Rezension von Wolfram Schrems*
Eine autobiographische Vorbemerkung
Vor etwa vierzehn Jahren wurde Michael Fiedrowiczs Theologie der Kirchenväter von einer katholischen Zeitung beworben. Ich erwarb das Werk und las es mit Interesse. Aufgrund mangelnder Vertrautheit mit dem Thema konnte ich es nicht gebührend würdigen. Immerhin habe ich noch in Erinnerung, daß es solide gearbeitet war und daß es die Kirchenväter in ihrer eigenen Aussageabsicht darstellte – und nicht etwa feministisch, marxistisch oder sozialkommunikationstheoretisch oder sonst irgendwie interpretierte bzw. mißinterpretierte. Für Zeiten wie diese ist das durchaus bemerkenswert.
Vor etwa vier Jahren nun wurde mir das gegenständliche Buch als Geschenk überreicht. Ich war davon sehr angetan.
Mittlerweile erschien es in dritter Auflage (2014).
Also haben es offensichtlich auch andere gut gefunden.
Da es sich um ein sehr gutes und wichtiges Buch handelt, hier etwas ausführlicher – wenngleich immer noch zu wenig.
Der Autor und sein Ansatz
Michael Fiedrowicz, geb. 1957 in Berlin, ist Priester des Erzbistums Berlin, Theologe, Philosoph und Philologe und derzeit Lehrstuhlinhaber für Kirchengeschichte, Patrologie und Christliche Archäologie an der Universität Trier.

Er ist offensichtlich gläubiger Katholik.
Er bekennt sich zum hermeneutischen Grundsatz des hl. Augustinus, demgemäß man sich heilige Texte nicht von denjenigen erklären lassen darf, „die ihren Verfassern aus irgendeinem Grunde den erbittertsten Kampf angesagt haben“ (10). (Für unheilige, lügenhafte Texte wäre natürlich der gegenteilige Ansatz erforderlich.)
Fiedrowicz hält an der kirchlichen Tradition fest, daß „die Eucharistie ihre einheitliche Grundgestalt im Kreise der Apostel empfing, noch bevor diese auseinandergingen, um aller Welt das Evangelium zu verkünden“, und also auch, bevor sich die verschiedenen Meßriten in West und Ost entwickelten (11).
Schließlich wird das ganze Werk von der Einsicht getragen, daß der volle Glaube nur in der traditionellen Liturgie bewahrt ist: „Unmissverständlich und unverkürzt bekundet die überlieferte Form der Messfeier, was die Kirche glaubt, seit jeher geglaubt hat und stets glauben wird“ (289).
Der Ansatz des Autors besteht also in der Einsicht, daß die wahre Wissenschaft den althergebrachten, katholischen Glauben immer fördert.
Das Buch
Aufgrund der Fülle des Materials hier nur eine summarische Darstellung und einige ausgewählte Themen. Bei den vielen zitierwürdigen Stellen sind Zitate unvermeidlicherweise willkürlich und „subjektiv“.
Das Werk teilt sich in drei Hauptteile.
Der erste behandelt die Geschichte der Entwicklung von den (historisch greifbaren) Anfängen im 2. und 3. Jahrhundert bis zu den (sehr behutsamen) Reformen des römischen Meßbuchs 1570 und später (zuletzt 1962).

In der Konfusion unserer Zeit ist derjenige Unterabschnitt von größter Bedeutung, der ganz bescheiden mit „Terminologie“ betitelt ist. Er klärt präzise die Ausdrücke „Alte Messe“, „Tridentinische Messe“, „usus antiquior“ u. dgl und deckt deren allfällige ideologische Implikationen auf. Gleichzeitig deutet er über die Fußnoten einen gewissen Zweifel an, daß man wirklich sinnvollerweise von einem Ritus in zwei Ausdrucksformen (nämlich usus ordinarius und usus extraordinarius) sprechen könne, wie es in Summorum pontificum geschieht. (Wenn das also nicht bloß eine „kirchendisziplinarische Formulierung“ (51) sein, sondern auch Wirklichkeit benennen soll, wie man als loyaler Katholik immer anzunehmen geneigt ist, dann wird man diese Terminologie als nicht ganz aufrichtig und bestenfalls als kirchenpolitischen Konstellationen geschuldete Fiktion empfinden.)
