Maschine, Monarchie und monastisches Leben

Die kleinen Verschiebungen unter Leo XIV. im Vatikan


Leo XIV. mit der BMW R18 und Jesus Biker
Leo XIV. mit der BMW R18 und Jesus Biker

Was auf den ersten Blick wie drei von­ein­an­der unab­hän­gi­ge Epi­so­den aus dem Vati­kan wir­ken mag, fügt sich zu einem Bild päpst­li­cher Akzent­set­zung zusam­men. Papst Leo XIV., seit weni­gen Mona­ten im Amt, über­rascht nicht mit gro­ßen Gesten oder zwei­fel­haf­ten Refor­men, son­dern mit lei­sen, aber sym­bol­träch­ti­gen Ent­schei­dun­gen, die eine neue per­sön­li­che Linie erken­nen las­sen – eine Linie, die man viel­leicht mit bedäch­tig umschrei­ben könn­te. Über sei­ne Aus­rich­tung in den bren­nen­den Fra­gen der Kir­che sagen sie indes wenig aus.

Ein Motorrad für den Heiligen Vater – und ein Segen für Madagaskar

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Die Sze­ne am gest­ri­gen Mitt­woch auf dem Peters­platz hat­te durch­aus etwas Spek­ta­ku­lä­res: Nach der Gene­ral­au­di­enz roll­te eine Grup­pe von Motor­rad­fah­rern mit don­nern­den Maschi­nen und wei­ßen Westen über das Kopf­stein­pfla­ster – die soge­nann­ten „Jesus Biker“, christ­li­che Pil­ger auf zwei Rädern aus dem deut­schen Sprach­raum. Sie hat­ten eine wei­te Rei­se hin­ter sich – quer durch Euro­pa bis nach Rom. Ihr Ziel: dem Papst ein Geschenk zu über­brin­gen, das zugleich Sym­bol und Spen­den­quel­le sein soll.

Die wei­ße BMW R18, ein schwe­res, kraft­vol­les Modell aus bay­ri­scher Pro­duk­ti­on, wur­de eigens für Leo XIV. gestal­tet. Der Tank trägt sei­nen Namen, das Schutz­blech das Wap­pen des Pon­ti­fi­kats, und am Heck flat­tert die vati­ka­ni­sche Flag­ge. Sicht­lich amü­siert bestieg der Papst die Maschi­ne, seg­ne­te sie und setz­te mit einem dicken schwar­zen Filz­stift sei­ne Unter­schrift auf den Tank – zur Freu­de der anwe­sen­den Foto­gra­fen. Doch das Motor­rad wird nicht Teil des vati­ka­ni­schen Fuhr­parks wer­den, son­dern am 18. Okto­ber in Mün­chen ver­stei­gert. Der gesam­te Erlös kommt einer öster­rei­chi­schen Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on zugu­te, die in einer der ärm­sten Regio­nen Mada­gas­kars eine Schu­le errich­ten will.

Daß Leo XIV. die­ses media­le Spek­ta­kel nicht scheut, über­rascht. Zwar zeigt er eine deut­li­che Zurück­hal­tung gegen­über Per­so­nen­kult, doch weiß er offen­bar um den Wert sym­bo­li­scher Hand­lun­gen – wenn sie glaub­wür­dig in ein grö­ße­res Gan­zes ein­ge­bet­tet sind und nicht zwei­fel­haf­ten ideo­lo­gi­schen Akzen­ten die­nen, wie es die Kir­che in den ver­gan­ge­nen Jah­ren erle­ben muß­te. Dazu paßt auch die Tat­sa­che, daß der Papst die­sen Som­mer bereits ein wei­te­res Motor­rad-Acces­soire erhal­ten hat­te: einen eigens für ihn gefer­tig­ten Motor­rad­helm – über­reicht von der ita­lie­ni­schen Fir­ma GIVI im Rah­men einer kirch­lich orga­ni­sier­ten Pil­ger­fahrt von Motor­rad­fah­rern zum Hei­li­gen Jahr nach Rom.

