Wie sich die Amtskirche mit dem geistigen und materiellen Bildersturm der Welt prostituiert und die Welt sich der Kirchen bemächtigt.
Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. med. Eberhard Gross, Hamburg.
Niemand täusche euch auf irgendeine Weise.
Denn zuerst muss die Apostasie kommen und offenbar werden der Mensch der Anomie, der Sohn der Zerstörung, der sich widersetzt und über alles erhebt, was Gott genannt wird oder Gegenstand der Verehrung ist, bis er sich als Gott ausgebend, im Tempel Gottes sitzt (2 Thess 2, 3 – 4).
Sind die Kirchen eigentlich noch Stätten des Gebets und der Anbetung? Gibt es noch die Atmosphäre der Andacht, die heilige Stille, den leisen Schauer, das Ergriffensein von der Gegenwart Christi, dessen Zeichen sich der Gläubige mit der Geste der Verehrung nähert? Gibt es überhaupt noch den Raum des Sakralen? Dem Besucher einer beliebigen „amtskirchlichen Kirche“ wird solches kaum widerfahren. Er wird sicher auch nur selten eine Geste der Verehrung wie eine Kniebeuge sehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob er in eine „moderne“ Kirche geht, eine im Bauhaustil gebaute Nachkriegskirche wie St. Bernhard im Hamburger Norden, oder in eine ältere, wie den am Ende des 19. Jahrhunderts im neuromanischen Stil errichteten Hamburger Mariendom.
Zerstörung der sakralen Architektur …
Was den modernen Kirchen fehlt, eine äußere Architektur, deren Stilelemente christliche Symbole sind oder diese zitieren, haben die alten Kirchen zwar noch. Sie sind ein Symbol des Himmels, wenn auch nicht jede in der vollendeten Form der gotischen Kathedrale. Ihre Architektur verweist auf den Sehnsuchtsort und will dem Besucher das Versprechen einlösen, einen Raum zu betreten, der mit den alltäglichen Beschäftigungen und Geschäften, der Betriebsamkeit und der Unterhaltung, der Ausbildung und des Erwerbs nichts zu tun hat. Sie verspricht gleichsam eine „himmlische Gegenwelt“, ein Gotteshaus im eigentlichen Sinn. Doch dieses Versprechen wird heute kaum mehr eingelöst. In der Regel ist es eine Täuschung.
Denn die innere Architektur dieser Kirchen unterscheidet sich in ihren Elementen nicht von denen der modernen Kirchen: Ein regelrechter Bildersturm, mitunter blindwütig und ohne Rücksicht auf die künstlerische Gestaltung, hat diese älteren Kirchen entkernt und ihre innere Harmonie zerbrochen. Das Ergebnis ist die Funktionalität eines bloßen Versammlungsraumes mit Stilelementen einer Symbolik, die eigentlich keine christliche mehr sein will. Sie ist in ihrem Ausdruck stark reduziert, undeutlich, missverständlich oder mitunter ohne jeden christlichen Bezug oder diesen Bezug leugnend. Es ist eine Pointe in der Geschichte des Glaubensabfalls in Deutschland, dass die Kirche sich gerade durch ihren Reichtum keine Zurückhaltung auferlegen musste, nicht nur ihre geistige religiöse Substanz der Beliebigkeit preiszugeben, sondern auch manche Kirchen, wahre sakrale Kunstwerke, unter dem Etikett der Modernisierung mit besonderem Eifer zu beschädigen, schlimmstenfalls sogar zu zerstören.
… als sichtbare Verneinung der Realpräsenz
Altar und Tabernakel sind dissoziiert und disloziert. Der Tabernakel ist nicht nur vom Altar getrennt, sondern auch räumlich marginalisiert und so aus dem Blick der Gläubigen genommen. Er ist so zu einem bloßen Aufbewahrungsort geworden, der überall sein kann und der sich damit als eine sichtbare Verneinung der Realpräsenz präsentiert.