Eine gute Idee des Autors (von vielen) ist weiters die Heranziehung der sieben Kriterien, die der selige John Henry Newman für die (legitime) Entwicklung der Glaubenslehre formuliert hat. Er wendet sie auf die kontinuierliche Entwicklung der hl. Messe über die Jahrhunderte (exklusive des Meßbuches von Paul VI.) an, um zu schlußfolgern:
„Der klassische römische Messritus hat sich in seinem Kernbestand über 1500 Jahre organisch und kontinuierlich entfaltet. Seine fortdauernde Lebenskraft zeigte sich nicht zuletzt darin, dass noch am Vorabend des Vatikanum II tiefgreifende Veränderungen der Liturgie weder vom Kirchenvolk noch vom Pfarrklerus oder von den Bischöfen verlangt wurden“ (63).
Damit ist en passant auch die Propagandalüge widerlegt, mit der Katholiken und Nicht-Katholiken seit fünfzig Jahren zum Narren gehalten werden, nämlich, daß es am Vorabend des Konzils einen starken Wunsch nach einer Änderung des Meßritus gegeben hätte.
Der zweite Hauptteil behandelt in der Tradition älterer Meßerklärungen detailreich die Gestalt der Messe und ihrer Teile, sowie den Aufbau des Kirchenjahres und Fragen der Gebetsrichtung, der Sakralsprache und von Ritualität und Sakralität im allgemeinen.
Sehr prägnant etwa Grundsätzliches zur Sakralsprache:
„Gegen den Gebrauch einer Sakralsprache wird oft eingewandt, sie erschwere das Verständnis der liturgischen Texte und beeinträchtige die participatio actuosa der Gläubigen. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Liturgie nicht Ausdruck privater Frömmigkeit, sondern der öffentliche Kult der Kirche ist. Die Liturgie zielt primär auf die Verherrlichung Gottes und die Heiligung des Menschen. (…) Die Forderung nach einer verständlichen Volkssprache verkennt zudem, dass sich in der hl. Messe unaussprechliche Geheimnisse vollziehen, die kein Mensch vollkommen verstehen kann. (…) Dagegen täuscht die Umgangssprache eine Verständlichkeit vor, die in dieser Weise gar nicht gegeben ist“ (162).
Überaus wertvoll ist auch der subtile Abschnitt über den Reichtum der liturgischen Symbolik und deren Herkunft (204ff.). Wir lernen aus ihm, daß jeder („rationalistische“) Versuch, die Geltung symbolischer Handlungen auf deren historische Genese zu reduzieren, ein Irrtum ist. Wäre die Scholastische Logik heute noch weiter verbreitet, dann würde man um die Gefahr des Genetischen Trugschlusses eben Bescheid wissen – oder aber die Liturgiereformer der 60er Jahre hatten ohnehin bewußte Zerstörungsabsichten. Dieser Irrtum mündete jedenfalls in den Kahlschlag, der die heutige Liturgie des Westens (usus ordinarius) auszeichnet, nämlich besonders in die Abschaffung vieler Gesten, die die innere Haltung von Priester, Meßdiener und Gläubigen auch äußerlich ausdrücken und wiederum verstärken. Darum ist die Messe phänotypisch zu einer Art Vorlesung oder eher noch Sitzung geworden.
Der dritte Hauptteil geht auf die theologischen Implikationen der Messe ein, da – selbstverständlich – die Liturgie „gefeiertes Dogma“ ist, was heute aber teilweise explizit bestritten wird.
In diesem Teil werden zunächst die formal kunstvollen jedoch inhaltlich nüchtern-realistischen Orationen ausführlich auf ihren Gehalt untersucht und mit deren Banalisierung im Neuen Meßritus kontrastiert. Daraus geht beispielsweise etwa hervor, daß die Kirche auf Erden nicht einfach „das Volk Gottes auf dem Weg“ ist, wie es heutzutage harmlos-platt heißt, sondern „streitende Kirche“, ecclesia militans, da die böse Macht eben nicht zu wirken aufgehört hat – ganz im Gegenteil.
Darlegungen zum theologischen Gehalt der Lesungen, des – von den „Liturgiereformern“ besonders gehaßten – Offertoriums und des Römischen Kanon gehören – weiters – zur Kernthematik des Buches.
Das ganze Buch wird durch die Betrachtungen zum Grundsatz lex orandi – lex credendi gleichsam resümiert: „Die überlieferte Messe ist der in Jahrhunderten geformte Ausdruck und bewährte Garant dieses unversehrten Wissens der Gottesverehrung“ (293).
