Kardinal Re: „Paul VI. hatte zwei Rücktrittsschreiben vorbereitet“


Kardinal Re und Kardinal Sodano (rechts) - heute Dekan und Subdekan des Kardinalskollegiums - unmittelbar nach der Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI.
Kardinal Re und Kardinal Sodano (rechts) - heute Dekan und Subdekan des Kardinalskollegiums - unmittelbar nach der Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI.

(Rom) Hat­te Papst Paul VI. bereits Rück­tritt­schrei­ben vor­be­rei­tet? Dies behaup­tet Gio­van­ni Bat­ti­sta Kar­di­nal Re in einem lan­gen Inter­view mit der Zeit­schrift Ara­bera­ra, das gestern ver­öf­fent­licht wurde.

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Der ehe­ma­li­ge Prä­fekt der Kon­gre­ga­ti­on für die Bischö­fe und heu­ti­ge Sub­de­kan des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums erzählt dar­in über „sei­ne“ sechs Päp­ste und ent­hüllt dabei ein bis­her unbe­kann­tes Detail.

Papst Paul VI., der ab 1963 regier­te, starb am 6. August 1978 an einem Herz­in­farkt. Laut Anga­ben sei­ner eng­sten Mit­ar­bei­ter hat­te ihn die Ent­füh­rung sei­nes per­sön­li­ches Freun­des, des ita­lie­ni­schen Mini­ster­prä­si­den­ten und christ­de­mo­kra­ti­schen Poli­ti­kers Aldo Moro, durch die kom­mu­ni­sti­schen Roten Bri­ga­den (BR) auf­ge­rie­ben. Der Papst hat­te sich öffent­lich den Ter­ro­ri­sten als Gei­sel im Aus­tausch für Moro ange­bo­ten, der jedoch am 9. Mai 1978 ermor­det in einem Auto auf­ge­fun­den wurde.

Kar­di­nal Re ent­hüll­te nun, daß Paul VI. zwei Rück­tritts­schrei­ben auf­ge­setzt hat­te. Der Kar­di­nal nennt kei­ne Zusam­men­hän­ge. Es ist jedoch anzu­neh­men, daß sie in einem direk­ten Zusam­men­hang mit der Ent­füh­rung Moro und sei­ner Bereit­schaft zur Gei­sel­haft ste­hen. Kar­di­nal Re scheint es weni­ger um den histo­ri­schen Kon­text, son­dern um den aktu­el­len Bezug eines Papst-Rück­trit­tes zu gehen, der seit dem uner­war­te­ten Amts­ver­zicht von Bene­dikt XVI. kon­tro­vers dis­ku­tiert wird.

„Damals“, so der Kar­di­nal, habe das Kir­chen­recht einen Amts­ver­zicht des Kir­chen­ober­haup­tes nicht vor­ge­se­hen mit der Aus­nah­me, daß das Kar­di­nals­kol­le­gi­um einem sol­chen zustimmt. Aus dem Grun­de habe Paul VI. ein Rück­tritts­schrei­ben ver­faßt und ein zwei­tes Schrei­ben an den Kar­di­nal­de­kan auf­ge­setzt mit der Bit­te, das Kar­di­nals­kol­le­gi­um von der Not­wen­dig­keit einer Ent­bin­dung vom Amt zu überzeugen.

Kar­di­nal Re wis­se von die­sen Schrei­ben, „weil Papst Johan­nes Paul II. sie mir gezeigt hat“.

Der Kar­di­nal­sub­de­kan bestä­tig­te in dem Inter­view auch eine auf­rei­ben­de Patt­si­tua­ti­on, die in den bei­den Kon­kla­ven des Jah­res 1978 gege­ben war. Dabei stan­den sich Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Gio­van­ni Benel­li und Kar­di­nal Giu­sep­pe Siri von Genua als Kon­tra­hen­ten gegen­über. Da weder Benel­li noch Siri aus­rei­chend Stim­men erhiel­ten, um den Durch­bruch zu schaf­fen, wur­de zunächst Patri­arch Albi­no Lucia­ni (Johan­nes Paul I.) und dann der Kra­kau­er Erz­bi­schof Karol Woj­ty­la (Johan­nes Paul II.) zum Papst gewählt.

Von Johan­nes Paul I. sag­te Kar­di­nal Re: „Er woll­te mich tref­fen und sag­te mir, daß er das Papst­amt als eine zu gro­ße Last erachte“.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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3 Kommentare

  1. Natür­lich, man will den „Papst­rück­tritt“ als Nor­mal­fall sti­li­sie­ren und zemen­tie­ren und des­halb den Leu­ten weis­ma­chen, dass auch die Päp­ste der Ver­gan­gen­heit mit die­sen Gedan­ken spiel­ten und ihn als Mög­lich­keit in Erwä­gung zogen. Dass Paul VI., am Ende sei­nes Pon­ti­fi­ka­tes klar­sich­tig vor dem Scher­ben­hau­fen sei­ner von ihm zu ver­ant­wor­ten­den Kon­zils­re­form ste­hend und von sei­nen einst­mals geför­der­ten pro­ges­si­sti­schen Bischö­fen für Hum­a­nae vitae geäch­tet, zu Depres­sio­nen neig­te, ist doch ein alter Hut. Eben­so weiss jeder, was man von Re zu hal­ten hat.

  2. Es wird mir zuneh­mend unver­ständ­li­cher, wie sich jemand von sei­nem Papst­amt distan­zie­ren kann, um sich als Gei­sel zur Ver­fü­gung zu stel­len. Ich dach­te immer, daß der Papst einen spe­zi­fi­schen Dienst an der Gesamt­kir­che zu lei­sten hat und sich nicht selbst gehört. Und so gut bestellt war das eige­ne Haus unter Paul VI. nun wirk­lich nicht, um sich anders­wo als Gei­sel anzu­bie­ten – wo doch nicht sel­ten sich ein­fa­che Gemein­de­pfar­rer in Sor­ge um ihre Pfar­re mit über­fäl­li­gen Urlaubs­ab­sen­zen zurückhalten.

    Eine per­sön­li­che Ent­füh­rungs­ge­fahr wäre auch kein Grund für einen hin­ter­leg­ten Rück­tritt, hat doch erst unter Paul VI. die Pasto­ral-Rei­se­rei der Neu­zeit­päp­ste begon­nen. Für einen Mini­ster­prä­si­den­ten gehört es dage­gen zu sei­nem Amt, daß er sich durch zahl­lo­se Dienst­rei­sen und Pri­vat­le­ben (ohne Vati­kan­mau­ern) erheb­lich stär­ker expo­niert als ein Papst.

  3. Gio­van­ni Benel­li war nie Kar­di­nal­staats­se­kre­tär. Das war damals m.W. der Fran­zo­se Jean Vil­lot. Benel­li, damals einer der klüg­sten Köp­fe im Kar­di­nals­kol­le­gi­um, war Erz­bi­schof von Florenz.

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