
Am Samstag, dem 21. Juni, empfing Papst Leo XIV. Regierungsvertreter und andere politische Entscheidungsträger zum Jubiläum der Regierenden im Heiligen Jahr. In diesem hochpolitischen Moment offenbarte sich auf eindrucksvolle Weise die klare Abgrenzung zu seinem unmittelbaren Vorgänger Franziskus. Weder dem ominösen „menschengemachten“ Klimawandel noch der unbestreitbar menschengemachten Massenmigration gab Leo XIV. Raum.
Er legte den Regierenden weder nahe, ihre Bürger für angeblich „höhere Ziele“ zu bevormunden, noch forderte er sie auf, gegen deren ureigene Interessen zu handeln. Im Gegenteil: Der Papst ging weit darüber hinaus und rief die Verantwortungsträger dazu auf, sich wieder am Naturrecht zu orientieren – jenem Fundament, das der menschlichen Ordnung zugrunde liegt. Besonders mahnte er an, die verfolgten Christen dieser Welt nicht länger zu ignorieren.
Mit dieser Haltung knüpft Leo XIV. – unter bewußtem Überspringen seines Vorgängers – an die Linie jener Päpste an, für die das Naturrecht stets die tragende Säule des menschlichen Zusammenlebens war. Ausdruck dessen ist auch seine Berufung auf den heiligen Thomas Morus, den er den Regierenden als Vorbild vor Augen stellte – jenen Mann, der lieber sein Leben hingab, als Verrat an der Wahrheit zu üben.
Diese gewichtige Ansprache speist sich aus zwei Quellen: aus dem, was Leo XIV. aussprach – und aus dem, was er bewußt verschwieg. Denn was sein Vorgänger hätte sagen sollen, blieb oftmals unausgesprochen – und das war zumeist genau das, was notwendig gewesen wäre. Leo XIV. hingegen äußerte sich klar, und er schwieg dort, wo ein Papst nicht notwendig sprechen muß. Er verlor sich nicht in Nebenschauplätzen, die für globale Eliten von Interesse sein mögen, weil sie ihnen helfen Macht und Kapital zu maximieren – nicht jedoch für das Wohl der Allgemeinheit. Der angebliche „Klimanotstand“ ebenso wie das vermeintlich bedingungslose Recht auf Migration waren für Leo XIV. keine Themen. Jene Fixpunkte, die das Pontifikat seines Vorgängers prägten, fanden bei ihm keinen Widerhall.
Ein neues, gleichwohl zukunftsweisendes Thema brachte Leo XIV. mit Beginn seines Pontifikats auf die Tagesordnung: die Künstliche Intelligenz. Er warnte vor einer Entmenschlichung der Entscheidungsprozesse und forderte einen ethischen Rahmen für ihren Einsatz. Nicht Ablehnung, sondern Achtsamkeit war seine Devise: Die KI, so Leo, gleiche einem Fahrzeug, das unter Kontrolle gehalten werden müsse – andernfalls komme es bei überhöhter Geschwindigkeit von der Straße ab und überschlage sich.
Dieser bildhafte Vergleich erinnerte den Journalisten Antonio Socci an Franziskus. Die von Leo beschriebene riskante Fahrweise sei diejenige seines Vorgängers gewesen, so Socci. Franziskus habe selbst kein Hehl daraus gemacht, eine „verletzte Kirche“ zu bevorzugen – was Socci sarkastisch als eine „verunfallte“, eben menschengemachte Krise der Kirche deutete.
Die kleinen, aber sichtbaren Schritte der Rückkehr, die Leo XIV. innerhalb der Kirche vollzieht, bleiben nicht ohne Wirkung. Viele Gläubige verspüren zum ersten Mal seit langem wieder ein Gefühl des Heimischseins. Während sie sich im vorhergehenden Pontifikat entfremdet fühlten, scheint nun jene Heimatlosigkeit zu schwinden, die einst so viele in die innere Distanz trieb.
Erstmals rückte Leo XIV. die Religionsfreiheit für Christen wieder ins Zentrum der Ausführungen. Ein lange ignoriertes Thema soll nun erneut Eingang in die politische Tagesordnung finden. Er erinnerte an die Schrecken, als der mit westlicher Hilfe hochgerüstete Islamische Staat weite Teile des Irak und Syriens unterwarf, Christen ermordete, vertrieb – und der Westen kaum ein Wort der Solidarität fand. Unvergessen bleibt: Jedesmal, wenn der Westen im Nahen Osten militärisch intervenierte, halbierte sich die Zahl der Christen – jene Christen, die zuvor Jahrhunderte islamischer Herrschaft überstanden hatten. Es scheint fast überflüssig anzumerken, daß keine dieser Interventionen seit 1945 je im Interesse der Christen erfolgte – geschweige denn zu deren Gunsten.