Tiefe Verwirrung bezüglich der „Abschaffung“ der Alten Messe
Interessant ist die Feststellung des Autors, daß das römische Meßbuch nirgendwo ausdrücklich abrogiert wurde. Auch Papst Paul VI. hat offenbar keinen derartigen Rechtsakt gesetzt. Darum konnte Benedikt XVI. 2007 feststellen, daß die „Alte Messe“ niemals abgeschafft war. Viele Zeitgenossen der „Liturgiereform“ werden diese Aussage als Hohn empfunden haben, da ja die kirchlichen Autoritäten den klassischen Meßritus tatsächlich verboten (so nach Romano Amerio etwa die französischen Bischöfe) und traditionstreue Gläubige und Priester massiv schikaniert hatten, letztere bis zum Verlust ihrer Anstellung.
Im übrigen wird sich jetzt, nach dem wie „freiwillig“ auch immer vollzogenen Rücktritt von Papst Benedikt XVI. und der konträren Politik von Papst Franziskus, zeigen, wie aufrichtig und nachhaltig die Hinwendung von Priestern und Gläubigen zur „Alten Messe“ in den Jahren nach 2007 gewesen war.
Fiedrowicz meint es für seine Person offenbar ernst, wie das Faktum der dritten Auflage in inopportuner Zeit zeigt.
Sehr einprägsam – und gleichsam als persönliches Bekenntnis:
„Mit der klassischen Messe ist es wie mit dem Betreten eines alten Gotteshauses: wer einmal einige Stufen emporgestiegen ist, das schwere Eingangsportal geöffnet hat, d.h. wer trotz mancher Widerstände, Vorbehalte oder sonstiger Schwierigkeiten einen Zugang gesucht hat, wird sich in einem heiligen Raum wiederfinden, der mit dem Ebenmaß seiner Proportionen, mit der Kostbarkeit seiner Materialien, mit der zentralen Stellung von Hochaltar und Tabernakel den Beter einfügt in eine vorgegebene Ordnung, die Halt verleiht, ihn herausführt aus dem Bereich des Profanen und Banalen, um die Nähe des Heiligen verspüren zu lassen, schließlich den Blick zentriert auf den, dem alle Liturgie letztlich gilt, auf Gott, wie er sich im Kreuzesopfer seines Sohnes zu erkennen gibt und im Sakrament des Altares unter den Menschen gegenwärtig bleibt“ (67).
Ein brisantes Spezialthema: Warum eine neue Bibelversion?
Von großer Tragweite ist im Zusammenhang mit den Bibelübersetzungen des Missale Romanum der Hinweis des Autors auf die Septuaginta.
Die schöne Rezension auf Summorum-Pontificum.de schreibt hierzu mit Blick auf ideologische Manipulationen:
Besonders lehrreich in dieser Hinsicht sind auch die Ausführungen zur Problematik der Psalmenübersetzung, für die sich die Modernisten bekanntlich lieber an der (jüngeren) hebräischen Version der masoretischen Tradition orientieren als an der in griechischer Sprache aufgezeichneten Septuaginta, die im 2. vorchristlichen Jh. entstanden ist und dem Glauben der Juden zur Zeit Jesu in vielem näher steht. Sie spiegelt nach Fiedrowicz […] „ein fortgeschrittenes Offenbarungsstadium wider“, „das eine ausgeprägte Messias-Erwartung, eine universale Heilsperspektive sowie eine vertiefte Eschatologie bzw. Auferstehungshoffnung besaß und daher eine Art ‚Vorbereitung des Evangeliums’ darstellte. (…) Vielfach läßt allein der Wortlaut der Septuaginta verstehen, warum und in welchem Sinn Sinne die Kirche einen bestimmten Text rezipiert und interpretiert hat. Nicht selten bildet gerade die Abweichung vom hebräischen Text den Grund für Verwendung eines Psalms an einer bestimmten Stelle der Liturgie.“ (S. 173 f)
Es wäre lohnend, der Frage nachzugehen, warum um alles in der Welt die nachkonziliare Kirche in der neuen lateinischen Version von Bibel und Brevier den überlieferten Text geändert hat – einschließlich die aus der Liturgie bekannten und vertrauten Verse. Ausgerechnet.