Der Volksaltar stellt den größten und folgenschwersten Bruch mit der inneren Architektur des sakralen Raumes dar. In Kirchen mit Apsis und Hochaltar ist dieser Volksaltar nicht nur von der inneren Harmonie her ein Stein des Anstoßes, er schafft auch mit dem „überflüssigen Hochaltar in der Apsis“ eine kultische Leerstelle. Diese auszufüllen oder im eigentlichen Wortsinn zu besetzen, muss naturgemäß, da immer unangemessen, ins Leere gehen.
Mahltisch statt Altarstein
Im Volksaltar fokussieren sich gleichsam wesentliche Aspekte der Theologie der Neuen Kirche: der Altar ist zu einem einfachen großen Tisch geworden, ganz im protestantischen Sinn umgewidmet zu einem Mahltisch[1]Ein Zitat aus einem Glossar eines aktuellen Gemeindebriefs der evangelisch – lutherischen Kirchengemeinde Poppenbüttel Hamburg vom August – September 2017, Kirche von A bis Z für Jugendliche, … Continue reading, um den man sich, der Bedeutung des Wortes folgend, zu einem Mahl versammelt, was nicht nur in der Konzelebration seinen Ausdruck findet, die kürzlich von Rom als reguläre Kultform verordnet wurde, wenn mehrere Priester die Hl. Messe feiern wollen, sondern auch in der häufigen Praxis, vor der Kommunion „einiges Volk“ um den Mahltisch zu versammeln. Das Volk hat so nicht nur symbolisch die Rolle eines Mitregisseurs übernommen, sondern bestimmt auch handfest als Kommunionhelfer die Geschehnisse am Mahltisch mit. Diese Rollenvermischung von Laien und Priestern ist beabsichtigt im Sinne des allgemeinen Priestertums mit dem letztendlichen Ziel, das Weihepriestertum zu beseitigen. Die Wortgottesdienste ersetzen zuweilen schon die Hl. Messe am Sonntag.
Das Mysterium der Öffentlichkeit preiszugeben führt zu …
An einem solchen Tisch mit dem Blick zum Volk das Mysterium zu vergegenwärtigen, das Kreuzesopfer Christi auf unblutige Weise zu wiederholen, ist eine Entmystifizierung und schlimmer noch, eine Banalisierung. Der Priester gibt das Mysterium der Öffentlichkeit preis und konterkariert es so. In dieser kultischen Praxis kann der Glaube an die Realpräsenz keinen Platz mehr haben. Den entsprechenden Unglauben offenbaren gelegentlich moderne Priester. Eigenmächtige Veränderungen des Kanon und die übliche Verfälschung der Wandlungsworte, die Handkommunion und der Kommunionempfang nahezu aller Gottesdienstbesucher, die Praxis, jedem nach dessen Gusto die Hostie auszuhändigen, sind sichtbarer Ausdruck dieser Theologie der Neuen Kirche: Alles ist nur Symbolik, auch das Altarsakrament.
Der Priester am Volksaltar versus populum ist gezwungen, sich selbst zu inszenieren, auch wenn er es nicht wollte. Der Novus ordo, der ohne Volksaltar versus populum nicht „funktioniert“, hat zwei schwerwiegende Konsequenzen. Eine ist die religionssoziologische:
…Banalisierungen und Anbiederung ans Gewöhnliche
Jede ernstzunehmende religiöse Kulthandlung hat ihre eigene Sprache, ihren eigenen Raum und ihre eigene Zeit. Mit dem gewollten Verschwinden der Kultsprache Latein wird dem Kult, hier der Hl. Messe, als heiliges Spiel zu Ehre Gottes, in dem jeder seinen unverrückbaren Platz hat, das sprachliche Herausgehoben-Sein aus dem Alltag genommen. Der Novus ordo ist somit auch eine Profanierung des Kultes, indem er sich dem Gewöhnlichen anbiedert und es in sich aufnimmt. Wenn als Argumente für den Novus ordo der „reichere Tisch“ des Wortes, die bessere Nachvollziehbarkeit der Riten und die Konzentration auf das Wesentliche der Liturgie angeführt werden, wie kürzlich von einem Theologen, dann wird der Sinn dieses heiligen Spiels nicht verstanden und man kann nur fragen, was man denn für überflüssig halten würde, z. B. die acht der neun Anrufungen Kyrie eleison und Christe eleison, und warum ein Mysterium, das rituell vergegenwärtigt wird, nachvollziehbar sein muss und verstanden werden muss und ob es überhaupt begriffen werden kann.