Leo XIV. erinnerte ausdrücklich an das jüngste Massaker in Nigeria, bei dem in Yelwata zweihundert Christen auf grausamste Weise ermordet wurden. Er betonte, in besonderer Weise für die Christen im nigerianischen Bundesstaat Benue zu beten – Menschen, die unablässig Opfer von Gewaltakten werden. Deutlich schrieb er den Politikern dieses Anliegen ins Stammbuch.
Nur wenige Tage zuvor hatte Leo XIV. dem Dikasterium für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse die Erlaubnis erteilt, das Dekret zur Kanonisierung von 175 Märtyrern zu veröffentlichen – Christen, die im 20. Jahrhundert aus Haß gegen den Glauben getötet wurden. Klare Signale.
Hier nun die Ansprache von Papst Leo XIV. an die Regierenden im vollen Wortlaut:
Frau Präsidentin des Ministerrates,
Herr Präsident der Abgeordnetenkammer der Italienischen Republik,
Frau Präsidentin und Herr Generalsekretär der Interparlamentarischen Union,
Vertreter der akademischen Institutionen und religiöse Vertreter,
mit Freude heiße ich Sie willkommen anläßlich des Treffens der Internationalen Interparlamentarischen Union im Jubiläum der Regierenden und Verwaltungsverantwortlichen. Ich grüße die Mitglieder der Delegationen aus nicht weniger als achtundsechzig Ländern. Unter ihnen gilt ein besonderer Gruß den Präsidenten der jeweiligen parlamentarischen Institutionen.
Die politische Tätigkeit ist, wie Pius XI. mit Recht sagte, „die höchste Form der Nächstenliebe“ (Pius XI., Ansprache an die Italienische Katholische Universitätsföderation, 18. Dezember 1927). Und in der Tat: Wenn man den Dienst betrachtet, den sie zum Wohl der Gesellschaft und des Gemeinwohls leistet, erscheint sie wirklich als Werk jener christlichen Liebe, die niemals bloße Theorie, sondern stets Zeichen und konkrete Zeugenschaft des göttlichen Handelns zugunsten des Menschen ist (vgl. Franziskus, Enzyklika Fratelli tutti, 176–192).
Ich möchte daher heute vormittag mit Ihnen drei Überlegungen teilen, die ich im gegenwärtigen kulturellen Kontext für bedeutsam halte.
Die erste Überlegung betrifft Ihre Aufgabe, das Wohl der Gemeinschaft, das Gemeinwohl, über jedes Einzelinteresse hinaus zu fördern und zu schützen – insbesondere in der Verteidigung der Schwächsten und Ausgegrenzten. Es gilt beispielsweise, darauf hinzuwirken, daß das untragbare Mißverhältnis zwischen dem Reichtum einiger weniger und einer allzu weitverbreiteten Armut überwunden wird (vgl. Leo XIII., Enzyklika Rerum novarum, 15. Mai 1891, 1). Diejenigen, die unter äußersten Bedingungen leben, schreien danach, gehört zu werden, finden aber oft kein Ohr, das ihnen zuhören will. Ein solches Ungleichgewicht schafft Zustände ständiger Ungerechtigkeit, die leicht in Gewalt umschlagen und früher oder später in das Drama des Krieges münden. Eine gute politische Tätigkeit hingegen kann, indem sie eine gerechte Verteilung der Ressourcen fördert, einen wirksamen Beitrag zu gesellschaftlichem wie internationalem Frieden und Harmonie leisten.
Die zweite Überlegung betrifft die Religionsfreiheit und den interreligiösen Dialog. Auch auf diesem heute immer dringlicher werdenden Gebiet kann die Politik viel bewirken, indem sie Bedingungen schafft, unter denen tatsächliche Religionsfreiheit besteht und ein respektvolles, konstruktives Miteinander der verschiedenen Religionsgemeinschaften entstehen kann. Der Glaube an Gott, mit den positiven Werten, die daraus hervorgehen, ist im Leben der einzelnen wie der Gemeinschaften eine unerschöpfliche Quelle des Guten und der Wahrheit. Der heilige Augustinus sprach diesbezüglich vom Übergang des Menschen vom amor sui – der egoistischen, verschlossenen, zerstörerischen Selbstliebe – zum amor Dei – der unentgeltlichen Liebe, die ihren Ursprung in Gott hat und zur Hingabe des Selbst führt – als grundlegendem Baustein der civitas Dei, also einer Gesellschaft, deren oberstes Gesetz die Liebe ist (vgl. De civitate Dei, XIV, 28).