In Psalm 43,4 [42 Vg] der Nova Vulgata (zit. nach der Ausgabe Novum Testamentum et Psalterium iuxta Novae Vulgatae editionis textum, Libreria Editrice Vaticana 2002, mit einem Vorwort von Kardinal Joseph Ratzinger und der Apostolischen Konstitution zur Promulgation der Nova Vulgata von Papst Johannes Paul II. vom 25. April 1979) heißt es jetzt z. B.: „Et introibo ad altare Dei, ad Deum laetitiae exsultationis meae“ und in Ps 85,7 [84] steht plötzlich eine Frage: „Nonne tu conversus vivificabis nos (…)?“
Offenbar wollte man hier bewußt die Kontinuität brechen. Warum?
Es stellt sich die Frage, warum man auf den hebräischen Text der Masoreten zurückgreift (Einheitsübersetzung) und damit das Verheißungs-/Erfüllungsschema, also die Kontinuität zwischen Altem und Neuem Testament, gerade abschwächt (!). Die Frage ist ja, was im ursprünglichen hebräischen Text wirklich geschrieben steht. Diesen Text haben wir eben nicht. Wir haben nur den masoretischen Text (Biblia hebraica stuttgartensia) und einige Schriftrollen von Qumran, die aber die Septuaginta unterstützen.
Die unabweisbare Frage ist also, ob die mittelalterlichen Rabbiner mehr als nur die Vokalisierung des Konsonantentextes durchgeführt haben. Denn – um ein relevantes Beispiel zu nennen – zwischen „Grab“ (Ps 16,10 nach der Einheitsübersetzung) und „Verwesung“ (diaphthorá, corruptio – derselbe Psalmvers in Apg 2,27.31 nach der Septuaginta bzw. Vulgata zitiert und dementsprechend interpretiert!) ist doch ein relevanter Unterschied (ganz abgesehen von der neuen Numerierung, die zu Konfusionen führte). Stand „Grab“ ursprünglich im Text – oder handelt es sich um eine bewußt antichristlich motivierte Fälschung durch die Masoreten, um die Beziehung von Ps 16 [15 Vg] auf Jesus Christus zu unterminieren? Und warum breitet sich genau diese Tendenz plötzlich in der Kirche aus?
Die Beweislast trägt selbstverständlich der Veränderer. Wir würden also die kirchliche Obrigkeit um eine schlüssige Begründung für diese Neuerungen ersuchen.
Klarerweise würde eine erschöpfende Darstellung dieses Problemfeldes den Rahmen des Buches sprengen. Auch der Rezension.
Aber klar ist auch, daß die Liturgie ein ideologisches Schlachtfeld ist. Die Einmischung in die Frage der Karfreitagsfürbitte für den „Außerordentlichen Usus“ im Jahr 2008 von jüdischer Seite machte das schlaglichtartig deutlich.
In diesem Sinn muß es als verdienstvoll gewertet werden, daß der Autor das Problem thematisiert. Als interessierter Leser hofft man auf dessen ausführlichere Erklärungen in der näheren Zukunft.
Resümee
Das Buch ist ein Fachbuch, was aber nicht bedeutet, daß es nicht popularisierbar wäre. Mit über 900 Fußnoten und fremdsprachigen Zitaten setzt es beim Leser zwar Geläufigkeit in der Lektüre wissenschaftlicher Abhandlungen voraus. Andererseits ist es in gutem und flüssigem Deutsch gehalten, immer interessant und ohne unnötige Komplikationen.
Das Buch enthält sich jeder Polemik (die jedoch bekanntlich fallweise durchaus angebracht sein kann) und läßt den Glanz der Wahrheit auf spirituell und wissenschaftlich hochstehende Weise aufstrahlen.
Es greift unbefangen auch auf in offiziellen Kirchenkreisen nicht immer wohlgelittene zeitgenössische Autoren (Walter Hoeres, Robert Spaemann, Heinz-Lothar Barth, Roberto de Mattei, Martin Mosebach) zurück und bringt verdienstvollerweise einen der bedeutendsten Hagiographen des 20. Jahrhunderts, den protestantischen Schweizer Kirchenhistoriker und Meister der deutschen Sprache Walter Nigg („ 1988), ins Spiel, der bekanntlich in der nachkonziliaren Verwüstung auch viele Katholiken mit den Heiligen vertraut machte (so auch den Rezensenten).
