
In den Vereinigten Staaten von Amerika vollzieht sich derzeit ein stiller, aber tiefgreifender Umbruch in einem Teil der katholischen Liturgielandschaft: Im Spektrum der nicht traditionsfreundlichen Diözesen wird das Motu proprio Traditionis custodes auch noch Monate nach dem Tod von Papst Franziskus mit wachsendem Eifer umgesetzt – mit der Folge, daß regelmäßig zelebrierte Heilige Messen im überlieferten Römischen Ritus abgeschafft oder rigoros eingeschränkt werden. Ganze Gemeinden werden aufgelöst, langjährige Meßorte geschlossen, geistliche Zentren der Tradition systematisch entkernt. Die USA, ein zentraler Hoffnungsort für die liturgische Erneuerung „von unten“, sind – daher kein Zufall – zum Hauptschauplatz eines regelrechten Krieges gegen die Alte Messe geworden.
Und es sei wiederholt: Dabei ist Papst Franziskus – der Autor von Traditionis custodes – längst tot. Doch sein Gesetz, das er der Weltkirche oktroyierte, wirkt weiter: als vergiftetes Erbe, das Diözesanbischöfen eine autoritäre Handhabe gegen die liturgische Tradition bietet. Papst Leo XIV. hat, obwohl inzwischen seit mehreren Monaten im Amt, noch kein klares Gegenzeichen gesetzt, um diesen Krieg zu beenden. Die römische Linie bleibt unklar, und so wüten in den USA zahlreiche Bischöfe weiter gegen die Tradition, teils mit bemerkenswerter Härte.
Ein Kahlschlag mit System
Die Liste der betroffenen Orte wächst fast wöchentlich:
- In der Diözese Brooklyn (New York) wurde jüngst die traditionelle Meßfeier in Saint Cecilia eingestellt.
- In der Diözese Austin (Texas) wurde die regelmäßig zelebrierte Traditional Latin Mass an der Texas A&M University gestrichen – und das, obwohl junge Menschen dort stark vertreten sind.
- In der Diözese Monterey (Kalifornien) hat Bischof Daniel Garcia kurz vor seinem Wechsel nach Austin einen letzten, symbolträchtigen Schritt vollzogen: die Abschaffung des Meßortes im überlieferten Ritus in der Sacred Heart Church in Hollister – offiziell, um die „Einheit mit der Weltkirche“ zu fördern.
- In der Erzdiözese Detroit (Michigan) müssen seit Juli fast alle Pfarreien auf die Zelebration der Alten Messe verzichten. Zwar sollen einige wenige nicht an Pfarrkirchen gebundene Meßorte erhalten bleiben, doch der Subtext ist klar: Die Alte Messe wird aus dem normalen Gemeindeleben verdrängt – so hatte es Franziskus gewollt. Kein alter Ritus mehr in einer Pfarrkirche.
In anderen Diözesen wie Charlotte (North Carolina), Jefferson City (Missouri) und weiteren wiederholt sich das gleiche Muster: Die Meßorte werden geschlossen, Gläubige vor vollendete Tatsachen gestellt, die überlieferte Liturgie marginalisiert.
Kampfplatz USA – warum gerade hier?
Warum tobt dieser „Krieg gegen die Alte Messe“ ausgerechnet in den USA so heftig?
Weil die Vereinigten Staaten – ob man es will oder nicht – der Dreh- und Angelpunkt jener Richtungsentscheidung sind, die den gesamten Westen betrifft. Das hängt mit der Schwäche und Selbstaufgabe Europas zusammen, wo man, so scheint es, längst kapituliert hat. In den USA hingegen ist der Ausgang des allgemeinen Kulturkampfes noch offen. Das versuchte Attentat auf Donald Trump während des Präsidentschaftswahlkampfes 2024 und die Ermordung von Charlie Kirk sind deutliche Anzeichen dafür, mit welcher Vehemenz dieser Kampf geführt wird.