Das Versus-Populum impliziert ein Aversus Deum, eine Abwendung von Gott als zweite Konsequenz: Der Priester versteht sich nicht mehr als Mittler zwischen Gott und dem gläubigen Volk, sondern ist dem Volk zugewandt als Vorsteher einer Mahlfeier. Die Bezeichnung Volksaltar offenbart diese moderne Funktion des Priesters ganz unverhohlen: Es geht um das Volk, um sein materielles und seelisches Wohlergehen, nicht um das Seelenheil, Am deutlichsten wird diese Sorge in den Fürbitten artikuliert: Es wird nie um das ewige Heil, sondern immer um ganz irdische Dinge wie z. B. Frieden und Gesundheit gebetet. Zum Wohlergehen gehört auch die seelische Befindlichkeit ganz im Sinne des guten Gewissens, eines Gewissens, das als letzte Instanz über dem Lehramt steht, wie von Rom in der Zeitung La Republica[2]Eine Zusammenfassung eines Interviews von E. Scalfari mit Papst Franziskus, erschienen am 1.Oktober 3013 verkündet wurde. Was könnte die seelische Befindlichkeit mehr stören als Sünde und Schuld, Buße und Opfer, Verdammnis und Hölle, allesamt Worte, die als Unworte aus dem Wortschatz der Neuen Kirche gestrichen wurden. So hat die Beichte bestenfalls noch eine Bedeutung als Psychotherapie. Die Kirche berücksichtigt diese nichtsakramentale Bedeutung mit dem Wort Beichtgespräch.
Kirchen als Konzertsäle
Spielen sich diese Zerstörungen des sakralen Raumes und ihre Folgen vor aller Augen ab und sind ihre Instrumente bekannt, so gibt es eine weitere Zerstörung, deren Instrumente wohlmöglich ein noch größeres Zerstörungspotential haben, weil sie geräuschlos und schleichend wirken und sich zunächst nur im positiven Kontext präsentieren: Einmal die Kirche als bedeutender Kulturträger, dann als sinnstiftende Institution, die ihr Potential mit modernem Marketing an die Öffentlichkeit bringen soll und drittens die Kirche als Großorganisation mit politischem Einfluss.
