Die Schweizergarde und die Sedisvakanz

Das Konklave absichern


Am 6. Mai werden jährlich die Rekruten der Päpstlichen Schweizergarde vereidigt. Für dieses Jahr wurde die Vereidigung wegen der herrschenden Sedisvakanz und dem bevorstehenden Konklave verschoben
Am 6. Mai werden jährlich die Rekruten der Päpstlichen Schweizergarde vereidigt. Für dieses Jahr wurde die Vereidigung wegen der herrschenden Sedisvakanz und dem bevorstehenden Konklave verschoben

Die Schwei­zer­gar­de, seit über einem hal­ben Jahr­tau­send die Leib­gar­de des Pap­stes, hat wegen des Able­bens von Papst Fran­zis­kus und der bevor­ste­hen­den Wahl eines neu­en Pap­stes die dies­jäh­ri­ge Ver­ei­di­gung der neu­en Rekru­ten auf unbe­stimm­te Zeit verschoben.

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Tra­di­tio­nell erfolgt die Ver­ei­di­gung der neu­en Gar­di­sten jedes Jahr am 6. Mai. Damit ehrt die Gar­de ihre gefal­le­nen Brü­der. Am 6. Mai 1527 wur­den alle Gar­di­sten, bis auf zwei Dut­zend, die den damals regie­ren­den Papst in die Engels­burg in Sicher­heit gebracht hat­ten, von den Deut­schen Lands­knech­ten, die Rom plün­der­ten, bei der Ver­tei­di­gung des Vati­kans getötet.

Zum Zei­chen der Trau­er, und um die neu­en Gar­di­sten gleich auf den neu­en Papst zu ver­ei­di­gen, wur­de die dies­jäh­ri­ge Zere­mo­nie auf vor­erst unbe­stimm­te Zeit ver­scho­ben, jeden­falls auf die Zeit nach der Wahl des neu­en Kirchenoberhauptes.

„In die­sen Tagen der Trau­er und des Geden­kens nach dem Tod unse­res gelieb­ten Hei­li­gen Vaters Papst Fran­zis­kus kon­zen­triert sich die Schwei­zer­gar­de voll und ganz auf ihre eige­ne Mis­si­on und ver­eint sich im Gebet für sei­ne ewi­ge Ruhe“, heißt es in einer Erklä­rung des Korps.

Die Schwei­zer­gar­de wird bei allen Zere­mo­nien wäh­rend der Sedis­va­kanz anwe­send sein, wie z. B. bei der Beer­di­gung ds ver­stor­be­nen Pap­stes, und über die Sicher­heit der Kar­di­nä­le wachen, die in Rom ein­tref­fen wer­den, um in dem bevor­ste­hen­den Kon­kla­ve einen Nach­fol­ger zu wählen.

Die Schweizergarden in der Geschichte

Die Päpst­li­che Schwei­zer­gar­de wur­de 1506 als Leib­gar­de des Pap­stes errich­tet, als der dama­li­ge Papst Juli­us II. die als beson­ders kampf­taug­lich gel­ten­den Schwei­zer nach Rom hol­te. Schwei­zer­gar­den gab es im Lau­fe der Geschich­te auch in Paris zum Schutz des Königs von Frank­reich und in Wien zum Schutz des Kai­sers des Hei­li­gen Römi­schen Reichs.

Die Schwei­zer­gar­de des Kai­sers in Wien, ein pre­sti­ge­träch­ti­ger zere­mo­ni­el­ler Wach­ver­band in der Hof­burg, wur­de im Zuge der Mili­tär­re­for­men von Kai­ser Joseph II. 1767 auf­ge­löst. Das Schwei­zer­tor und der Schwei­zer­hof in der Wie­ner Hof­burg erin­nern noch heu­te an die­se Gar­de. Über den Schwei­zer­hof betritt man heu­te die Schatz­kam­mer, in der die Reichs­in­si­gni­en mit ihrer hoch­sym­bo­li­schen Bedeu­tung auf­be­wahrt wer­den. Auch die Schweiz gehör­te 850 Jah­re lang zu dem in der Reno­va­tio Impe­rii wie­der­errich­te­ten Hei­li­gen Römi­schen Reich, das ins­ge­samt ein­tau­send Jah­re Bestand hat­te, und in Nach­wir­kun­gen über den Deut­schen Bund und Öster­reich-Ungarn sogar bis 1918.

Die Schwei­zer­gar­de des fran­zö­si­schen Königs bestand bis August 1792, als sie die könig­li­che Fami­lie beim Sturm auf die Tui­le­rien gegen die Revo­lu­tio­nä­re ver­tei­dig­te und dabei fast völ­lig ver­nich­tet wur­de. Die Gar­di­sten, die über­leb­ten, wur­den anschlie­ßend hin­ge­rich­tet. In Luzern erin­nert das berühm­te Löwen­denk­mal an die bei die­sem Mas­sa­ker getö­te­ten Gardisten.

