jesus Christus, von der Liebe zur Kirche und zum Papsttum und von der kindlichen Hingabe zu Ihrer Person“. Weiters heißt es: „Wir stimmen bedingungslos der Lehre von der päpstlichen Unfehlbarkeit zu, wie sie vom Ersten Vatikanischen Konzil definiert wurde“. Auf die „Römische Kirche“ bezogen schreiben sie: „deren loyale Söhne wir sind und immer sein wollen“.
- Eine provokante, aber nicht unberechtigte Zwischenfrage: Wie viele der Unterzeichner der Aktion von Paul Zulehner Pro Pope Francis wären bereit, ein solches Bekenntnis zu unterschreiben?
Der Beweggrund für die Correctio filialis wird bereits in den ersten Worten deutlich benannt: weil die Unterzeichner von „tiefem Schmerz“ bewegt sind.
Mit der Erklärung vom 15. Oktober haben Rektor Wallner und Abt Heim den Unterzeichnern implizit unterstellt, dem römischen Lehramt nicht „aufs engste verbunden“ zu sein. Was aber steht in der Correctio filialis?
„Unsere Zurechtweisung ergibt sich zwingend aus der Treue zu den unfehlbaren päpstlichen Lehren, die mit einigen Aussagen Eurer Heiligkeit unvereinbar sind.“
Warum also die Unterstellung des Gegenteils durch Rektor und Großkanzler der Hochschule Heiligenkreuz? Die naheliegende und noch „harmloseste“ Annahme ist, wie erwähnt, weil die Correctio gar nicht gelesen wurde.
Die Kernfrage aber lautet: Ist die Correctio filialis eine Papst-Kritik? Das behaupten ja Rektor und Großkanzler in ihrer „Mitteilung“ vom 15. Oktober und begründen damit ihre Distanzierung.
Die Unterzeichner der Correctio filialis schreiben:
„Durch diese Worte, Taten und Unterlassungen und durch die oben genannten Stellen im Dokument Amoris laetitia hat Eure Heiligkeit auf direkte oder indirekte Weise (mit welchem und wieviel Bewusstsein wissen wir nicht noch wollen wir das beurteilen) folgende falschen und häretischen Thesen unterstützt, die in der Kirche sowohl mit dem offiziellen Amt als auch durch private Handlungen propagiert werden.“
Die Kritik bezieht sich konkret auf Amoris laetitia. Es wird ausdrücklich betont, daß die Unterzeichner sich kein Urteil darüber anmaßen oder aussprechen, ob und wie bewußt Papst Franziskus „falsche und häretische Thesen“ durch Amoris laetitia „propagiert“.
Es handelt sich um eine Kritik in der Sache (Amoris laetitia). Die Unterzeichner sind besorgt, daß Thesen in der Kirche verbreitet werden, bewußt oder unbewußt, „die von Gott offenbarten Wahrheiten widersprechen, die Katholiken durch Zustimmung zum Göttlichen Glauben zu glauben haben“. Daraus schließen die Unterzeichner:
„Für das Wohl der Seelen ist es nötig, dass sie erneut von der kirchlichen Autorität verurteilt werden“.
Mit dieser Bitte und Aufforderung treten sie an Papst Franziskus heran und schreiben:
„Respektvoll beharren wir darauf, dass Eure Heiligkeit öffentlich diese Thesen zurückweist und so den Auftrag erfüllt, den Unser Herr Jesus Christus dem Petrus und durch ihn allen seinen Nachfolgern übertragen hat bis zum Ende der Welt: „Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder“ (Lk 22,32).“
Abschließend heißt es noch:
„Respektvoll bitten wir um Euren Apostolischen Segen und versichern Sie unserer kindlichen Ergebenheit in Unserem Herrn und unseres Gebets für das Wohl der Kirche.“
Das ist keine Papst-Kritik.
Eine besorgte Anfrage und besorgte Hinweise mit der Bitte an den Papst, das kirchliche Lehramt zu bekräftigen und durch Verurteilung von objektiv eindeutigen Häresien für Klarheit zu sorgen, ist keine Papst-Kritik.
Eine Papst-Kritik, wie die Hochschulleitung Heiligenkreuz sie mit der Erklärung vom 15. Oktober behauptet, wäre die Correctio filialis in der Tat, allerdings nur dann, wenn Papst Franziskus tatsächlich eine oder mehrere der darin genannten sieben Häresien bewußt und willentlich propagieren würde.