Die Kirchenmusik hat sich weitgehend ihrer eigenen Wurzeln entledigt. Dass sie genuin ein Bestandteil eines religiösen Kultes ist, wird allgemein nicht mehr wahrgenommen. Denn sie wird vielfach als säkulare Musik, von ihrer religiösen Substanz abgelöst, dargeboten. Dieser Prozess ist an sich nicht ungewöhnlich, da die Musik ihren Eigenwert auch ohne religiösen Unterbau behält. So findet diese religiös neutralisierte Musik gerade in einer religiös unmusikalischen Gesellschaft ihre Zuhörerschaft, da sie sich ohne das „religiöse Störpotential“ präsentiert. Nur kommt die Aufführungspraxis nicht ganz ohne christliches Substrat aus. Sie kann vielfach nicht auf die Kirchen als die eigentlich originären Aufführungsorte mit ihren mitunter hochwertigen Orgeln und einer abgestimmten Akustik verzichten. Die Kirchen fungieren hier – da steht die katholische der protestantischen in nichts nach – als Träger einer gehobenen Musikkultur und stellen ihre Kirchen als Konzertsäle zur Verfügung, so auch den Hamburger Mariendom. Eintrittsgeld, Applaus und Unterhaltung der Konzertbesucher sind untrügliche Zeichen, dass die Kirche vom Konzertbesucher nicht mehr als Sakralraum wahrgenommen wird. Dass im Dom auch Konzerte stattfinden aus Anlass eines Geburtstages des Domorganisten oder mittlerweile Musik aufgeführt wird ohne jeden religiösen Bezug wie in St. Bernhard mit der Ankündigung „Sommerserenade“, zeigt darüber hinaus, dass auch hier die Zerstörung des Sakralraumes von der katholischen Kirche selbst eifrig betrieben wird. Offenkundig sind derzeit schon manche Dämme gebrochen wie eine Aufführung eines Balletttanzes im Osnabrücker Dom mit dem Titel „Tanzen ist Beten“ belegt. Ein Bericht über die Schlussphase der Aufführung spricht für sich: „[…] tanzten sie neo-klassisches Ballett zum Psalm 30 und zur Serenade von Tschaikowsky. Das Reiben der Ballettschuhe auf dem Steinboden war in leisen Musikpassagen durch die Stille des andächtigen Publikums zu hören. Spätestens als das Bonner Tanzensemble seine Choreografie zu poppigen Klängen präsentierte und danach der Segen für Musiker und Tänzer ausgesprochen wurde, war das Bild vom starren Beten durchbrochen[3]Bericht in der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 10.11.2011.“
Kirchliche Verschränkung mit säkularen Sinnstiftungen
Dass die Kirchen als sinnstiftende Institutionen sich heute derselben Methoden bedienen wie andere Großorganisationen, um ihre Sinnstiftung der Allgemeinheit ins Gedächtnis zu rufen, überrascht nicht. Sind ihre Anliegen doch ähnlich denen der etablierten Parteien: ‚soziale Gerechtigkeit’, ‚Umweltschutz’ unter der religiös aufgeladenen Sentenz Bewahrung der Schöpfung und ‚Solidarität’ durch die religiös grundierten caritativen Aktivitäten. Da sich große Teile der Kirche in ihrem Selbstverständnis relativieren und sich nur noch als religionssoziologische Größe verstehen, zerbröselt das Fundament, aus dem diese soziologische Größe abgeleitet ist: der Glaube, gegründet auf dem Evangelium und dem Lehramt. Wird die Religionsgemeinschaft nur wegen ihres Kollateralnutzens für die Gesellschaft in Anspruch genommen, hat sie prinzipiell eine prekäre, also gefährdete Existenz wie jede andere Organisation. So agiert die Kirche mit Nacht der Kirchen, Licht und Toninstallationen, diversen Events vom Theater bis zum banalen Klamauk auf derselben Ebene wie andere gesellschaftliche Institutionen und im Wettbewerb mit diesen. Sie verhökert damit den letzten Rest ihres Sacrum und macht aus ihm ein Objekt der Unterhaltung und zuweilen einen quasi voyeuristischen Gegenstand. Der Relativismus und der sakrale Raum sind eben nicht kompatibel, der Relativismus verlangt geradezu die Zerstörung des Sacrum.
Das Lehramt bleibt vage, klar dagegen sind die politischen Weisungen
So nagt der Relativismus unablässig weiter am Gerüst der Glaubensüberzeugungen. Sie werden von der Kirche selbst ins Vage und in Frage gestellt und werden so zu bloßen Meinungen. So hört man von den Bischöfen mit wenigen Ausnahmen keine auf dem Lehramt beruhende klare Aussagen zum Zölibat, der Frauenordination, der Genderideologie und der Abtreibung. Das Koordinatensystem der Überzeugungen ist selbst in Bewegung geraten. Die Barmherzigkeit als pastorales Paradigma hält es in Bewegung und lässt jeden, der es in Frage stellt, als unbarmherzig erscheinen. Amoris laetitia ist gleichsam die Chiffre des Paradigmenwechsels und zugleich die praktische Anleitung zu seinem Vollzug, der nicht bei der Ehemoral aufhören wird.