Ein sehr sorgfältig gearbeitetes und umfangreiches Literaturverzeichnis sowie Personen- und Sachregister machen das Werk zum Handbuch und Nachschlagewerk.
Wenn man als Rezensent auch aus Gründen der Vollständigkeit nach Kritikwürdigem suchen muß, wird man nicht fündig. Sicher könnte man fragen, warum Fiedrowicz die von ihm herangezogene Konzilskonstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium nicht kritischer analysiert. Oder warum er den Bruch der Liturgie Bugninis und das Komplott der „Liturgiereformer“ nicht thematisiert. Die Antwort darauf wird lauten: Weil das nicht Thema des Buches ist. Allenfalls wird man den Ausdruck „erneuerte Gestalt“ (10) als etwas unglücklich formuliert empfinden – zumal im Kontext der weiteren Ausführungen.
Man wird das Buch allen empfehlen können, die gewillt sind, etwas Mühe auf sich zu nehmen, um sich das nötige Wissen über die wahre cultura, über die von Gott selbst gestiftete und gewünschte, somit auch dem Menschen angemessene und ihn geistig erfüllende Gottesverehrung, zu verschaffen. Es sei besonders Geistlichen und Theologiestudenten ans Herz gelegt, damit sie die Katastrophe der „erneuerten Liturgie“ bzw. „Liturgiereform“ von 1969/70 in ihrer vollen Tragweite erfassen und zu überwinden helfen.
Schließlich sei es den Bischöfen des deutschen Sprachraums ans Herz gelegt, in deren Diözesen Trivialisierung, Liturgiemißbrauch und nackte Apostasie nicht nur „von selbst“ wuchern, sondern von diözesanen Gruselkabinetten verbreitet und angeordnet werden. Vielleicht findet der eine oder andere Oberhirte doch noch auf den rechten Weg. –
Dank und Anerkennung gebühren daher dem Autor, sowie dem Verleger, der sich in diesem Apostolat ja immer auch einem wirtschaftlichen Risiko aussetzt, und dem Lektorat, das wiederum hervorragend gearbeitet hat.
Dank schließlich an Hochwürden M., dem ich die Kenntnis dieses Buches überhaupt verdanke.
Deo gratias.
Michael Fiedrowicz, Die überlieferte Messe – Geschichte, Gestalt, Theologie des klassischen römischen Ritus, 3., aktualisierte Auflage, Carthusianus-Verlag, Mühlheim/Mosel 2014 (www.carthusianus.de), 312 S.; 38,- [A]
*MMag. Wolfram Schrems, Linz und Wien, katholischer Theologe, Philosoph, Katechist, erst vor wenigen Jahren zur Überlieferten Liturgie gelangt
Bild: Una Fides
Passend zum Artikel eine Schilderung von Hw Pater Deneke von der Petrus-Bruderschaft FSSP aus dem Jahre 2007 über seine erste Begegnung mit der hl. Messe der Jahrhunderte – der Alten Messe. Es ist gleichzeitig ein leidenschaftliches Plädoyer für dieses Wunderwerk des Glaubens, der überlieferten Messe:
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„Erste Begegnung mit der „alten Messe“
Es sind allem voran bestimmte Begegnungen,
die unserem Leben Richtung und Prägung geben. Begegnungen,
die aus dem flüchtigen Grau-in-Grau des Alltags hervorstechen.
Die ihr Zeichen tief in Seele und Herz drücken.
Und die uns wie verwandelt entlassen.
Rückblickend erkennen wir sie als Fügungen göttlicher Vorsehung;
als Wege der Gnade hin zum Leben in Fülle.
Die bescheidene Begegnung, von der hier die Rede sein soll,
ereignete sich vor nun etwa 22 Jahren in einer Kapelle.
Deren Besonderheit liegt nicht in hohem Alter und bedeutenden Kunstschätzen,
sondern darin,
daß sie zur Versammlungsstätte jener Katholiken geworden ist,
die die heilige Messe im „alten Ritus“ besuchen wollen.
Der Verfasser dieser Zeilen hatte eigentlich keine Veranlassung,
sich in den Kreis solcher Außenseiter zu begeben.
Selbst Ministrant in seiner Pfarrei und aktiv in deren Jugendgruppen,
war er im „normalen“ kirchlichen Leben zuhause
und vertraut mit der Form des Gottesdienstes,
die er von Kindertagen an als einzige kennengelernt hatte.