Ein Fahrer für den Papst – Rückkehr zu vatikanischer Etikette

Deut­lich weni­ger öffent­lich­keits­wirk­sam, aber kir­chen­in­tern bedeut­sa­mer ist eine Per­so­nal­ent­schei­dung, die Anfang Sep­tem­ber bekannt wur­de: Papst Leo XIV. hat beschlos­sen, sich künf­tig wie­der von einem per­sön­li­chen Fah­rer chauf­fie­ren zu las­sen – und dabei auf einen lang­jäh­ri­gen Mit­ar­bei­ter des vati­ka­ni­schen Fuhr­parks zurück­zu­grei­fen. Clau­dio Mar­ti­ni, ein erfah­re­ner Fah­rer aus den Rei­hen des Gover­na­torats (Regie­rung des Staa­tes der Vati­kan­stadt), wird nun offi­zi­ell als päpst­li­cher Fah­rer in die direk­ten Dien­ste des Pap­stes wechseln.

Was wie eine bana­le Per­so­na­lie klingt, mar­kiert in Wahr­heit eine Abkehr von der Pra­xis unter Papst Fran­zis­kus. Die­ser hat­te wäh­rend sei­nes gesam­ten Pon­ti­fi­kats dar­auf ver­zich­tet, einen per­sön­li­chen Fah­rer zu ernen­nen, und statt­des­sen auf wech­seln­de Beam­te der Gen­dar­me­rie – der vati­ka­ni­schen Poli­zei – zurückgegriffen.

Leo XIV. ernann­te, anders als sein Vor­gän­ger, wie­der einen per­sön­li­chen Fahrer

Leo XIV. läßt erken­nen, daß er Wert auf bestimm­te For­men, Ritua­le und insti­tu­tio­nel­le Klar­heit legt – ohne Pomp, aber mit Sinn für Kon­ti­nui­tät, die Fran­zis­kus bewußt durch­brach. Ein wei­te­res Detail run­det die­ses Bild ab: Der Posten des Prä­fek­ten des Päpst­li­chen Hau­ses ist hin­ge­gen wei­ter­hin vakant. Der seit 2012 amtie­ren­de Regent der Prä­fek­tur des Päpst­li­chen Hau­ses, Msgr. Leo­nar­do Sapi­en­za, ein erfah­re­ner und vati­ka­nisch gut ver­netz­ter Kir­chen­mann, genießt das Ver­trau­en des Pap­stes, wie es heißt, doch die Ernen­nung eines Prä­fek­ten erfolg­te bis­her nicht. Das Amt hat­te zuvor Msgr. Georg Gäns­wein inne, der zugleich per­sön­li­cher Sekre­tär von Bene­dikt XVI. war. Nach des­sen Tod warf ihn Fran­zis­kus kur­zer­hand aus dem Vati­kan hin­aus. Erst nach zwei Jah­ren des „Wohl­ver­hal­tens“ und zahl­rei­cher Inter­ven­tio­nen ent­sand­te ihn Fran­zis­kus als Apo­sto­li­schen Nun­ti­us in die bal­ti­schen Staaten.

Augustiner und Apostolischer Palast – was wirklich stimmt

Für media­les Inter­es­se sorg­te zuletzt das Gerücht, Papst Leo XIV. wer­de in den Apo­sto­li­schen Palast nicht allein ein­zie­hen, son­dern in Gemein­schaft mit meh­re­ren Mit­brü­dern sei­nes Augu­sti­ner­or­dens. Zahl­rei­che Medi­en, dar­un­ter die lin­ke La Repubbli­ca, die „ein­zi­ge Zei­tung“, die Fran­zis­kus täg­lich las, kol­por­tier­ten die Nach­richt, der Papst wol­le sich von Ordens­brü­dern nicht nur im Gebet, son­dern auch im All­tag beglei­ten las­sen – eine Art geist­li­ches Wohn­ge­mein­schafts­mo­dell im Her­zen der Kurie. Der Papst, ein Ordens­mann, der im Apo­sto­li­schen Palast monastisch lebt?