Während die Amtskirche in den Glaubensüberzeugungen nicht mehr für Klarheit und Verbindlichkeit steht, zeigt sie in den relevanten politischen Feldern wie z. B. europäische Union, Migranten – und Asylproblematik, Umwelt – und Energiepolitik und militärische Interventionen eine geradezu feste Haltung im Schulterschluss mit den etablierten Parteien. Die Zuständigkeiten von Kirche und Parteienstaat erscheinen vertauscht. Die Dinge sind gleichsam auf den Kopf gestellt: In ihrem genuinen „Reich“ regiert nicht mehr das Evangelium und das Lehramt, sondern die Welt, wenn auch nicht offen legalistisch. Die Kirche präsentiert sich dagegen als Teil des politischen Kartells und versteht sich in dem politischen System als relevant und konservierend und wird auch so wahrgenommen und behandelt. Scheinbar ohne Zwang unterstützt sie die Agenda der politischen Klasse und signalisiert durch ihr beredtes Schweigen Zustimmung zu den politischen Entscheidungen in anderen Politikfeldern wie der allgemeinen gesellschaftlichen Implementierung der Genderideologie, der Frühsexualisierung oder der Willfährigkeit gegenüber den Folgen der Islamisierung.
Die politische Klasse führt Regie in der Kirche – die Bischöfe spielen mit
Der Schulterschluss der Kirche mit der politischen Klasse wird regelmäßig bei Bedarf ins Bild gesetzt und gehört schon zum Bestand des kollektiven Bewusstseins: die Gottesdienste mit der Anwesenheit von Politikern aus verschieden Anlässen, insbesondere bei Katastrophen, die die Öffentlichkeit bewegen, wie zuletzt der Terrorakt auf dem Berliner Weihnachtsmarkt. Ähnliches ist von Ereignissen zu sagen, die bestimmte öffentliche Personen betreffen, wie die Verabschiedung von Kardinal Lehmann oder das Requiem für Helmut Kohl. Der sakrale Raum wird als Versammlungsraum von Kirche und politischer Klasse missbraucht. Er dient ihnen beiden als Zeichen der Vergewisserung ihrer Nähe. Dazu verleiht ihnen das Sacrum eine gewisse Aura der Legitimität. Die Liturgie verkommt allerdings zur reinen Staffage, da das Sacrum allgemein nicht mehr verstanden wird. Auch wenn die politische Klasse auf den unbequemen und unscheinbaren Kirchenbänken Platz nimmt, bestimmt sie doch die Agenda und ist ungefragt Mitverfasser der Redetexte der kirchlichen Repräsentanten. Wenn sie dann selbst, eigentlich regelverstoßend, am Rednerpult steht, wird noch klarer, wer sich des sakralen Raumes, des Tempels des christlichen Gottes bemächtigt hat. Es sind dies die geistigen Tempelräuber, die sich auf ihre Helfershelfer in der Kirche verlassen können.
