Rückkehr des überlieferten Ambrosianischen Ritus

Erstmals seit der Liturgiereform wurde über dem Grab des heiligen Kirchenvaters wieder die alte Messe zelebriert


Am vergangenen Sonntag wurde erstmals seit der Liturgiereform vor einem halben Jahrhundert wieder der überlieferte Ambrosianissche Ritus in der altehrwürdigen, dem Kirchenvater geweihten Basilika in Mailand zelebriert
Am vergangenen Sonntag wurde erstmals seit der Liturgiereform vor einem halben Jahrhundert wieder der überlieferte Ambrosianissche Ritus in der altehrwürdigen, dem Kirchenvater geweihten Basilika in Mailand zelebriert

Am Gau­de­te-Sonn­tag, dem 14. Dezem­ber 2025, wur­de in der alt­ehr­wür­di­gen Basi­li­ka Sant’Ambrogio in Mai­land wie­der eine Hei­li­ge Mes­se im über­lie­fer­ten Ambro­sia­ni­schen Ritus zele­briert – ein Ereig­nis, das seit Jahr­zehn­ten in die­ser Form nicht mehr in die­ser bedeu­ten­den Kir­che statt­fand und daher zahl­rei­che Gläu­bi­ge anzog.

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Die Basi­li­ka war über­füllt, vie­le stan­den, mehr als 1.000 Teil­neh­mer gezählt, dar­un­ter eine bemer­kens­wert gro­ße Zahl jun­ger Men­schen. Die 800 gedruck­ten Meße­zet­tel waren schnell ver­grif­fen, und die kon­se­krier­ten Hosti­en reich­ten nicht aus – ein deut­li­ches Zei­chen der star­ken Teilnahme.

Die­se Zele­bra­ti­on mar­kier­te nicht ein­fach ein ein­ma­li­ges Ereig­nis in der Advents­zeit: Sie steht für einen spür­ba­ren Wan­del im Umgang mit dem über­lie­fer­ten Ambro­sia­ni­schen Ritus, der in Mai­land tief ver­wur­zelt ist.

Was ist der Ambrosianische Ritus?

Der Ambro­sia­ni­sche Ritus ist eine eigen­stän­di­ge Form der latei­ni­schen Lit­ur­gie inner­halb der römisch-katho­li­schen Kir­che, benannt nach dem Kir­chen­va­ter Ambro­si­us, dem hei­li­gen Bischof von Mai­land, der die Diö­ze­se von 374 bis zu sei­nem Tod 397 lei­te­te. Ambro­si­us war es, der den hei­li­gen Augu­sti­nus, einen wei­te­ren Kir­chen­va­ter, im Jahr 387 tauf­te. Die Tauf­stel­le unter­halb des heu­ti­gen Mai­län­der Doms kann heu­te besich­tigt werden. 

Der auf den hei­li­gen Ambro­si­us zurück­ge­hen­de Ritus unter­schei­det sich in Kalen­der, Lit­ur­gie und musi­ka­li­scher Tra­di­ti­on vom Römi­schen Ritus und wird in der über­wie­gen­den Mehr­heit der Kir­chen der Erz­diö­ze­se Mai­land gefei­ert. Die­ser Ritus wird aber auch außer­halb gefei­ert, so in einen Tälern des Schwei­zer Kan­tons Tes­sin, da die Diö­ze­san­gren­zen frü­her ein­mal anders verliefen. 

Bei­de Riten, der römi­sche und der ambro­sia­ni­sche, kön­nen auf das gleich früh­christ­li­che Alter zurück­blicken. Als der Römi­sche Ritus unter dem hei­li­gen Papst Gre­gor dem Gro­ßen vor über 1400 Jah­ren kodi­fi­ziert wur­de, war der Ambro­sia­ni­sche Ritus in Mai­land schon voll entfaltet.

Als Papst Paul VI. 1969 eine radi­ka­le Lit­ur­gie­re­form des Römi­schen Ritus durch­setz­te und den Novuss Ordo ein­führ­te, wäre Mai­land davon nicht betrof­fen gewe­sen, doch mit eini­gen Jah­ren Ver­zö­ge­rung wur­de die römi­sche Reform auch auf den Ambro­sia­ni­schen Ritus über­tra­gen und die­ser 1976 durch einen Novus Ordo „refor­miert“. Seit damals wur­de in der dem hei­li­gen Kir­chen­va­ter geweih­ten Basi­li­ka in Mai­land der Ambro­sia­ni­sche Ritus nicht mehr in sei­ner über­lie­fer­ten Form zele­briert worden.

Die tra­di­tio­nel­le Form die­ses Ritus, die nach dem ambro­sia­ni­schen Mis­sa­le von 1954 zele­briert wird unter­schei­det sich von der post­kon­zi­lia­ren Form vor allem in Spra­che, Lit­ur­gie­auf­bau und Zere­mo­ni­al. So wur­de am ver­gan­ge­nen Sonn­tag, nicht der drit­te Advents­sonn­tag gefei­ert wie im Römi­schen Ritus, son­dern der fünf­te Adventssonntag. 