Doch aus den Rei­hen der Augu­sti­ner selbst kam die Rich­tig­stel­lung. Pater Juba­nie Rey Bal­ler, ein enger Ver­trau­ter des Pap­stes und Mit­glied der Päpst­li­chen Sakri­stei, zustän­dig für die prak­ti­schen Aspek­te der lit­ur­gi­schen Zele­bra­tio­nen des Hei­li­gen Vaters, wider­sprach öffent­lich auf sei­nem Face­book-Pro­fil. Leo XIV. wer­de nach Abschluß der der­zeit lau­fen­den Reno­vie­rungs­ar­bei­ten in den Apo­sto­li­schen Palast ein­zie­hen – so wie es bis Bene­dikt XVI. üblich war –, jedoch ohne eine dau­er­haf­te Mit­be­woh­ner­schaft von Ordensbrüdern.

Leo XIV. zusam­men mit Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin bei der Besich­ti­gung des Apo­sto­li­schen Palastes

Drei Augu­sti­ner leben ohne­hin tra­di­tio­nell im Palast, da ihnen seit dem 13. Jahr­hun­dert die Ver­ant­wor­tung für die Sakri­stei und Kapel­len des Pap­stes obliegt.

Der der­zei­ti­ge Gene­ral­pri­or der Augu­sti­ner, Pater Ale­jan­dro Moral, äußer­te sich lako­nisch auf ent­spre­chen­de Nach­fra­gen: Er selbst pla­ne eine Mis­si­on in Paki­stan oder Kuba, nicht jedoch den Ein­zug in die päpst­li­chen Gemä­cher. Wenn der Hei­li­ge Vater ihn brau­che, ste­he er natür­lich zur Ver­fü­gung – „aber dar­über haben wir nie gesprochen“.

Die Ent­schei­dung Leos, sich vom Gäste­haus San­ta Mar­ta zu tren­nen – das Fran­zis­kus zum Sym­bol sei­nes „ande­ren“ Kur­ses gemacht hat­te –, folgt funk­tio­na­len und finan­zi­el­len Über­le­gun­gen. Die Sicher­heits- und Ver­wal­tungs­ko­sten von San­ta Mar­ta gel­ten als unnö­tig und zu hoch. Die „Beschei­den­heit“ von Fran­zis­kus hat­te zu einer Ver­dopp­lung des Auf­wan­des und der Kosten geführt. Der Apo­sto­li­sche Palast prä­sen­tier­te sich, von Fran­zis­kus ver­nach­läs­sigt, bei der ersten Bege­hung in kei­nem ange­mes­se­nen Zustand: undich­te Dächer, defek­te Lei­tun­gen, bröckeln­de Stuckatu­ren. Frü­he­stens im Okto­ber oder Novem­ber wird nach ent­spre­chen­den Sanie­rungs- und Reno­vie­rungs­ar­bei­ten ein Umzug mög­lich sein.

Ein neuer, leiserer Stil

In der Sum­me ent­steht das Por­trät eines Pon­ti­fex, der sei­ne Kir­che nicht durch kra­chen­de Gesten erschüt­tert, son­dern durch prä­zi­se gesetz­te Zei­chen neu aus­rich­tet. Leo XIV. ist kein Revo­lu­tio­när, viel­mehr ein lei­ser Archi­tekt, der Ord­nung schaf­fen möch­te. Was das im Detail bedeu­tet, ist aller­dings noch nicht aus­rei­chend klar, da sich der neue Papst in den ersten vier Mona­ten sei­nes Pon­ti­fi­kats sehr zurück­ge­hal­ten hat.

Nicht aber die genann­ten Aspek­te – so ein­drucks­voll oder inter­es­sant sie für man­che auch sein mögen – wer­den über sein Pon­ti­fi­kat ent­schei­den, son­dern sei­ne grund­sätz­li­che Aus­rich­tung und die Bereit­schaft, die Glau­bens­wahr­hei­ten unver­kürzt zu ver­kün­den und zu ver­tei­di­gen – und sei­ne Doku­men­te sowie Per­so­nal­ent­schei­dun­gen dar­an auszurichten.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati­can­Me­dia (Screen­shots)

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