
Am 1. Oktober 2025 veröffentlichte die linksgerichtete spanische Tageszeitung El País einen Artikel über den regierenden Papst Leo XIV., in dem die Aussagen eines Mißbrauchsopfers als Beleg für eine angebliche Verschwörung gegen P. Robert Prevost – seinerzeit Bischof von Chiclayo in Peru – dargestellt wurden. Doch die tatsächlichen Aussagen des Opfers, das vom Priester Eleuterio Vásquez Gonzales aus Chiclayo, bekannt als Padre Lute, mißbraucht wurde, entsprechen keineswegs dem, was in der Zeitung veröffentlicht wurde.
Die Betroffene, Ana María Quispe Díaz, machte von ihrem Recht auf Gegendarstellung Gebrauch – dieses verpflichtet Medien, eine Stellungnahme in gleichem Umfang und an gleicher Stelle wie die ursprüngliche Veröffentlichung zu bringen – und reichte am 7. Oktober 2025 eine solche Erklärung ein. El País ließ die gesetzliche Frist von drei Tagen aber verstreichen, ohne die Gegendarstellung zu veröffentlichen.
Hier ist der Wortlaut der Gegendarstellung:
„Die Informationen, die El País am 1. Oktober 2025 in zwei Artikeln veröffentlicht hat, sind irreführend und spiegeln nicht den Inhalt des zweistündigen Interviews wider, das ich mit der Journalistin Paola Nagovitch geführt habe.“
El País hatte nämlich Sätze verwendet wie: „Prevost war Ziel einer Verleumdungskampagne, wie das Opfer nun selbst erklärt.“
Doch laut Ana María Quispe Díaz hatte sie tatsächlich etwas ganz anderes gesagt, nämlich: „Leider hat Robert Prevost in unserem Fall nicht richtig gehandelt.“
Diese Verdrehung der Aussage läßt sich nicht als bloßes Mißverständnis abtun – sie kehrt den Sinn der Aussage um und läßt zentrale Kritikpunkte an Prevosts Umgang mit dem Fall vollständig unter den Tisch fallen. In der Gegendarstellung heißt es dazu:
„Das Vorgehen war in vielerlei Hinsicht mangelhaft und muß aufgeklärt werden.“
Es ist kaum nachvollziehbar, wie eine führende Zeitung des Mainstream zwei Stunden lang ein Opfer sexuellen Mißbrauchs zu einem Fall befragt, der mit gravierenden Unregelmäßigkeiten verbunden ist – um dann eine verfälschte Version der Aussagen zu veröffentlichen und die gesetzlich vorgeschriebene Richtigstellung zu unterlassen. Ein solches Verhalten verletzt nicht nur die Betroffenen, sondern stellt auch einen Bruch des rechtlichen Rahmens und die Grundsätze journalistischer Ethik dar, so das katholische spanische Nachrichtenportal Infovaticana.
Die Angelegenheit hat noch weitere Dimensionen: Infovaticana konnte die vollständige Aufnahme des Interviews mit Paola Nagovitch einsehen, die die Kluft zwischen dem Gesagten und dem Publizierten eindeutig dokumentiert. Erwähnenswert ist auch, daß das progressive spanische Portal Vida Nueva Digital zunächst einen Artikel veröffentlichte, der die Version von El País aufgriff – diesen jedoch kurz darauf wieder zurückzog. Ein bemerkenswerter Schritt, der zeigt, daß man sich überzeugte, daß diese Darstellung nicht aufrechtzuerhalten ist.
Angesichts der Schwere des Vorfalls haben die Opfer angekündigt, rechtliche Schritte einzuleiten, um ihr Recht auf Gegendarstellung durchzusetzen. Darüber hinaus wollen sie die vollständige Aufnahme des Interviews sowie die Veröffentlichung von El País dem Ethikkomitee der FAPE, der Dachorganisation der spanischen Journalistenverbände, vorlegen, damit die Handlungsweise der Tageszeitung und der verantwortlichen Journalistin überprüft wird.
Hierbei handelt es sich keineswegs um eine Lappalie: Es geht um die Pflicht der Medien, wahrheitsgetreu zu berichten, das Recht auf Gegendarstellung zu respektieren und die Aussagen von Mißbrauchsopfern nicht als Instrument zur Imagepflege kirchlicher Amtsträger zu mißbrauchen – insbesondere nicht zu politischen Zwecken.
Die Betroffenen betonen, daß sie weder vergessen noch Teil politischer Strategien werden wollen. Ihre Forderung ist schlicht: Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Schutz vor der Verzerrung ihrer Aussagen durch fremde Interessen. Sie verlangen, daß keine Ausnahmeregelung zur Verhinderung der Untersuchung gewährt wird, Zugang zur vollständigen Akte, eine umfassende Beweisaufnahme sowie die Garantie eines fairen und transparenten Verfahrens – nicht mehr und nicht weniger.
Interessant ist allemal, festzustellen, daß eine Tageszeitung in einem Mißbrauchsskandal möglicherweise eine Manipulation zugunsten des derzeitigen Papstes begangen haben könnte, die bereits dessen Vorgänger aufföllig geschont hatte, während sie in den Pontifikaten von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. keine Gelegenheit ausließ, den Päpsten eine Mitschuld am Mißbrauchsskandal zu unterstellen, obwohl es dafür keine konkreten Belege gab.
Durch die Manipulation der Aussage eines Mißbrauchsopfers mit dem Ziel, P. Robert Prevost im Fall „Lute“ von seiner Verantwortung zu entlasten, hat El País den Blick vom Wesentlichen abgelenkt:
Daß den Opfern zugehört wird – zu ihren Bedingungen – und daß ihre Rechte geachtet werden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: El País (Screenshot)
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