[2. Update] Die Maas-Regelung des Internets – Was sagen die Bischöfe zum Angriff auf die Meinungsfreiheit?


Der Vorwurf: Facebook sei schuld am Wahlsieg von Donald Trump. Die Konsequenz: Gesetze zur Einschränkung der Meinungsfreiheit.
Der Vorwurf: Facebook sei schuld am Wahlsieg von Donald Trump. Die Konsequenz: Gesetze zur Einschränkung der Meinungsfreiheit.

(Ber­lin) Bun­des­ju­stiz­mi­ni­ster Hei­ko Maas (SPD) will die Maas-Rege­lung des Inter­nets, und zwar mit einem gro­ßen Maul­korb. Sein Netz­werk­durch­set­zungs­ge­setz, kurz NetzDG genannt, wol­len er und die Koali­ti­on noch vor der Som­mer­pau­se „durch­peit­schen“ (RA Joa­chim Stein­hö­fel auf sei­nem Blog Stein­hö­fel) – denn im Herbst wird gewählt.

Anzei­ge

Maas will damit gegen „Fake News“ und gegen „Hate Speech“ vor­ge­hen. Was aber sind „Fake News“ (Falsch­mel­dun­gen)? Was ist „Hate Speech“ (Haß­spra­che)? War­um braucht es gegen sie neue Geset­ze? Wel­chen Angriff gegen die Rechts­ord­nung stel­len sie dar, der nicht schon jetzt im Straf­recht gere­gelt wäre?

Der Ham­bur­ger Rechts­an­walt Joa­chim Stein­hö­fel stellt klar:

„Das Recht kennt die­se Begrif­fe nicht.“

Das Geset­zes­vor­ha­ben des Bun­des­ju­stiz­mi­ni­sters sei „ver­fas­sungs­wid­rig, euro­pa­rechts­wid­rig und über­flüs­sig“. Beson­ders ver­werf­lich nennt der Rechts­an­walt gegen­über JF-TV, daß die zu Unrecht gelösch­ten Inhal­te eines Nut­zers von den sozia­len Medi­en nicht wie­der­her­ge­stellt wer­den müssen.

Stein­hö­fel weiß, wovon er spricht. Er selbst wur­de bereits zu Unrecht von Face­book gesperrt. Er ver­tritt zahl­rei­che Per­so­nen, denen es eben­so ergan­gen ist.

Heiko Maas
Hei­ko Maas

Ein Lied von die­sen will­kür­li­chen Sper­run­gen kön­nen jene sin­gen, die uner­wünsch­te Mei­nun­gen äußern. JF-TV nennt den Fall des Islam­kri­ti­kers Imad Karim aus Mann­heim. Karim wur­de in den ver­gan­ge­nen drei Jah­ren von Face­book „um die zwan­zig­mal gesperrt“. War­um? Weil er kri­ti­sche Kom­men­ta­re zum Islam und zur Flücht­lings­po­li­tik äußer­te. Schließ­lich sei sein Pro­fil ohne Anga­be von Grün­den zur Gän­ze gelöscht und nach Pro­te­sten eben­so kom­men­tar­los wie­der­her­ge­stellt worden.

Stein­hö­fel rich­te­te eine eige­ne Inter­net­sei­te Face­book-Sper­re – Wall of Shame ein. Dort doku­men­tiert er die unglaub­lich­sten Fäl­le und lie­fert den Beleg für die Will­kür­lich­keit der Sper­run­gen und Löschungen.

Natür­lich geht es nicht nur um Face­book, son­dern gene­rell um die Mei­nungs­frei­heit im Inter­net. Face­book spielt des­halb eine zen­tra­le Rol­le, weil dem sozia­len Netz­werk der Wahl­sieg von Donald Trump  ange­la­stet wur­de. Das war die Initi­al­zün­dung für die For­de­rung nach Ein­füh­rung neu­er Straf­tat­be­stän­de und Maulkorbverfügungen.

