(Berlin) In der Volksrepublik China werden Kirchen durch die kommunistischen Machthaber abgerissen, weil sie das Christentum als Feind betrachten und niemand neben sich dulden wollen. In Frankreich sollen laut einem Parlamentsbericht in den kommenden Jahren bis zu 2800 Kirchen abgerissen werden, weil die Gläubigen und Priester fehlen und vor allem das Geld, um die Kirchengebäude zu erhalten.
Aber auch in Deutschland kommt die Abrißbirne zum Einsatz. Jüngstes Beispiel ist die westfälische Kleinstadt Greven. Gleich zwei Kirchen sollen dem Bagger zum Opfer fallen.
In wenigen Tagen werden die Kirchen St. Josef und St. Mariä Himmelfahrt ersatzlos abgerissen. Anstelle von St. Josef wird eine Mehrzweckhalle gebaut, in der „auch“ Gottesdienst gefeiert werden soll.
Beide Kirchen entstanden unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, als im zerbombten Deutschland, in dem auch Millionen von Vertriebenen aus den Ostgebieten, dem Sudetenland und aus den deutschen Sprachinseln in Ost- und Südosteuropa angesiedelt werden mußten, Wiederaufbau geleistet wurde.
Erbaut wurden die Kirchen in den Jahren 1951–1953 mit den Spenden und der Arbeitsleistung der Gläubigen. Es war die Zeit des Wiederaufbaus. Das Geld war knapp, aber man war wieder hoffnungsvoll.
Von den Katholiken, die damals an der Erbauung mitgewirkt haben, sind noch etliche am Leben. Sie können es nicht glauben, daß „ihre“ Kirche abgerissen werden soll. Unter ihnen herrschen Enttäuschung, Verbitterung und Verzweiflung.
In einem Leserbrief an eine Lokalzeitung schrieb einer von ihnen:
„„Es ist schwer zu verstehen, zwei Grevener Kirchen sollen nicht einmal eine Generation überstehen“.
Aus der Kirche Mariä Himmelfahrt, erbaut 1951/1952, wurden 2013 die Kirchenbänke entfernt und durch bunte Stühle ersetzt. Die Kirche wurde zur „Jugendkirche Mary’s“ umfunktioniert mit Schwerpunkt „Licht- und Lärmveranstaltungen für Jugendliche“. Das Konzept, mehr Jugendliche und junge Erwachsene in die Kirche zu holen, ging aber nicht auf, darum soll die Kirche nun ganz verschwinden.
Gläubige wegmobben, Kirche abreißen
Wer es mit dem Glauben ernst meint, dem blutet dabei das Herz. Das gilt auch für die Grevener Katholiken. Sie können die Abriß-Politik nicht verstehen. Zuerst wird das Allerheiligste beiseite geschoben, die Liturgie immer mehr entstellt, dann wird der Kirchenraum zur Konzert- und Ausstellungshalle und am Schluß, wenn der letzte Gläubige weggemobbt wurde, bleibt nur noch der Abriß.
Die Begründungen für den Abriß der zuständigen Kirchenvertreter sprechen für sich. Kaplan Ralf Meyer bezeichnete im Weihnachtsfestkreis 2017 Kirchen als „ein Haufen Steine“.
Der Grevener Pfarrer Lunemann meinte: „Wir haben hier nicht die Bude voll“, als die Zahl der Kirchgänger in Maria Himmelfahrt weiter zurückgegangen war, nachdem die alten Kirchenbänke und andere Teile der sakralen Kunst aus der Kirche entfernt worden waren. Die Gläubigen reagieren eben auf ihre Art: Sie übersiedeln in eine andere Kirche. Zahlreiche ältere Katholiken, die den weiten Weg nicht schaffen, bleiben zu hause.
„Es geht uns nicht nur um den Gottesdienst“
Am 18. August nannte der Generalvikar des Bistums Münster, Msgr. Norbert Köster gegenüber dem Nachrichtensender n‑tv eine Prioritätenverschiebung:
„Es geht uns nicht nur um den Gottesdienst“.
Es fehlt nicht an Stimmen, die hinter solchen Stellungnahmen nicht einen Einzelfall, sondern ein Programm sehen.
Michael Hüttermann, Verwaltungsreferent der Pfarrgemeinde St. Martinus, hatte bereits im Vorjahr auf Kritik zu den Beschlüssen „von Kirchenvorstand und Bistum“, das ganze Areal „um die Josefskirche zu entwickeln“ mit den Worten reagiert: „Wir gehen diesen Weg“. Man werde eine „Superkirche“ bauen.
Nun meinte er am 16. August gegenüber der Grevener Zeitung zum Dauerprotest gegen den Kirchenabriß:
„Ansonsten ist uns das mittlerweile egal, wir lassen uns nicht verrückt machen.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Jens Falk