Dann aber wäre es eine berechtigte, ja zwingend notwendige Kritik an Papst Franziskus, der sich auch Pater Wallner und Abt Heim nicht entziehen könnten, wenn sie wirklich „unverbrüchlich cum Petro et sub Petro lehren und handeln“ und „dem römischen Lehramt aufs engste verbunden“ sind.
Es ist kaum anzunehmen, daß ausgerechnet Rektor Wallner und Abt Heim aber behaupten wollen, daß Papst Franziskus bewußt Häresien lehrt und verbreitet. Ihre „Mitteilung“ vom 15. Oktober läßt sich durch die Behauptung einer „öffentlichen Kritik an Papst Franziskus“, wörtlich genommen, aber genau so lesen.
Wenn Wallner und Heim aber nicht behaupten, daß Papst Franziskus bewußt und willentlich Häresien lehrt, warum sprechen sie dann von Papst-Kritik und begründen damit ihre Distanzierung von der Correctio filialis und vom Unterzeichner, der an der eigenen Hochschule lehrt?
Auch in diesem Punkt scheinen sie Opfer ihres eigenen Eifers geworden zu sein, die Correctio nicht gelesen und sich mit dem Inhalt nicht auseinandergesetzt zu haben. Das meinte wohl auch die Tageszeitung Il Foglio vom 19. Oktober, die zur Vorgehensweise der Hochschulleitung schrieb, „die sich als übereifrig erweist, dem Papst immer und überall zu gehorchen“.
Anders ausgedrückt: Das passiert, wenn der Subtext wichtiger genommen wird als der Text, wenn das „gefühlte Klima“, Ängste und Befürchtungen, über den sachlichen Inhalt bestimmt.
Bild: Wikicommons
Zum Schmunzeln: so sieht ein deutscher Universitätsprofessor den Vorgang:
http://religion.orf.at/stories/2873334/
Ehrlich gesagt, die Vorstellung, dass die Hochschulleiter Wallner und Heim die Correctio filialis nicht gründlich gelesen haben, bevor sie in offensichtlich vorauseilendem Gehorsam bzgl. Correctio filialis von „Papst-Kritik“ sprechen und sich ausdrücklich von „Correcto filialis und vom Unterzeichner, der an der eigenen Hochschule lehrt“, distanzieren, fällt mir nicht leicht.
Vielleicht befürchten sie ganz einfach, dass ihnen ‑ohne übereifrig vollzogenen Kotau zum sichtbaren Zeichen ihres absoluten Gehorsams gegenüber dem Papst- dasselbe traurige Schicksal blühen könnte wie den Franziskanern von der Immakulata. …
Möge der Herrgott allen beistehen, damit sie die in Gottes Sinne richtigen Entscheidungen treffen. –> Beten und hoffen!
Da könnten Sie recht haben.
Coram publico demonstrierte Feigheit ist jedoch vernichtend für das Ansehen únd für den Selbstrespekt.
Völlig d’accord! Doch manchmal scheint es ratsam, eher eine Kröte zu schlucken ‑so unbekömmlich, ja schmerzhaft dies auch sein mag‑, wenn dadurch ein noch größeres Übel verhindert werden kann. So nach dem Motto, besser mit einem Auge ins Reich Gottes einzugehen, anstatt mit zwei Augen ins absolute Verderben zu fallen (vgl. Mk 9,47). –>Beten und hoffen!
Die Correctio filialis ist Kritik der Agenda des Inhabers des Stuhls Petri – m.E. eine legitime, angemessene und maßvolle Kritik.
Aber leider setzt sich Franziskus nicht mit der Kritik auseinander, sondern entledigt sich der Kritiker. So wie das auch totalitäre Herrscher machen. Die veröffentlichte Meinung läßt ihn nicht nur gewähren, sondern feiert ihn.
Aber am Ende wird wieder Gerechtigkeit herrschen.
Alleine schon die Abschirmung gegen Kritiker, das Ausspionieren und Bespitzeln der Kurienkardinäle, sowie das Absetzen aller Gegner sagt doch schon alles über Papst Franziskus aus.
Heiligenkreuz hat Angst.
Es wird mit Argusaugen beobachtet; es weiß sehr gut, was sich alles abspielt; und es will einfach gut und brav katholisch sein.