Zur Erin­ne­rung: Seit den Prä­si­dent­schafts­wah­len in den USA vor sie­ben Mona­ten ist der Begriff „Fake News“ zum Mode­wort gewor­den. Als Reak­ti­on auf die Nie­der­la­ge von Hil­la­ry Clin­ton rief ihr ent­täusch­tes Lager zum Kampf gegen die­se omi­nö­sen „Fake News“ auf. Den Auf­takt mach­te die New York Times am 9. Novem­ber 2016, am Tag nach der Wahl, mit dem Arti­kel „Donald Trump Won Becau­se of Face­book“ .

Seit­her haben sich auch euro­päi­sche Poli­ti­ker, Innen‑, Sicher­heits- und Justiz­spre­cher sowie Justiz­mi­ni­ster bereit­wil­lig und mit erstaun­li­chem Eifer und bemer­kens­wer­ter Eile bemü­ßigt gefühlt, neue Geset­ze und Straf­be­stim­mun­gen zu for­dern, aus­zu­ar­bei­ten und vor­zu­le­gen. Hei­ko Maas ist nur einer von ihnen. Die Plä­ne lagen bereits in der Schub­la­de. Der Kon­nex zwi­schen dem Vor­wurf, durch Dul­dung bestimm­ter, „fal­scher“ Mei­nun­gen habe der „uner­wünsch­te“ Kan­di­dat gewon­nen, und der For­de­rung nach Bekämp­fung die­ser Mei­nun­gen wirft einen fin­ste­ren Schat­ten auf die Maas-Plä­ne. Dabei kann kein Zwei­fel bestehen, daß die Begehr­lich­keit, Hand auf die Mei­nungs­frei­heit legen zu kön­nen, schon älter ist.

Tat­säch­lich geht es um nichts Gerin­ge­res als um die Mei­nungs­frei­heit, die der Bun­des­ju­stiz­mi­ni­ster ein­schrän­ken will. Das Netz­werk­durch­set­zungs­ge­setz ist kein Gesetz zur För­de­rung der frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung, son­dern ein Instru­ment der Mei­nungs­kon­trol­le. Eine Instru­ment der Mei­nungs­kon­trol­le und Mei­nungs­ein­schrän­kung ist immer ein Instru­ment der Mei­nungs­ver­zer­rung, der Mani­pu­la­ti­on und der Unterdrückung.

Der Jurist Stein­hö­fel leg­te zum Beweis einen Gegen­ent­wurf zum NetzDG vor, den er Mei­nungs­frei­heits­ge­setz nennt.

Face­book „tritt bereits heu­te die Mei­nungs­frei­heit mit Füßen. Vie­les deu­tet dar­auf hin, daß nun aus­ge­rech­net der Bun­des­ju­stiz­mi­ni­ster die­sen ekla­tan­ten Miß­stand noch aus­wei­ten will“, schrieb heu­te die Jun­ge Frei­heit.

Auf­ga­be des Bun­des­ju­stiz­mi­ni­sters ist es, die Mei­nungs­frei­heit zu schüt­zen und zu ver­tei­di­gen. Was für eine Mei­nungs­frei­heit wäre das, wo unlieb­sa­me oder vom Main­stream abwei­chen­de Mei­nun­gen, nicht mehr gedul­det, will­kür­lich gelöscht und abge­würgt wer­den können?

Und was sagen die deut­schen Bischö­fe zu die­sem Angriff auf die Mei­nungs­frei­heit? Ihre Stel­lung­nah­me ist gefordert.

Text: Andre­as Becker
Bild: NYT (Screenshot)/Wikipedia (San­dro Jalank)

[Update 9. Juni 2017 7:20: Arti­kel wur­de mit dem Video Joa­chim Niko­laus Stein­hö­fel spricht beim 1. Mai-Kol­lo­qi­um des Insti­tuts für Gesell­schafts­wis­sen­schaf­ten Wal­ber­berg zum The­ma „Zen­sur gefäl­lig?“ – Geplan­te Ein­schrän­kun­gen der Mei­nungs­frei­heit ergänzt.]

[Update 9. Juni 2017 8:12: Arti­kel wur­de um wei­ter­füh­ren­de Links ergänzt.]

Sie­he auch:

Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!