(Berlin) Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will die Maas-Regelung des Internets, und zwar mit einem großen Maulkorb. Sein Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG genannt, wollen er und die Koalition noch vor der Sommerpause „durchpeitschen“ (RA Joachim Steinhöfel auf seinem Blog Steinhöfel) – denn im Herbst wird gewählt.
Maas will damit gegen „Fake News“ und gegen „Hate Speech“ vorgehen. Was aber sind „Fake News“ (Falschmeldungen)? Was ist „Hate Speech“ (Haßsprache)? Warum braucht es gegen sie neue Gesetze? Welchen Angriff gegen die Rechtsordnung stellen sie dar, der nicht schon jetzt im Strafrecht geregelt wäre?
Der Hamburger Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel stellt klar:
„Das Recht kennt diese Begriffe nicht.“
Das Gesetzesvorhaben des Bundesjustizministers sei „verfassungswidrig, europarechtswidrig und überflüssig“. Besonders verwerflich nennt der Rechtsanwalt gegenüber JF-TV, daß die zu Unrecht gelöschten Inhalte eines Nutzers von den sozialen Medien nicht wiederhergestellt werden müssen.
Steinhöfel weiß, wovon er spricht. Er selbst wurde bereits zu Unrecht von Facebook gesperrt. Er vertritt zahlreiche Personen, denen es ebenso ergangen ist.
Ein Lied von diesen willkürlichen Sperrungen können jene singen, die unerwünschte Meinungen äußern. JF-TV nennt den Fall des Islamkritikers Imad Karim aus Mannheim. Karim wurde in den vergangenen drei Jahren von Facebook „um die zwanzigmal gesperrt“. Warum? Weil er kritische Kommentare zum Islam und zur Flüchtlingspolitik äußerte. Schließlich sei sein Profil ohne Angabe von Gründen zur Gänze gelöscht und nach Protesten ebenso kommentarlos wiederhergestellt worden.
Steinhöfel richtete eine eigene Internetseite Facebook-Sperre – Wall of Shame ein. Dort dokumentiert er die unglaublichsten Fälle und liefert den Beleg für die Willkürlichkeit der Sperrungen und Löschungen.
Natürlich geht es nicht nur um Facebook, sondern generell um die Meinungsfreiheit im Internet. Facebook spielt deshalb eine zentrale Rolle, weil dem sozialen Netzwerk der Wahlsieg von Donald Trump angelastet wurde. Das war die Initialzündung für die Forderung nach Einführung neuer Straftatbestände und Maulkorbverfügungen.
Zur Erinnerung: Seit den Präsidentschaftswahlen in den USA vor sieben Monaten ist der Begriff „Fake News“ zum Modewort geworden. Als Reaktion auf die Niederlage von Hillary Clinton rief ihr enttäuschtes Lager zum Kampf gegen diese ominösen „Fake News“ auf. Den Auftakt machte die New York Times am 9. November 2016, am Tag nach der Wahl, mit dem Artikel „Donald Trump Won Because of Facebook“ .
Seither haben sich auch europäische Politiker, Innen‑, Sicherheits- und Justizsprecher sowie Justizminister bereitwillig und mit erstaunlichem Eifer und bemerkenswerter Eile bemüßigt gefühlt, neue Gesetze und Strafbestimmungen zu fordern, auszuarbeiten und vorzulegen. Heiko Maas ist nur einer von ihnen. Die Pläne lagen bereits in der Schublade. Der Konnex zwischen dem Vorwurf, durch Duldung bestimmter, „falscher“ Meinungen habe der „unerwünschte“ Kandidat gewonnen, und der Forderung nach Bekämpfung dieser Meinungen wirft einen finsteren Schatten auf die Maas-Pläne. Dabei kann kein Zweifel bestehen, daß die Begehrlichkeit, Hand auf die Meinungsfreiheit legen zu können, schon älter ist.
Tatsächlich geht es um nichts Geringeres als um die Meinungsfreiheit, die der Bundesjustizminister einschränken will. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist kein Gesetz zur Förderung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, sondern ein Instrument der Meinungskontrolle. Eine Instrument der Meinungskontrolle und Meinungseinschränkung ist immer ein Instrument der Meinungsverzerrung, der Manipulation und der Unterdrückung.
Der Jurist Steinhöfel legte zum Beweis einen Gegenentwurf zum NetzDG vor, den er Meinungsfreiheitsgesetz nennt.
Facebook „tritt bereits heute die Meinungsfreiheit mit Füßen. Vieles deutet darauf hin, daß nun ausgerechnet der Bundesjustizminister diesen eklatanten Mißstand noch ausweiten will“, schrieb heute die Junge Freiheit.
Aufgabe des Bundesjustizministers ist es, die Meinungsfreiheit zu schützen und zu verteidigen. Was für eine Meinungsfreiheit wäre das, wo unliebsame oder vom Mainstream abweichende Meinungen, nicht mehr geduldet, willkürlich gelöscht und abgewürgt werden können?
Und was sagen die deutschen Bischöfe zu diesem Angriff auf die Meinungsfreiheit? Ihre Stellungnahme ist gefordert.
Text: Andreas Becker
Bild: NYT (Screenshot)/Wikipedia (Sandro Jalank)
[Update 9. Juni 2017 7:20: Artikel wurde mit dem Video Joachim Nikolaus Steinhöfel spricht beim 1. Mai-Kolloqium des Instituts für Gesellschaftswissenschaften Walberberg zum Thema „Zensur gefällig?“ – Geplante Einschränkungen der Meinungsfreiheit ergänzt.]
[Update 9. Juni 2017 8:12: Artikel wurde um weiterführende Links ergänzt.]
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