Um also einen einheitlichen Bezugspunkt für das politische Handeln zu haben, ist es hilfreich, nicht das Transzendente von vornherein aus den Entscheidungsprozessen auszuschließen, sondern darin das Verbindende zu suchen. Dabei ist ein wesentlicher Bezugspunkt das Naturrecht – nicht von Menschenhand geschrieben, aber als universell gültig und zeitlos anerkannt –, das in der Natur selbst seine plausibelste und überzeugendste Gestalt findet. Schon in der Antike war Cicero ein maßgeblicher Interpret dieses Gedankens, der in seinem Werk De re publica schrieb:
„Das Naturrecht ist die rechte Vernunft, der Natur gemäß, allgemein, beständig und ewig. Es fordert durch seine Gebote zur Pflicht auf und hält durch seine Verbote vom Bösen ab […]. Dieses Gesetz darf nicht geändert oder in Teilen aufgehoben werden, noch ist es möglich, es gänzlich abzuschaffen. Weder Senat noch Volk können uns von ihm entbinden, und es bedarf keines Auslegers oder Interpreten. Es wird nicht ein Gesetz in Rom und ein anderes in Athen, nicht ein Gesetz heute und ein anderes künftig geben; sondern ein einziges, ewiges und unveränderliches Gesetz wird über alle Völker zu allen Zeiten herrschen“ (De re publica, III, 22).
Das Naturrecht, das jenseits und über subjektiveren Überzeugungen steht, dient als Richtschnur für das gesetzgeberische Handeln, besonders bei ethischen Fragen, die heute dringlicher denn je in Erscheinung treten und zutiefst die persönliche Intimität betreffen.
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, am 10. Dezember 1948 von den Vereinten Nationen verabschiedet, gehört mittlerweile zum kulturellen Erbe der Menschheit. Dieser stets aktuelle Text kann viel dazu beitragen, den Menschen – in seiner unantastbaren Ganzheit – wieder in den Mittelpunkt der Wahrheitssuche zu stellen und jenen ihre Würde zurückzugeben, die sich im Innersten und in den Ansprüchen ihres Gewissens nicht respektiert fühlen.
Die dritte Überlegung schließlich: Der Grad der Zivilisation, den unsere Welt erreicht hat, und die Ziele, zu denen Sie berufen sind, stellen uns heute vor die große Herausforderung der künstlichen Intelligenz. Diese Entwicklung kann der Gesellschaft zweifellos von großem Nutzen sein, jedoch nur, sofern ihr Einsatz nicht die Identität und Würde des Menschen sowie dessen Grundfreiheiten beeinträchtigt. Es darf nie vergessen werden, daß die künstliche Intelligenz ein Werkzeug im Dienste des Menschen ist – nicht zu dessen Minderung oder gar zu seiner Entwertung. Hier liegt eine gewaltige Herausforderung, die große Aufmerksamkeit und einen weitsichtigen Blick in die Zukunft erfordert, um – auch angesichts neuer Szenarien – Lebensstile zu entwerfen, die gesund, gerecht und sicher sind, insbesondere im Hinblick auf die kommenden Generationen.
Das persönliche Leben wiegt unendlich mehr als ein Algorithmus, und das soziale Miteinander braucht menschlichen Raum, der weit über die engen Muster hinausgeht, welche seelenlose Maschinen vorgeben mögen. Vergessen wir nicht: Auch wenn künstliche Intelligenz Millionen von Daten speichern und in wenigen Sekunden viele Fragen beantworten kann, bleibt ihre „Erinnerung“ eine statische – unvergleichbar mit der des Menschen, die kreativ, dynamisch, schöpferisch ist und Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in lebendiger Sinnsuche miteinander verknüpfen kann, mit allen ethischen und existentiellen Implikationen (vgl. Franziskus, Ansprache zur G7-Sitzung über künstliche Intelligenz, 14. Juni 2024).
Die Politik kann sich einer solchen Herausforderung nicht entziehen. Im Gegenteil: Sie ist aufgerufen, darauf zu antworten – im Namen all jener Bürger, die dieser neuen digitalen Kultur mit Hoffnung und Sorge zugleich begegnen.
Der heilige Johannes Paul II. hat anläßlich des Jubiläumsjahres 2000 den heiligen Thomas Morus den Politikern als Vorbild und Fürsprecher ans Herz gelegt. In der Tat war Sir Thomas More ein Mann, der seiner zivilen Verantwortung treu blieb, ein vollkommener Staatsdiener gerade kraft seines Glaubens, der ihn dazu brachte, die Politik nicht als Beruf, sondern als Berufung zur Förderung von Wahrheit und Gutem zu begreifen.
