Am 12. November kam das Buch „El último cónclave“ („Das jüngste Konklave“) von Elisabetta Piqué und Gerard O’Connell, sie Argentinierin, er US-Amerikaner, beide beruflich Vatikanisten und zudem ein Ehepaar, das dem engen bergoglianischen Umfeld zuzurechnen ist, in den Buchhandel, das romanartig ein Tagebuch des Konklaves von 2025 erzählt. Die Bergoglianer versuchen seit Mai den neuen Papst für sich zu reklamieren: nur ein durchschaubares Spiel, um von ihrem Einfluß zu retten, was zu retten ist, oder Tatsache, weil Leo XIV. nur die höflichere und zurückhaltendere Neuauflage Bergoglios ist? Äußerlich in neuen Kleidern und besserem Auftreten, aber inhaltlich doch nur ein Franziskus 2.0?
Der US-amerikanische Blogger Chris Jackson von Bigmodernism/Hiraeth in Exile hat sich das Buch näher angeschaut, das mit Blick auf die Autoren mit dem eben genannten Vorbehalt zu lesen ist:
Hinter den Kulissen des Konklaves: Mozzetta für die Rechte, Synodalität für die Linke
Das Buch „El último cónclave“ („Das jüngste Konklave“) von Elisabetta Piqué und Gerard O’Connell versteht sich als Tagebuch des Konklaves von 2025, das als „Megaereignis“ voller Intrigen beschrieben wird, mit Fraktionen, die bemüht sind, die „harte Arithmetik“ herauszufordern. In romanartigem Tempo geschrieben von zwei Vatikanjournalisten, die beide persönlich sehr eng mit Franziskus verbunden und ihm organisch zugehörig sind, bietet es folgende Lesart an: Leo XIV. sei die „letzte Überraschung“ Bergoglios gewesen, „für fast alle unerwartet“, eine Art dramaturgische Wendung, die die Autoren für providentiell halten.
Zur Bestätigung zeichnen Piqué und O’Connell die Anfangsphase der neuen Regentschaft als eine Reihe von „Indizien“ für ein Pontifikat, das sich „in der Form“, aber „nicht in der Substanz“ vom vorherigen unterscheide. Eine Einschätzung, die für sie selbstverständlich beruhigenden Charakter hat.
Zentrales Element des Buches ist das geringe übernatürliche Gewicht, das dem gesamten Geschehen beigemessen wird. Die Autoren leugnen das Vorhandensein geistlicher Elemente nicht, doch letztlich wird alles auf das Management von Koalitionen reduziert: ein Zusammenstoß zwischen „Rigoristen“, „Diplomaten“ und unterschiedlichsten Interessen, ein Spiel von Allianzen auf dem Schachbrett.
Das „unerwartete“ Ergebnis wird ausschließlich in Management-Kategorien erklärt. Prevost setzt sich durch, weil er „unter dem Radar“ geflogen ist, davon profitierte, kein mediales Fixobjekt gewesen zu sein, und so der vorbeugenden Kontrolle entging. Der Vergleich mit 2013 ist aufschlußreich: Auch Bergoglio blieb im Verborgenen, dann plötzlich der weiße Rauch – und von da an die „pastorale“ Revolution. In der vom Buch rekonstruierten Welt bleibt für den Heiligen Geist kaum Platz. Es siegt der Kandidat, der vor allem nach den Logiken des Mediensystems am besten positioniert ist.
Eines der Kapitel, mit dem Titel „Externe Einmischungen“, schildert, wie Bishop Accountability (eine Website, die sich mit der Mißbrauchskrise im katholischen Klerus befaßt) zwei wichtige Papabili ins Visier genommen habe, Parolin und Tagle, und die Welt davor warnte, sie wären aufgrund ihrer Vergangenheit im Umgang mit Mißbrauchsfällen „schlechte Entscheidungen“. Willkommen in der heutigen Welt: Bei der Wahl eines neuen Papstes ist nicht mehr die Lehre die tragende Achse, sondern das Management von Skandalen. Und wenn das Management von Skandalen entscheidend wird, steht die Institution schachmatt gegenüber jedem, der Dokumente, Leaks, Schlagzeilen und Zeitpunkte kontrolliert. Das System braucht keinen geschätzten Kandidaten, der aufgrund seiner Fähigkeiten als geeignet gilt. Es braucht einen Kandidaten, der schnell „verkauft“ werden kann und nicht bereits durch Zeitungsüberschriften vorbeschädigt ist. In der modernen Ära wird das „Unauffälligbleiben“ zur eigentlichen Voraussetzung, zu einer Art Sakrament für den weißen Rauch.