Warum etwas Neues, auch wenn es das Ältere wäre?
Aber einige Vorkommnisse, teils abschreckender,
teils erfreulicher Art, trieben zur Suche an und drängten
mit wachsender Eindeutigkeit auf den Pfad der Tradition.
So erlebte er auf der einen Seite die offene In-Frage-Stellung
von Glaubenswahrheiten im Religionsunterricht
und Abstoßendes in der Jugendarbeit und in Jugendgottesdiensten,
an deren Gestaltung er selbst Anteil hatte.
Auf der anderen Seite standen Begebenheiten,
die neue Horizonte eröffneten:
eine intensiv religiöse Wallfahrt,
die Entdeckung und Pflege „altertümlicher Frömmigkeitsformen“
(besonders des Rosenkranzgebetes)
sowie die Lektüre wahrhaft katholischen Schrifttums.
Zum ersten Mal wurde der Glaube hier in seiner erregenden Größe und Schönheit,
in seinem bindenden und bannenden Anspruch erfahren.
Schwindelerregend hoch und abgrundtief,
erhaben und innig zugleich erschien
die Lehre von der eucharistischen Gegenwart Jesu
und von der
unblutigen Vergegenwärtigung Seines Liebes- und Lebensopfers
in der heiligen Messe.
Warum nur waren dem praktizierenden und engagierten Jugendlichen
alle diese Wahrheiten so lange beinahe vollständig vorenthalten geblieben?
Und wo fanden sie überhaupt einen angemessenen Ausdruck?
Im gewohnten gottesdienstlichen Leben jedenfalls war davon wenig auszumachen.
Trotz – oder vielmehr: wegen? – der vielgepriesenen „Verständlichkeit“ der neuen Liturgie.
So wurde der Wunsch unabweislich, das, was bisher nur vom Hörensagen her bekannt war,
mit eigenen Augen und Ohren mitzuerleben:
die „alte Messe“.
War sie, die von den Bauleuten Verworfene,
nicht schon durch die bloße Kunde zum Eckstein im Herzen des Suchenden geworden?
Fast immer erspäht der junge Mensch in neuer Umgebung zuerst,
was er denn da für Leute um sich habe.
Erfreulich war die Entdeckung, daß sich in der Kapelle alle Altersstufen einfanden;
und daß es sich keineswegs um lauter religiöse Fanatiker
und frömmelnde Exzentriker (die es natürlich auch gab) handelte.
Die Formen der Ehrfurcht, im pfarrlichen Leben
auf ein kaum noch zu unterbietendes Minimum reduziert
und nur von wenigen Randexistenzen beibehalten,
hatten bei diesen Gläubigen so gar nichts Übertriebenes an sich.
Reine Selbstverständlichkeiten.
Und dann die heilige Messe selbst.
Der Neuling sah sich einer eigenen Welt gegenüber.
Die war ihm noch weithin verschlossen.
Aber in ihrer erfüllten Stille und im erahnten Tiefsinn der Zeichen übte sie
eine unaufdringliche und zugleich kraftvolle Anziehung aus.
Bis auf die Predigt, weit und wogend wie das Meer,
machte dieser Gottesdienst nicht den Eindruck eines Vortrages von Mensch zu Mensch,
sondern einer Handlung, genauer noch: einer Begegnung.
Die Haltung und Ausrichtung des Zelebranten, der Ministranten und Gläubigen
ließen keinen Zweifel mehr darüber, wer da im Mittelpunkt stand.
Es fiel gar nicht schwer,
an die wirkliche und persönliche Gegenwart des Erlösers in Seinem Opfer zu glauben.
Alles redete ja davon.
Alles lenkte die Aufmerksanikeit auf Ihn hin.
Anstatt seine Person hervorzuheben,
verschwand der Priester nahezu.
Er tauchte gleichsam in dem liturgischen Vollzug unter und ging völlig auf
in der Stellvertretung des einen Hohenpriesters Jesus Christus.
Aus der Hinwendung zum „Geheimnis des Glaubens“ heraus wandte er sich dann
auch den Gläubigen zu.
Aber ohne den Blick auf den Herrn zu verstellen.
Keine störenden subjektiven Einlagen.
Die heilige Messe hatte nicht das Gesicht ihres menschlichen Zelebranten.
Sie war theozentrisch, christozentrisch.
