
Von einer Katholikin
Kalt war es und neblig, als der junge Priester Jean-Marie Vianney sich am 9. Februar 1818 dem nur ein paar hundert Seelen zählenden unbedeutenden Dorf Ars näherte, wo er 41 Jahre als Priester wirken sollte. Er mußte einen Hirtenjungen nach dem Weg fragen und sein Dank sagt alles über diesen heiligen Priester, der die Seelen der Menschen zu Gott führen wollte: „Du hast mir den Weg nach Ars gezeigt, ich zeige dir den Weg zum Himmel.“
Als wir am 3. August von unserer außerhalb gelegenen Unterkunft zu Fuß zur Sonntagsmesse nach Ars pilgerten, kannten wir den Weg und es herrschte Bilderbuchwetter. Schon bald erreichten wir die ersten Häuser; Ars-sur-Formans ist gewachsen, doch noch immer ist es im Norden von Lyon ein überschaubares Örtchen im ländlichen Frankreich mit kaum mehr als 1500 Einwohnern.
Im Ruf der Heiligkeit
Doch unbedeutend ist es schon lange nicht mehr. Denn dem ganz von der Liebe zu Gott und der heiligen Eucharistie durchdrungenen, bescheidenen und asketischen Pfarrer war es nach und nach gelungen, die völlig heruntergekommene gottferne Gemeinde durch Gebet und Opfer gegen alle Widrigkeiten und Widerstände wieder zu Messe und Beichte zu führen. Er lebte, was er predigte, er verbrachte Stunden im Gebet vor dem Allerheiligsten, er hat das verfallene Kirchlein restauriert und schön ausgestattet und er kümmerte sich auch um die sozialen Belange der ihm anvertrauten Gemeinde: Er sorgte für Schulbildung und errichtete ein Waisenhaus. Über die Jahre kamen dann viele tausend Gläubige aus ganz Frankreich und darüber hinaus nach Ars, um ihn zu sehen und bei ihm zu beichten. Er stand im Ruf der Heiligkeit, was ihn zunehmend belastete, da er sich in seiner tiefen Demut oft unwürdig fühlte und meinte, seinen Aufgaben nicht gerecht werden zu können. Neider sprachen von Unordnung in seiner Gemeinde und der Bischof schickte einen Priester zur kanonischen Untersuchung. Sein Résumé : Es ist wahr, es scheint keine Ordnung zu geben, aber das ist egal, das ist ein Heiliger.

Der Bau einer schon von ihm projektierten Basilika zum Empfang der Pilgerscharen wurde erst drei Jahre nach seinem Tod (1859) in Angriff genommen und nach mehreren Bauphasen 1904 in der heutigen Form vollendet. Die an die ursprüngliche kleine Dorfkirche angebaute Basilika birgt an einem Seitenaltar den gläsernen Reliquienschrein, in dem der Heilige seit 1905 aufgebahrt ist. Im Pfarrhaus war nach seinem Tod nichts verändert worden und wenn man das Glück hat, sein Zimmer allein besuchen zu können, wäre man nicht überrascht, träte der Heilige einem plötzlich lächelnd entgegen.
Kindheit und Studium
1786 in eine einfache, aber sehr gläubige Bauernfamilie geboren, war seine Kindheit überschattet von den Greueln der Französischen Revolution und den Jahren der Verfolgung der katholischen Kirche und ihrer papsttreuen Priester, die sich der republikanischen Zivilverfassung des Klerus widersetzten. Ein Priester im Untergrund war sein erster Beichtvater und die erste heilige Kommunion empfing er in einer Scheune des elterlichen Hofes, wo ein refraktärer Priester unter Lebensgefahr das heilige Meßopfer zelebrierte.