In einem diktatorialem System wird man damit schnell wehrlos.
Die Theologen von Heiligenkreuz sind jedoch nicht so dumm:
sie haben den Text der correctio filialis gut gelesen und sehr gut verstanden, was da indirekt weiter im Raum steht:
1. Zum ersten Mal nach Papst Honorius wird jetzt einwandfrei nachgewiesen, daß Franziskus öffentlich und wiederholt Häresien verkündet hat.
Daß Menschen mit katholischer Gesinnung da Bauchschmerzen bekommen, ist all zu gut verständlich.
2. Die corrrectio filialis spricht auch davon, daß ein „ander geartetes System“ da hinten stecken könnte.
Wenn dies denn so ist und nachgewiesen werden kann, hat man ein gewaltiges Problem: nach dem Hl. Robertus Bellarminus ist der Papst, der eine ketzerische Lehre verkündet, kein Papst mehr- d.h. dann ist der sedes Petri vakant.
Dafür fürchten sich viele.
Und deshalb drehen sie sich in Boa-constrictorkrümmungen.
Papst Honorius war da nicht der einzige und auch nicht der letzte…
Als ein Bischof den sel. Papst Pius IX nach Verkündigung des „Unfehlbarkeitsdogmas“ fragte, was denn wäre, wenn ein vicarius Christi Häresie lehre, gab dieser zur Antwort: „Dann folgen Sie ihm nicht!“ Diese Frage gehört lehramtlich geklärt; der Aquinate und Bellarmin haben da vorzügliche Vorarbeit geleistet.
Als Papst Franziskus nach seiner Wahl (ohne Stola) auf die Loggia trat, in die Menge blickte und „Bona sera“ sagte, kam ich ins Grübeln.
Mit Sicherheit waren Sie nicht der einzige Gläubige, der dabei ins Grübeln kam! –> Beten und hoffen!
Entweder nehmen wir Katholisches-Leser es mit den sieben häretisch anmutenden Punkten in Amoris Laetitia zu genau, oder die Papstgetreuen nehmen es zu ungenau. Oder man versucht eben, das vermute ich am meisten, den öffentlichen Schein der Papsttreue zu wahren, solange es nicht zwingend ist, die durch AL implizierten Änderungen durchzuführen. Die Änderungen die AL mit sich bringt, wenn man nach Papst Franziskus Äußerungen dazu geht, sind die Zulassung Wiederverheirateter zu den Sakramenten. Das heißt, wenn Heiligenkreuz streng genommen papsttreu wäre, müsste es diese Dinge pastoral umsetzen. Was wiederum der Lehre der Kirche widerspräche, aber Papst Franziskus will das so.
Wenn es eine Nichtpapst-Kritik wäre, könnte ich die Reaktion ja noch verstehen; eine Papstkritik hingegen muß möglich sein und war es auch immer. Anderswo werden leichtsinnig und ohne Konsequenzen Dogmen in Zweifel gezogen und hier wird man schon übernervös bei einer sachlichen kritischen und dogmatisch gerechtfertigten Argumentation. Oder ist es gerade das? Nein, ich denke auch, daß es das intrigante und diktatorische Gehabe von Papst Franziskus selber ist, welches die Atmosphäre vergiftet. Heiligenkreuz allerdings, so erwarteten es wohl eigentlich alle, sei dagegen gefeit. Die Enttäuschung ist groß, daß dem nicht so ist.
Die Besonderheit des Dokuments der Correctio besteht darin, dass die sieben Thesen so formuliert sind, dass es über ihre Zurückweisung innerhalb der Kirche eigentlich keine Meinungsverschiedenheit geben kann. Die Autoren der Correctio behaupten ausdrücklich nicht, dass diese Thesen in Amoris Laetitia enthalten wären. Hier sollte man sprachlich und inhaltlich genau differenzieren. Die Autoren zeigen sich beunruhigt, dass man diese Thesen aus dem Dokument des Papstes ableiten könne und registrieren, dass es Theologen, Bischöfe und ganze Bischofskonferenzen gibt, die das tatsächlich zu tun scheinen. Sie bitten daher den Papst um eine Klärung, dass er diese sieben irrigen Thesen missbilligt und eine dahingehende Interpretation seines Lehrschreibens ablehnt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.