
Von einer Katholikin
Pilger der Hoffnung
Auf dem Weg zur Heiligen Pforte – ohne Pilgerpaß, ohne QR-Code, ohne Anmeldung, auch wenn auf der offiziellen Heilig-Jahr-Seite des Vatikans weiterhin so getan wird, als sei die Erlangung der Gnadenmittel des Heiligen Jahres daran geknüpft und der Paß „für die Organisation der eigenen Pilgerreise zur Heiligen Pforte erforderlich“.
In Rom war es schon sehr heiß in der zweiten Woche nach Pfingsten, was dem Tourismus keinen Abbruch tat. Umso erfreulicher, daß der Petersplatz am Mittwochnachmittag erstaunlich „schlangenfrei“ war. Keine Pilgergruppen mehr auf der Via della Conciliazione, keine nennenswerten Warteschlangen vor den Sicherheitskontrollen unter den Kolonnaden, von wo aus man auch ohne Pilgerlenkung und ganz ohne Preisgabe persönlicher Daten zur Heiligen Pforte pilgern konnte. Ich hatte befürchtet, nicht beten zu können, keine Andacht zu finden vor lauter Menschen, avanti, avanti, man werde zur Eile getrieben, hieß es, doch ich konnte vor der Heiligen Pforte und bei ihrem Durchschreiten lange betend innehalten, bevor die Ankunft einer Gruppe den Wärter dann doch veranlaßte, mich mit einem Avanti weiter in den Petersdom zu schicken.

So viel Beschaulichkeit sollte man aber wohl eher nicht voraussetzen. Der Papst hob sicher nicht ohne Grund nach dem letzten Mittagsgebet hervor, daß Pilger bei einer Heilig-Jahr-Wallfahrt nach Rom einiges auf sich nehmen:
„In der großen Hitze dieser Tage ist euer Weg, um die Heiligen Pforten zu durchschreiten, umso tapferer und bewundernswerter!“
Auf dem Campo Santo Teutonico
Die Nacht hatte etwas „Kühle“ gebracht und es fiel leicht, den nächsten Tag im Morgengrauen zu beginnen, um die deutschsprachige Morgenmesse auf dem Campo Santo Teutonico mitzufeiern zu können. Um 5 Uhr 30 gehört die Metro den Römern, die zur Arbeit fahren. Auch eine Stunde später sieht man nur wenige Touristen in den Straßen. Der Petersplatz liegt vollständig im Schatten und die Sonne bescheint nur die noch verschlossene Petersbasilika. Der Campo Santo Teutonico liegt auf ihrer linken Seite. Eigentümerin der gesamten Anlage ist die Erzbruderschaft zur Schmerzhaften Muttergottes beim Friedhof der Deutschen und Flamen. Das Päpstliche deutschsprachige Priesterkolleg und das Römische Institut der Görres-Gesellschaft haben hier ihren Sitz.

Das von hohen Mauern umgebene Gelände liegt unterhalb des Petersdoms, in dessen Schutz sich eine kleine Oase auftut. Hier ist es ruhig, Touristen verirren sich selten hierher und die wenigen Besucher, die hier die Kontrollen und die Schweizergarde passieren, wissen, was sie suchen.
Der Blick geht nach oben, wo sich die Außenmauer und die gewaltige Kuppel des Petersdoms abzeichnen, leuchtend in der Morgensonne.
Ein kleiner Friedhof liegt auf einem Teil des neronischen Zirkus‘, Wettkampf- und Schauspielplatz, auf dem die ersten christlichen Märtyrer in Rom starben, unter ihnen wohl auch Petrus.
In der Frische der frühen Morgenluft empfängt der kleine baumbestandene Innenhof die wenigen Meßbesucher der Kirche des Campo Santo Teutonico, S. Maria della Pietà. Benedikt XVI. feierte hier bis zu seiner Wahl zum Papst über mehrere Jahrzehnte hinweg fast jeden Donnerstag die Hl. Messe. Bis heute feiert in der Regel ein Kardinal donnerstags die Messe, so auch heute, und an den anderen Tagen sorgen Priester des hier ansässigen deutschen Priesterkollegs für eine würdige Liturgie.
Nach der Messe steht die Sonne schon höher. Ihr Licht flutet durch die Kirchenfenster und spielt mit der weihrauchgesättigten Luft im Kircheninnern. Der Rosenkranz gleitet durch meine Finger.

Später lädt der Friedhof immer noch ein, im Schatten der Bäume zu verweilen. Es sind kleine Details, die diesem Ort einen ganz besonderen Zauber verleihen, die Amsel, die über den Weg hüpft, die Spinnweben in allerlei wuchernden Pflanzen und Blüten, die Namen und Inschriften auf den Gräbern, das Spiel von Licht und Schatten in den Blättern der Bäume und auf den Wegen. Ein großes Kruzifix erhebt sich in der Mitte.

Es fällt nicht leicht, sich von diesem Ort der Ruhe und des Friedens zu trennen. Draußen auf dem Petersplatz ist es laut und heiß. Ein Trinkwasserbrunnen wird umlagert. Vor einem Geschäft hat man einen zusammengebrochenen Obdachlosen notversorgt. Pilgergruppen ziehen heran. Ich wage mich in einen Andenken- und Devotionalienladen. Er ist gestopft voll, eng und vermutlich ein Paradies für Taschendiebe. Es gibt Rosenkränze und Kreuze, Medaillen und Bilder neben den üblichen Romsouvenirs. In Kisten stapelt sich auch Luce, das unsägliche Manga-Maskottchen des Jubiläumsjahres.
Seine starren glasigen Augen symbolisieren laut Vatikan „ die Hoffnung, die im Herzen jedes Pilgers entsteht, verkörpern das Streben nach Spiritualität und Verbindung mit dem Göttlichen und erinnern an eine universelle Botschaft des Friedens und der Brüderlichkeit“. Ich muß wohl ein phantasieloser und unspiritueller Mensch sein, daß ich das beim besten Willen nicht sehe…
Hier liegt sie also, die Hoffnung, in Plastikfolie eingetütete Massenware, vermutlich aus China, überflüssiger Wegwerfkitsch unter anderem Ramsch, der als Souvenir um die Aufmerksamkeit der Touristen buhlt.

Und anders als die PR-Strategen des Vatikan das behaupteten, wird Luce als Figur der Popkultur kaum dazu beitragen, die Kirche für die Jugend anschlußfähig zu machen oder diese gar nachhaltig zum Glauben zu führen.
Ein Pilger der Hoffnung braucht keinen Glücksbringer, kein unchristliches Lichtmaskottchen als Wegbegleiter, sondern sollte als Kind des Lichts das wahre Licht unseres Herrn, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, im Herzen tragen. Die Gnaden einer Pilgerfahrt nach Rom im Heiligen Jahr werden in den Herzen der Gläubigen, die mit Gott auf dem Weg waren und sind, unvergeßliche Spuren hinterlassen, die keiner weltlichen Souvenirs bedürfen.
Bild: Autorin