Text: Prof. Dr. med. Eberhard Gross, Hamburg
Bild: MiL/Erzbistum München/Bistum Mainz/Schubertkirche.at (Screenshots)
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↑1 | Ein Zitat aus einem Glossar eines aktuellen Gemeindebriefs der evangelisch – lutherischen Kirchengemeinde Poppenbüttel Hamburg vom August – September 2017, Kirche von A bis Z für Jugendliche, beschreibt beispielhaft diese Auffassung, dazu noch eine in peinlicher Banalität. […] Er (der Altar) sieht aus wie ein Tisch, weil Jesus mit seinen Freunden so gerne gegessen und getrunken hat. Sie waren sich ganz nah und haben sich alles erzählt. Deshalb feiern Christen heute das Abendmahl im Gottesdienst. Sie teilen sich das Brot und trinken Wein aus dem Kelch. So etwas machen nur beste Freunde. Jesus hat versprochen immer bei uns zu sein. Wie ein unsichtbarer Gast, der mit am Tisch sitzt, wenn sich Freunde treffen. […] Auf dem Altar findest du immer ein Kreuz und eine Bibel, und häufig ist er geschmückt mit Tüchern, Kerzen und Blumen. Wie der feierlich gedeckte Geburtstagstisch bei Oma. |
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↑2 | Eine Zusammenfassung eines Interviews von E. Scalfari mit Papst Franziskus, erschienen am 1.Oktober 3013 |
↑3 | Bericht in der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 10.11.2011 |
Und da wundert man sich über den Rückgang des Messbesuches.
Erfrischend und mit einer – heutzutage leider selten geworden – Prägnanz zeigt der Autor den inneren Gleichschritt der geistigen und der baulichen Entkernung der Kirche auf. Dreh- und Angelpunkt dieser Entwicklung ist das Welt- und Gottesbild der „geistigen Väter“ des 2. Vatikanischen Konzils (die Jesuitenpatres de Lubac, Rahner und Teilhard de Chardin) welches sowohl grundlegend für die Interpretation des Konzils als auch die Gestaltung der Liturgiereform war und Generationen von Theologen geprägt hat.
Danach ist der Mensch das Zentrum, auf dass sich die Totalität der kosmischen Evolution richtet. Seine vollkommene Entwicklung als menschliche Person ist ein Teil dieses Fortschritts (Teilhard de Chardin). Pater Karl Rahner konzipierte darauf fußend die Vorstellung eines anonymen Christentums. Der Mensch als anonymer Christ ist, bereits weil er als Mensch auf Gott bezogen ist, erlöst. Mit dieser Nouvelle Théologie hat man sich vom überlieferten theozentrischen Glauben ab- und einem neuen, nunmehr klar anthropozentrischen, Glauben zugewandt. Und so wird das Aussehen sowohl des Kirchenraumes als auch des kirchlichen Lehr- bzw. Leeramtes heute verständlich.
Den Rahnerschen Begriff vom grundsätzlich auf Gott bezogenen Menschen als als erlöst und daher „anonymen Christen“ halte ich in der Tat für irrig und verfehlt.
Allerdings kann ich mir auch nicht alle Nichtchristen als dereinst nach ihrem Tode grundsätzlich unerlöst und somit verdammt denken und vorstellen.
Wenn z.B. ein ohne eigenes Verschulden Ungetaufter das christliche Doppelgebot der Gottes- und der Nächstenliebe im irdischen Leben konsequent befolgt, so halte ich diesen nicht per se für die ewige Seligkeit bei Gott im Himmel für verloren.
Ich würde für solch einen Menschen den mir hier passend erscheinenden Begriff „unbewusster Christ“ verwenden.
Nach dem Wort des Herrn aus dem Evangelium nach Johannes 14,6: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben – niemand kommt zum Vater außer durch mich“ glaube ich u.a. in Verbindung mit Berichten sog. Nahtoderfahrener, dass wirklich jeder Mensch, egal welcher Religion oder Weltanschauung vormals zu irdischen Lebzeiten angehörig, nach seinem Tode Christus, dem Herrn, in einem jenseitigen Gericht begegnen muss, in dem nur das positiv für ihn zählt, was er an Werken der Liebe im irdischen Leben vollbracht hat.
Das allein entscheidet dann somit über ewige Seligkeit oder Verdammnis des Betreffenden.