Doch wenn die „externe Einmischung“ stark ist, ist der interne ideologische Druck nicht weniger bedeutsam. Im Kapitel „Gegenangriff“ definiert der progressive Block offen sein Ziel: sicherzustellen, daß es kein „Zurück“ vom „reformistischen Weg“ des Franziskus gibt, und verlangt ein „prophetisches Profil“.
Theologie? Wenn sie vorhanden ist, ist sie trostlos. Die Frage ist nicht, was Christus gewollt und eingesetzt hat, sondern was in einer Kirche, die inzwischen nichts anderes mehr ist als eine globale Nichtregierungsorganisation, als gerecht erscheint.
Das Konklave 2025 wird als Kampf erzählt darum, ob das nächste Regime das synodale Rebranding – den Erneuerungsprozeß der Marke auf dem Markt – vollenden oder eine vage definierte „Restauration“ dessen Verlangsamung erlauben wird.
Nach der Wahl Prevosts werden in der Kurie jene Beamten, die mit Parolin gerechnet hatten, als „fassungslos, gelähmt, geschlagen“ beschrieben. Doch ein Monsignore flüstert: „Wir werden ihn [Leo XIV. ] zu einem von uns machen.“ Das Papsttum nicht mehr als ein Amt, das die römische Kurie leitet, sondern als ein Amt, das von der römischen Kurie absorbiert und verwaltet wird. Und – wohlgemerkt – im Buch wird diese Situation positiv gesehen, nicht als Risiko, sondern als institutioneller Fortschritt.
Die Autoren verweilen ausführlich bei Kleidungs- und Stilentscheidungen des neuen Papstes, denn in ihrer Welt ist das Image alles. Anders als Franziskus entscheidet sich Leo dafür, wieder die Mozzetta zu tragen, und das Buch beeilt sich zu betonen, dies sei eine Botschaft an die Konservativen. Später dieselbe Logik: die Rückkehr in den Apostolischen Palast, das Tragen eines goldenen Brustkreuzes, der Austausch des Fiat 500 gegen einen schwarzen SUV, die Erteilung eines lateinischen Segens an Journalisten. Hat das etwas mit der Vision des Papstes zu tun? Nein, es dient lediglich der „enormen Zufriedenheit“ der Konservativen, die registriert wird.
Alles ist Technik des Managements. Die Entscheidungen haben nichts mit Lehre oder Theologie zu tun. Sie verschaffen Zeit, bringen den Widerstand zum Schweigen, erzeugen die Illusion einer Restauration, während die Substanz unangetastet bleibt.
Das Buch spricht auch vom Strudel weltweiter Einflußnahmen. Es erwähnt Berichte über ein „Komplott“ Macrons an der Seite von Sant’Egidio zur Förderung eines eigenen Favoriten. Es zählt Abendessen und Gästelisten auf. Alles wahr? „Vielleicht“. Vielleicht gibt es Einfluß. Vielleicht gibt es Manipulation. Vielleicht ist das Heilige nur Politik. Der Leser wird dazu gebracht, Mehrdeutigkeit als Normalzustand zu betrachten, weil sich die Institution Klarheit nicht leisten kann.
Das Buch übergeht auch nicht die Geschichten von Mißbrauch und Machtkämpfen in Peru, insbesondere rund um die Bewegung Sodalicio de vida cristiana, die von Bergoglio nach einer Untersuchung über eine Reihe von Mißbräuchen aufgelöst wurde. Eine Quelle sagt, die gegen Prevost erhobenen Vorwürfe seitens Sodalicio seien „erfunden“ und „völlig falsch“ gewesen, eine Vergeltung für das Eingreifen des Vatikans. Sie fügt hinzu, Prevost habe „im Stillen“ gehandelt, um den Opfern zu helfen und zu vermitteln. Die strukturelle Krise interessiert nicht. Man stellt fest, Prevost sei „ruhig“ geblieben und habe sich „pragmatisch“ gezeigt.
„El último cónclave“ ist nicht nur ein Buch über das jüngste Konklave. Es ist vor allem eine Röntgenaufnahme dessen, was der postkonziliare Apparat als Ganzes glaubt, was das Papsttum geworden ist.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Buchhandel

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