Und man weiß, auf welcher Seite sich Papst Franziskus in diesem Ringen positionierte – wie sehr er sich der Schlüsselstellung der USA bewußt war und wie gezielt er seinen Einfluß geltend machte, nicht zuletzt durch strategische Bischofsernennungen. Doch blieb es nicht dabei: Franziskus ließ offen zum Kampf gegen die sogenannte „religiöse Rechte“ blasen, schützte führende Vertreter der linken Demokratischen Partei – allen voran US-Präsident Joe Biden und Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi – vor der überfälligen Exkommunikation, während er Donald Trump absprach, überhaupt ein Christ zu sein. Auch durch seine akzentuierte Migrationsagenda griff er massiv in die innenpolitische Debatte der Vereinigten Staaten ein.
Die Bedeutung der USA zeigt sich auch – und vielleicht besonders – im Hinblick auf den überlieferten Römischen Ritus. Nirgendwo sonst ist die Bewegung für die traditionelle Messe so lebendig, jung, dynamisch – und erfolgreich. Zahlreiche Priesterberufungen, blühende Gemeinden, katholische Hochschulen und neue Orden sind untrennbar mit dem klassischen Ritus verbunden. Gerade das aber scheint für manche kirchliche Amtsträger ein Ärgernis zu sein: Die Vitalität der Tradition paßt nicht in das Bild einer gleichförmig „synodalen“ Kirche. Schon gar nicht, wenn man einem selbstgezimmerten Narrativ anhängt, das alles Traditionelle reflexhaft mit „überholt“, „ewiggestrig“ oder „repressiv“ gleichsetzt – und darin bloß ein unverständliches Relikt aus einer vermeintlich dunklen Vergangenheit sehen will.
Traditionis custodes wurde daher von vielen Beobachtern und Gläubigen von Anfang an als ein politisches Dokument gelesen – als Ausdruck eines machtpolitischen Willensaktes gegen eine unliebsame Wirklichkeit, die im kirchlichen Zusammenhang jedoch eine metaphysische Bedeutung hat. Die gegenwärtige Entwicklung in den Vereinigten Staaten bestätigt diese Lesart in beklemmender Deutlichkeit.
Rom schweigt – was nun?
Papst Leo XIV., der nach den schweren Irritationen des bergoglianischen Pontifikats als Vermittler und Versöhner auftritt, hat bislang keine substantielle Korrektur der Vorgaben seines Vorgängers vorgenommen. Es wächst daher die Sorge, daß er das „vergiftete Erbe“ von Franziskus zwar nicht fortsetzt, aber stillschweigend duldet.
Dem Papst stünde eine Vielzahl von Instrumenten zur Verfügung, um Traditionis custodes die Spitze zu nehmen, gerade auch rechtlicher Natur. Er könnte ad experimentum die radikalsten Einschnitte (Zelebrationsverbot in Pfarrkirchen, Verbot der Sakramentenspendung) für einen gewissen Zeitraum aussetzen. Er könnte parallel die Errichtung von Personalordinariaten für die Tradition prüfen lassen.
Und er könnte natürlich Traditionis custodes durch ein neues Motu poprio – etwa mit dem Namen Unitas in traditione oder Libertas traditionis – überwinden und dem überlieferten Ritus die volle Gleichberechtigung und Gleichrangigkeit in der Weltkirche zurückgeben.
Die Gegner der Tradition liefern selbst den überzeugendsten Beweis dafür, daß der überlieferte Römische Ritus kein museales Relikt, sondern ein lebendiger Bestandteil katholischer Identität ist – gerade in den Vereinigten Staaten, wo sich entscheidet, in welche Richtung sich der Westen entwickeln wird. Denn wäre die Tradition nicht lebendig, müßte man sie nicht mit solcher Entschlossenheit und solchem Aufwand bekämpfen.
Es geht um den Römischen Ritus, der über Jahrhunderte hinweg Generationen geprägt hat – und der durch Franziskus wieder unter Generalverdacht gestellt wurde, ausgerechnet im Namen der „Einheit“. Doch wahre Einheit läßt sich niemals durch Auslöschung erreichen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Novis‑M/Wikicommons
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