Jesus (in Gestalt der verwandelten Hostie, hochgehalten bei der Wandlung vom Priester in Richtung Altar) war für mich immer der Brennpunkt zur Fokusierung auf den Vater im Himmel im Heiligen Geist und die demütige Aufnahme und Verinnerlichung Jesu Christi, in Erinnerung an die Erstkommunion am Speisgitter kniend, dankbare Hingebung und unsägliche Glaubensstärkung.
In der Augustinerkirche Würzburg hat man inzwischen auch noch den bisher vorhandenen Steinaltar aus dem Presbyterium geschafft. Man schloss dabei kurzerhand den Zugang vom Kloster zur Kirche ab, so dass ältere Priester nicht stören konnten und bei dieser Nacht- und Nebel-Aktion sogar vom Beichte hören ausgeschlossen waren!
Jetzt ist der FM-Tempel perfekt! Die „Messe für alle“ kann beginnen!
Die Kirche in Foligno finde ich jedenfalls sehr geschmacklos!
Wie schrieb Martin Mosebach in dem (leider zu selten gelesenen Buch) „Häresie der Formlosigkeit“ sinngemäß: Es ist kein Bildersturm aus Glaubensstärke wie in früheren Jahrhunderten, es ist ein Ikonoklasmus aus Glaubensschwäche!
Der Zerstörung des Sakralraumes und damit des Sakralen nach dem Vat II folgte die Zerstörung des Glaubens. Die verheerenden Folgen sind unübersehbar. Der Auflösungsprozess befindet sich in der Endphase. In einer Generation wird nichts mehr übrig sein von der „Volkskirche“.
Die Kirche lebt jedoch weiter in Gemeinschaften, die das Sakrale bewahrt haben. Auch wenn die Gescheiterten zur Zeit alles versuchen, diese Gemeinschaften zu zerstören. Sie blicken voller Neid und Hass auf Erfolg, Glauben und Nachwuchs der Konkurrenz. Wie alle Fanatiker wollen sie die Gründe für das eigene Scheitern nicht wahrhaben.
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Gross, Haben Sie besten Dank für Ihre ausgezeichnete Analyse der kirchlichen Situation von heute, nach einem Zeitraum von über fünzig Jahre nach dem Konzil, oder nach über fünzig Jahre geplanter systematischer Zerstörung der hl. katholischen Kirche mit voller Billigung durch die kirchlichen Eliten. Wie in einem Befundbericht haben Sie präzise alle pathologischen Befunde erhoben und jeder, der es wahrhaben will, kann und muß am Ende die Kausalzusammenhänge erkennen. Gestern erhielt ich von einem gemeinsamen Bekannten eine Abschrift der alta vendeta, jenem altem Strategiepapier der Freimaurer aus dem frühen 19. Jahrhundert, in dem die Zerstörung der katholischen Kirche geplant und gefordert wurde. Permanennte Anweisung wurde sie genannt. Dort wurde primär die Wahl eines Papstes gefordert , der ein oecumenisches Konzil einberuft. Alle Veränderungen des sacralen Raumes und alle Veränderungen der Liturgie, die Sie mit schwerem Herzen beschreiben, sind dort gefordert worden und postkonziliär umgesetzt worden. Sie beschreiben einen geschichtlichen Prozess, der nur erklärbar ist, wenn wir die Wahrheit Ihres Eingangssatzes erkennen: Denn zuerst muss die Apostasie kommen und offenbar werden der Mensch der Anomie, der Sohn der Zerstörung, der sich widersetzt und über alles erhebt, was Gott genannt wird oder Gegenstand der Verehrung ist, bis er sich als Gott ausgebend, im Tempel Gottes sitzt (2 Thess 2, 3 – 4). Die allseits zu beobachtende mutwillige Zerstörung des Gegenstandes der Verehrung ist der Beweis für die heute immer mehr erkennbar werdenden Apostasie.