Endlich hatte der Sucher den Ausdruck jenes eucharistischen Glaubens,
der aus den Worten und Gebeten der Heiligen spricht, gefunden!
Wohl waren die Zelebrationsrichtung, die lateinische Kultsprache
und die lang empfundenen Phasen des Schweigens für den an Verständlichkeit
und Abwechslung gewöhnten Meßbesucher zunächst fremdartig.
Durch den Entzug äußerer Beschäftigungen
sah er sich plötzlich auf sein eigenes,
armes Inneres zurückgeworfen:
auf die Leere, den schwachen Glauben, die verkümmerte Fähigkeit zur Anbetung…
Doch gerade dadurch kam auch die Einsicht:
Die heilige Messe ist eben ein Mysterium;
ein Geheimnis,
das nicht dem Fassungsvermögen des Menschen angepaßt werden darf,
sondern dem sich dieses Fassungsvermögen durch die Gnade und eigenes Bemühen
mehr und mehr anpassen soll.
Der innerste Mittelpunkt des Glaubenslebens
kann nicht nach den Maßstäben Fernstehender gestaltet werden.
Nur dem gläubigen Mitvollzug erschließt er sich nach und nach.
In das wahrhaft Große wächst man erst mit der Zeit hinein.
Der Blick muß geläutert, das übernatürliche Sensorium geschärft werden.
Dann beginnt das Abenteuer immer neuer, immer noch herrlicherer Entdeckungen.
Diese erste Begegnung läutete für den Verfasser eine Entdeckungsreise ein,
die bis heute kein Ende gefunden hat.
Auch die spätere „Gewöhnung“ an den traditionellen Meßritus im Priesterseminar
und als Priester hat daran nichts geändert.
Während das Moderne in seiner Ausrichtung auf den „Menschen von heute“ veraltet,
offenbart das Alte sich in ewiger Jugend,
Pdenn es ist in erster Linie ein
„Hintreten zum Altare Gottes, zu Gott, der meine Jugend erfreut“ (Stufengebet der hl. Messe).
In der Begegnung mit diesem Wunderwerk des Glaubens
findet das abenteuerliche Herz, was es sucht:
den unerschöpflichen Reichtum des Lebens
in der Begegnung mit dem Herrn.“
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Und warum hat dann Pius X. geglaubt, er müsse eine liturgische Reform durchführen? Und noch schlimmer: Warum stand Pius XII. unter einem solchen Druck durch die „liturgische Bewegung“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Liturgische_Bewegung), dass er sogar in „Mediator Dei“ meinte dazu etwas sagen zu sollen, nämlich die grundsätzliche Möglichkeit, die alte Liturgie zu verändern signalisierte?
Ebenso hat Paul VI. sehr wohl „Gehorsam“ verlangt, als er die neuen Messe einführte. Ein formelles „Abrogieren“ war nicht notwendig angesichts seiner klaren Worte – seine Worte sind Abrogation an sich selbst:
„Schließlich muss man sich bewusst werden, dass die liturgische Erneuerung, die das Konzil beschlossen hat, Sache der ganzen Kirche ist. (…)
Das liturgische Gebet der Kirche ist entstanden aus lebendiger geistlicher Überlieferung, die in die ältesten Zeiten zurückreicht. Die gegenwärtige Reform zielt darauf hin, diese Tradition fortzusetzen. Indem das geschieht, muss jedoch offenbar werden, dass die Erneuerung des Gottesdienstes ein Werk des ganzen Gottesvolkes in seinen verschiedenen Ordnungen und Diensten ist. Nur im einmütigen Zusammenwirken aller gemäß der vorgegebenen ekklesialen Struktur liegt die Garantie für die Authentizität und den Erfolg der Reform. (…)
Daher sollen vor allem die Seelsorger, getragen vom Geist des Glaubens, bereitwillig die kirchlichen Gesetze und Vorschriften befolgen. Sie sollen Eigenwilligkeiten aufgeben, persönliche Neigungen zurückstellen und Diener der gemeinsamen Liturgie sein…“ (http://www.kathpedia.com/index.php?title=Liturgicae_instaurationes_%28Wortlaut%29)
Es ist nicht sachdienlich, hier Wortklauberei zu betreiben und nun die Illusion zu nähren, auch Benedikt hätte den alten Ritus als nach wie gebräuchlich-gültigen hingestellt.