Bis zum Alter von 17 Jahren war er quasi Analphabet, aber er wußte um seine Berufung zum Priestertum. Doch sein Weg, den er drei Jahre später begann, war kein leichter. Mit dem Studieren und der lateinischen Sprache tat er sich schwer. Aber er erreichte sein Ziel mit der Hilfe eines ihn betreuenden Priesters und wurde 1815 selbst zum Priester geweiht. Nun stellte er sich Christus als dessen Werkzeug ganz zur Verfügung, um das Evangelium zu verkünden, die Sakramente zu spenden und die Menschen auf den Weg der Heiligung zu führen.
Patron aller Pfarrer des Universums
Im Jahre seiner Seligsprechung 1905 wurde Jean-Marie Vianney zum Patron der Priester Frankreichs erklärt und 1925 kanonisiert. Seit 1929 ist er Patron aller Pfarrer des Universums. 2009 rief Papst Benedikt XVI. zum 150. Todestag des Heiligen ein Priesterjahr aus, scheiterte jedoch mit seinem Vorhaben, diesen offiziell zum Patron und Vorbild aller katholischen Priester zu deklarieren, an kurieninternen Widerständen gegen sein „vorkonziliares Priesterbild“. Während glaubenstreue Priester und Gemeinschaften der Tradition den heiligen Pfarrer besonders verehren, ertragen ihn progressive Kreise nicht, weil er ihnen den Spiegel vorhält. Dazu paßt durchaus, daß der Bischof von Belley-Ars, Pascal Rolland, die überlieferte Form der Liturgie, in der der heilige Pfarrer das Meßopfer zum Heil der Seelen darbrachte, in Ars untersagte und im Zuge von Traditionis custodes die Alte Messe in seiner Diözese auf einen Meßort beschränkte.
100 Jahre Kanonisierung und liturgischer Gedenktag
Sein liturgischer Gedenktag am 4. August, seinem Sterbetag (1859), zieht jedes Jahr viele Priester und Gläubige an und ganz besonders in diesem Jahr, in dem seiner Kanonisierung vor nunmehr hundert Jahren gedacht wird. Schon am 3. August begannen die Feierlichkeiten zu einem ganz besonderen Fest für alle Priester und Pfarrer, das am 4. August nach einer Nacht der Anbetung seinen Höhepunkt in einem Pontifikalamt und einer Festprozession fand. Unzählige Priester ermöglichten den Gläubigen den ganzen Tag über den Empfang des Sakraments der Versöhnung.
Ein wahrer Gnadenort
Ars ist ein überaus gnadenreicher Ort der tiefen Verehrung des heiligen Pfarrers. Alles ist von Frieden und Ruhe durchdrungen, und der Heilige wirkt dort bis heute. In einer Rotunde mit der Statue des knienden Pfarrers kann man Kerzen entzünden und seine Gebetsanliegen niederschreiben. In der Chapelle du Cœur, wo die Herzreliquie des Heiligen verehrt wird, kann man die Namen von Priestern eintragen und sie der Fürsprache des heiligen Pfarrers anvertrauen.

Die Andacht, in der die Menschen an seinem Schrein in der Basilika verweilen und beten, ist tief, und die Freude am Glauben scheint ihnen ins Gesicht geschrieben zu sein. Ich hatte schöne Begegnungen voller Herzlichkeit mit mir völlig unbekannten Menschen und gute Gespräche mit Priestern. Es ist eine Gnade, hier beten zu dürfen, die Messe mitzufeiern, hier beichten zu können in der kleinen Kirche, wo der Heilige über die Jahre unermüdlich unzähligen Menschen das Sakrament der Versöhnung gespendet und sich im Beichtstuhl bis zur Erschöpfung aufopfert hatte für das Seelenheil der Menschen. Das einfache „Il est là“ (Er ist da) des heiligen Pfarrers von Ars angesichts des Herrn in der Heiligen Eucharistie begleitete mich bei der Ewigen Anbetung. Und welch eine Freude, so viele Priester aus aller Herren Ländern beim heiligen Pfarrer auf Knien beten zu sehen, Priester, die Gott uns geschenkt hat und ohne die es keine Eucharistie gibt, Priester, die den Seelen den Weg zum Himmel zeigen – wie ihr heiliges Vorbild.
Bild: Autorin