Der klarste Beweis für die Beurteilung der jetzigen Situation ist der Besuch einer Bischofskirche. Dort steht die Kathedra des Bischofs an der Stelle wo einst das Allerheiligste stand… ein fatales Symbol dafür, dass der Mensch Gott verdrängt hat und seine eigene Hybris nicht mehr erkennt oder erkennen will. Er offenbart damit jedes fehlende Gespür für das Heilige.
Gefordert sind hier auch die Denkmalschutzbehörden. Die verfügen oft über mehr Macht als die Diözesanbischofe, die eine solche Kirchenzerströrung anordnen.
Die Kehrseite davon, dass sich die Kirchenarchitektur und die Liturgie als Entsakralisierung und Abwendung von Gott darstellen, ist die Hinwendung oder Reduzierung der Liturgie auf die Volksbedürfnisse in Form von materiellen und seelischen Wohlbefinden, Gesundheit und Frieden, wie ihn die Welt geben kann. Der Autor weist richtig darauf hin, dass bei einer solchen tendenziell humanistischen Tempelfeier die zentralen Inhalte von Kirche und kirchlicher Lehre wie Sünde und Schuld, Buße und Opfer, Verdammnis und Hölle nur stören können. Gott bzw. das sichtbare Zeichen seiner Realpräsens wird aus dem Zentrum der Kirche herausrenoviert, an dessen Stelle tritt die versammelte Gemeinde.
Was sich hier in Kirchenraum und Liturgie vollzieht, ist von den einschlägigen Konzilstheologien wie Rahner und Co. vorbereitet worden. Noch deutlicher hat der Theologe Hasenhüttl die Entgöttlichung der Liturgie ausgedrückt: Gott sei nur in der versammelten Gemeinde existent….
Im schulischen Religionsunterricht wird diese Konzentration auf die Selbstoptimierung von Menschen und Welt seit 50 Jahren angestrebt. Im Synodenbeschluss für den Reli-Unterricht wird ganz unverblümt die Selbstverwirklichung der Schüler im sozialen und politischen Kontext als Ziel des Religionsunterrichts angegeben. Bibel und Kirchenlehre sollen dabei nur als Randmaterial zugezogen werden.
In letzter Zeit sind mir zwei besonders seltsame, lächerliche, wahrscheinlich recht teure, „künstlerische“ „Volksaltäre“ aufgefallen: in der Kirche Rabenden (nahe Altenmarkt/Obb.) und in der St. Magdalena-Kirche in Altötting.
Man kann der Analyse von Professor Gross nichts hinzufügen und nichts wegnehmen, so dezidiert und vollkommen fällt sie aus.
Einzig und allein möchte ich mich einem Mitkommentator anschließen, der das Buch von Martin Mosebach „Häresie der Formlosigkeit“ empfiehlt. Dieses Buch kann man als komplementär zu der hier vorgestellten Analyse begreifen.
Danke für diesen inhaltlich und formal ausgezeichneten Artikel!
Besonders der letzte Absatz erscheint wichtig. Hier ist vielleicht sogar der Schlüssel zum Verständnis der ganzen Abrißbewegung zu verstehen.
Mögen es die Hirten zur Kenntnis nehmen und sich von ihrem Zerstörungskurs abkehren!
Die Zerstörungskraft des NOL ist einfach nur zu vergleichen mit der Zerstörungswut des IS in Mesopotamien, einen objektiv anderen Vergleich kann es nicht geben. Ob ich eine Kirche gottlos mache oder zur Moschee oder zerstöre, das ist für die sinnliche Erfahrbarkeit der Himmlischen Kirche und der Realpräsenz Jesu Christi, Wahrer Gott und Wahrer Mensch, schlichtweg unerheblich, wenn ich nicht weiß, wo der Herr ist. Der Herr erscheint uns nicht mehr wie einst Maria Magdalena, die den Herrn suchte. Die Bischöfe schaffen den Herrn einfach aus seinen Tempel, seinem Haus. Das ist Apostasie!