Das hat er definitiv nicht! Er sieht den NOM in Kontinuität zum alten Ritus, beide seien „ein und derselbe Ritus“. Das heißt, Benedikt sieht wie Paul VI. gewissermaßen „hinter“ den Riten eine Art „Geistritus“, der jeder Reform zugrunde liege. In dem Sinne kann also – das ist die Logik dieses Denkens – ein älterer Ritus nicht abrogiert werden oder als ungültig erklärt werden wie ein abgelaufener Ausweis! Hier beruft sich Paul ebenso wie Benedikt auf die traditionelle „regula fidei proxima“, was grundsätzlich ja richtig, hier aber missbräuchlich in der Sache ist: gemacht wird in der ganzen Kirche nicht irgendetwas, nur weil es alt oder „Tradition“ ist, sondern weil das aktuelle Lehramt es vorschreibt. Das ist tatsächlich so auch Lehre der Kirche.
Alleine aber diese Vorstellung des zeitlosen „Geistritus“ hinter verschiedenen Riten qualifiziert das Denken beider als charismatisch und nicht mehr katholisch. Denn gerade die lex orandi als Ausdruck der lex credendi unterliegt eben nicht der regula fidei proxima, sondern der Papst muss sich hier selbst unterwerfen – und hier liegen die Missbräuchlichkeit und der Haken an der Sache…
Die Frage stellt sich doch wohl, warum ausgerechnet im abgelaufenen 20 Jh. der überlieferte Ritus so weithin fallen gelassen worden ist. Wenn er ja so richtig und gut war (und ist), warum diese Distanzierung und Abneigung dagegen?
Hat der Mensch, haben sich die Menschen verändert? Das kann man doch verneinen. Der Mensch und seine Erlösungsbedürftigkeit haben sich nicht geändert, auch wenn das von interessierten Kreisen anders gesehen werden mag. Das betrifft ja auch deren Argumentatiion für die Aufweichung und Abschaffung von Sakramenten in der aktuellen „Diskussion“ bzg. der Ehe usw.
Ganz gewiß ist, daß sich geistige Veränderungen vollzogen- auch gerade in der Kirche selbst. Und die Überlieferte Messe war offenkundig nicht ganz ein Heilmittel dagegen.
Die Veränderungen in der Kirche hattenen ihren Ursprung vor allem bei Theologen und Geweihten. Die Messe wurde ideologisiert, schon im 19. Jh. und wird auch heute ideologisiert sowohl von den einen wie auch von den „anderen“, den Streitern für den „NO“. Irgendwas ist schief gelaufen und läuft weiterhin schief. Die Krise ist ja noch nicht überwunden.
Ein neues Bewußtsein müßte sich in der Kirche Platz verschaffen: ein „einfaches“, „armes“ Christentum. Eine demütige Haltung eines „Dominus non sum dignus“ und dann würde auch der Überlieferte Ritus wieder wirklich aufblühen können zum Heil aller Menschen m. Er.
Sie schreiben:
„Die Messe wurde ideologisiert, schon im 19. Jh. und wird auch heute ideologisiert sowohl von den einen wie auch von den „anderen“, den Streitern für den „NO“.“
Würde mich interessieren, wie Sie das meinen – zumal der Kampf um die Hl. Messe bzw. das hl. Messopfer ja an sich im 16. Jh (im Zsh. mit der Reformation) geführt wurde.
Wenn man z.B. Benedikt liest, gewinnt man den Eindruck, der modernistische Katholizismus wolle sagen: Die Reformation hatte wohl doch recht, jedenfalls ein bisschen, und ab heute betonen auch wir das Liebesmahl und weisen das Sühneopfer in seine Grenzen. Das kann man als perfekten Weg zur ökumenischen Vereinigung ansehen.
Wenn es aber „nur“ ein Liebesmahl ist, gibt es keinen rechten Sinn mehr, an die Transsubstantiation zu glauben. Letztere ist logisch begründet in der unblutigen Erneuerung des Opfers, das aber real, zentral und konkret gedacht sein muss – nicht igrendwie „im übertragenen“ Sinn.
Was wurde dann im 19. Jh Ihres Erachtens zur „Ideologie“?
Vielen Dank Herr Schrems für diese wunderbare Besprechung. Ich habe mit das Buch soeben bestellt.
Falls es noch jemand bestellen möchte: bei Amazon ist es anscheinend schon wieder vergriffen, beim Sarto-Verlag ist es noch erhältlich.