Er „stellte seine öffentliche Tätigkeit in den Dienst des Menschen, insbesondere des Schwachen und Armen; er behandelte gesellschaftliche Konflikte mit feinem Gerechtigkeitssinn; er verteidigte die Familie mit großem Einsatz und förderte eine umfassende Erziehung der Jugend“ (Apost. Schreiben E Sancti Thomae Mori, 31. Oktober 2000, Nr. 4). Der Mut, mit dem er sein eigenes Leben opferte, um der Wahrheit treu zu bleiben, macht ihn auch heute noch zu einem Märtyrer der Freiheit und des Vorrangs des Gewissens. Möge sein Beispiel auch Ihnen eine Quelle der Inspiration und der Gestaltungskraft sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich danke Ihnen für diesen Besuch.
Ich wünsche Ihnen von Herzen gutes Gelingen für Ihre Arbeit und rufe über Sie und Ihre Lieben den himmlischen Segen herab.
Ich danke Ihnen allen. Gott segne Sie und Ihre Arbeit. Danke.
Text/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshots)
Papst Leo spricht wieder wie ein wahrer Papst. Man hat wieder das Gefühl in guten Händen zu sein.
Manche Thematiken aber wie die Religionsfreiheit und der interreligiöse Dialog, die Papst Leo benennt, sind für einfache Gläubige kaum oder gar nicht zu verstehen. Es geht doch um die Wahrheitsfrage. Heißt Religionsfreiheit, daß bspw. christliche Schüler im Unterricht die Irrtümer anderer Religionen und Weltanschauungen (in den Fächern Religion, Geschichte, Biologie) kennen lernen müssen in Anbetracht der Tatsache, daß sie oft nicht einmal die eigenen christlichen Gebote und Glaubenswahrheiten kennen? Wie viel Verwirrung wird da gestiftet! Gerade doch wegen der zahlreichen Irrtümer anderer haben sich Christen von Anfang an zu allen Zeiten eher schädigen und sogar töten lassen als den wahren Glauben zu verleugnen. Es gibt bspw. mit dem Islam kein dauerhaftes friedliches Zusammenleben und dies kann es nicht geben. Das ergibt sich aus vielen Stellen der hl. Schrift von alleine (wer den Sohn nicht ehrt, hat auch den Vater nicht; es gibt keinen anderen Namen als Jesus unter dem der Mensch gerettet werden kann; und kein Heil außerhalb der Kirche usw.). Dafür, für die Unmöglichkeit eines wirklichen Zusammenlebens, könnten Abermillionen von Menschen seit dem 7. Jahrhundert, seit Auftreten dieser antichristlichen Bewegung und Ideologie, Zeugnis geben.
Religionsfreiheit, und sie war von Beginn an im Christentum, kann nur heißen, daß es keinen Zwang für den Glauben an Christus gibt. Religionsfreiheit kann m.Er. nicht bedeuten, die Irrtümer anderer kennenlernen (zu müssen) und sie zu „tolerieren“ oder als gut zu befinden.
Dem „interreligiösen Dialog“ sollte die Kirche außer mit dem Judentum eine Absage erteilen. Man sieht ja wohin das führt, nämlich zur Gleichsetzung von Christus mit den Gründern anderer „Religionen“. Entsprechende Ärgernis erregende Bücher gibt es in allen Buchhandlungen.
Noch ein Wort zur Politik. Oder besser zu den Politikern betr. des Satzes „Die politische Tätigkeit ist … die höchste Form der Nächstenliebe.“ Wenn ich aber den neuen „Friedrich den Großen“ sehe und seine Lügen den Bürgern gegenüber höre und lese, geschweige denn, sein Desinteresse an seinem Volk betrachte, kann ich keine christliche Nächstenliebe erkennen. Ebenso wenig kann ich diese erkennen, wenn ich mir das Euthanasie- und das Abtreibungsprogramm des französischen Staatspräsidenten und seiner Mannschaft anschaue. Mit dem die Menschen „entsorgt“ werden und die „Ärzte zu Henkern“ gemacht werden, wie Mgr Aupetit in einer Radiosendung vor zwei Wochen erläuterte. Und er deshalb das von Emmanuel Macron 2019 überreichte höchste nationale Ehrenabzeichen Frankreichs aus seinem „Knopfloch entfernte.“ Siehe:
https://www.youtube.com/watch?v=UPgKtn8fG9U, Emission Mgr Aupetit 4 juin 25