Jahrzehntelange Hürden für die traditionelle Liturgie

Wie in der gesam­ten übri­gen latei­ni­schen Kir­che woll­te man auch in Mai­land die über­lie­fer­te Form eli­mi­nie­ren. Sei­ne völ­li­ge Aus­lö­schung ver­hin­der­ten weni­ge Prie­ster und Gläu­bi­ge. So wur­de er von der kirch­li­chen Hier­ar­chie auf klei­ne­re Kir­chen zurück­ge­drängt, so in San­ta Maria del­la Con­so­la­zio­ne in Mai­land, die von den zustän­di­gen kirch­li­chen Auto­ri­tä­ten dazu bestimmt wurden.

Wie für den Römi­schen Ritus gilt auch für den Ambro­sia­ni­schen Ritus, daß die Zele­bra­ti­on an eine Erlaub­nis durch der Lei­tung der Erz­diö­ze­se: Bischof oder zustän­di­ge Dele­gier­te gebun­den ist. Dar­in drückt sich bis heu­te die obrig­keit­li­che Ableh­nung des über­lie­fer­ten Ritus aus, des­sen Wir­kung durch repres­si­ve Maß­nah­men ver­hin­dert wird.

Neue Impulse

Im Jahr 2025 jedoch zeigt sich die­se Situa­ti­on spür­bar ver­än­dert. Die Fei­er in der Basi­li­ka Sant’Ambrogio – einer der älte­sten und sym­bol­träch­tig­sten Kir­chen der Stadt – wur­de mit aus­drück­li­cher Zustim­mung der Erz­diö­ze­se ermög­licht. Um die Zele­bra­ti­on ersuch­te Msgr. Fran­ces­co Bra­schi, ein bekann­ter Patri­sti­ker und Direk­tor der Biblio­te­ca Ambro­sia­na, der an der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät Sacro Cuo­re in Mai­land lehrt und seit 2017 von Erz­bi­schof Mario Del­pi­ni mit der Zele­bra­ti­on und der seel­sorg­li­chen Betreu­ung der Gläu­bi­gen des über­lie­fer­ten Ritus beauf­tragt ist. Die Zele­bra­ti­ons­er­laub­nis erteil­te Msgr. Clau­dio Fon­ta­na, der zumin­dest seit 2015 erz­bi­schöf­li­cher Dele­gat für den über­lie­fer­ten Ritus ist – gemein­sam mit dem Abt der mit der Basi­li­ka ver­bun­de­nen Bene­dik­ti­ner­ab­tei, Msgr. Car­lo Fac­cen­di­ni, der zugleich auch Pfar­rer der mit der Basi­li­ka ver­bun­de­nen Pfar­rei ist.

Basi­li­ka San­t’Am­bro­gio in Mailand

Beob­ach­ter wer­ten die chro­no­lo­gi­sche Abfol­ge der Ereig­nis­se dahin­ge­hend, daß der Tod von Papst Fran­zis­kus die­se Erlaub­nis ermög­licht habe.

Die Basi­li­ca Sant’Ambrogio in Mai­land wur­de im 4. Jahr­hun­dert vom Kir­chen­va­ter Ambro­si­us selbst gegrün­det, des­sen Gedenk­tag am 7. Dezem­ber began­gen wur­de, und zählt zu den älte­sten Kir­chen der Stadt. Die heu­ti­ge roma­ni­sche Gestalt erhielt sie im 11./12. Jahr­hun­dert, mit mar­kan­tem West­werk, Arka­den­gän­gen und einem weit­läu­fi­gen Kreuz­gang, der Teil des ange­schlos­se­nen Bene­dik­ti­ner­klo­sters ist. Unter dem Hoch­al­tar befin­det sich das Grab des hei­li­gen Ambro­si­us, ein bedeu­ten­des Pil­ger­ziel für Gläu­bi­ge, dar­un­ter auch ortho­do­xe Chri­sten, die den Kir­chen­va­ter ver­eh­ren. Die Basi­li­ka beher­bergt wert­vol­le Kunst­wer­ke, Fres­ken und wei­te­re Reli­qui­en. Sie ver­bin­det Lit­ur­gie, Geschich­te und Kul­tur in ein­zig­ar­ti­ger Weise.

Der alte Ambro­sia­ni­sche Ritus wur­de durch das am Sonn­tag zele­brier­te Meß­op­fer in der kirch­li­chen Rea­li­tät Mai­lands wie­der sicht­ba­rer und zugäng­li­cher. Die Zele­bra­ti­on in einer so bedeu­ten­den Kir­che wie Sant’Ambrogio ist ein star­kes Zei­chen der Wert­schät­zung für die­se alte lit­ur­gi­sche Tra­di­ti­on. Die gro­ße Teil­nah­me, ins­be­son­de­re von jun­gen Gläu­bi­gen, spricht für ein wach­sen­des Inter­es­se an lit­ur­gi­scher Tie­fe und Tra­di­ti­on. Von einem blo­ßen „nost­al­gi­schen Relikt“, wie es der ver­stor­be­ne Pon­ti­fex aus Argen­ti­ni­en mein­te, kann kei­ne Rede sein, viel­mehr zeig­te sich die hei­li­ge Lit­ur­gie am ver­gan­ge­nen Sonn­tag in Mai­land als leben­di­ger Aus­druck des Glau­bens, der vie­le Gläu­bi­ge anspricht.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Face­book (Screen­shot)

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