Die päpst­li­che Schwei­zer­gar­de ist der ein­zi­ge noch heu­te exi­stie­ren­de mili­tä­ri­sche Ver­band die­ser Art der einst in ganz Euro­pa gefürch­te­ten Schwei­zer Wehr­tüch­ti­gen. Die Schwei­zer­gar­di­sten sehen sich selbst als Brü­der, als sie nicht nur eine über die Dienst­pflicht hin­aus­ge­hen­de sol­da­ti­sche Tra­di­ti­on pfle­gen, son­dern sich als Teil einer leben­di­gen Bru­der­schaft mit einer höhe­ren Mis­si­on sehen. Ihr Akt der Brü­der­lich­keit ist ein Die­nen für eine höhe­re Sache, da sie bereit sind, mit ihrem Leben den Stell­ver­tre­ter Chri­sti auf Erden zu verteidigen.

Der Sacco di Roma

Der im Mai 1527 erfolgt Angriff der Deut­schen Lands­knech­te auf Rom (deutsch, weil es sich um die Lands­knech­te des Hei­li­gen Römi­schen Rei­ches Deut­scher Nati­on han­del­te), also der soge­nann­te „Sac­co di Roma“, gehört zu den dunk­len Kapi­teln der Geschich­te. Die Lands­knech­te waren eine Eli­te­trup­pe des Hei­li­gen Römi­schen Rei­ches und kämpf­ten damals in Nord­ita­li­en für Kai­ser Karl V. gegen fran­zö­si­sche Expan­si­ons­be­stre­bun­gen zu Lasten des Rei­ches. Ober­ita­li­en war damals noch weit­ge­hend als Reichs­ita­li­en Bestand­teil des Hei­li­gen Römi­schen Rei­ches. Die Lands­knech­te waren, anders als es heu­te ihr Ruf ver­mu­ten lie­ße, eine sehr dis­zi­pli­nier­te Trup­pe, aller­dings nur, solan­ge sie ihren Lohn erhiel­ten. Genau die­ser war damals aus­ge­blie­ben. Damit sahen sich die­se Sol­da­ten nicht mehr ver­pflich­tet. Ihr Grün­der und Anfüh­rer Georg von Frunds­berg hat­te just zu jener Zeit, als sich Auf­ruhr unter den Män­nern breit­mach­te, im Feld­la­ger einen Schlag­an­fall erlit­ten, an dem er kur­ze Zeit spä­ter starb. Damit fehl­te es in die­sem brenz­li­gen Moment an der unein­ge­schränk­ten Auto­ri­täts­fi­gur. Empört und füh­rungs­los ent­schie­den die Lands­knech­te eigen­mäch­tig, gegen Rom zu mar­schie­ren, obwohl die Ewi­ge Stadt zu kei­nem Zeit­punkt ein Kriegs­ziel ihres Kai­sers war. In Rom woll­ten sich die Lands­knech­te schad­los hal­ten für den aus­ge­blie­be­nen Sold.

Bei der Aus­wahl des Ziels spiel­te es eine ent­schei­den­de Rol­le, daß unter den Lands­knech­ten der grö­ße­re Teil bereits mit der neu­en pro­te­stan­ti­schen Leh­re sym­pa­thi­sier­te. Zwar war die Spal­tung noch nicht ent­lang genau­er Lini­en voll­zo­gen – das soll­te sich noch eini­ge Jahr­zehn­te hin­zie­hen –, aber die mas­si­ven pro­te­stan­ti­schen, vor allem luthe­ri­schen Angrif­fe gegen Rom als „Hure Baby­lons“ hat­ten ihre Wir­kung nicht ver­fehlt. An die­ser angeb­lich so rei­chen „Hure“ konn­te man sich ohne mora­li­sche Beden­ken schad­los hal­ten. Es lag also eine bewuß­te Güter­ab­wä­gung vor, auch reli­giö­ser und poli­ti­scher Natur.

Der eigent­li­che Sac­co di Roma, die Plün­de­rung Roms, begann am 6. Mai 1527 und dau­er­te etwa zehn Tage. Der neue Kom­man­dant der Lands­knech­te, Karl von Bour­bon, ein von Karl dem Gro­ßen abstam­men­der und mit dem fran­zö­si­schen Königs­haus ver­wand­ter Hoch­ari­sto­krat, der sich jedoch auf die Sei­te des Kai­sers gestellt hat­te, wird beim Angriff getö­tet, was die Trup­pe noch zügel­lo­ser mach­te. In die­sen ersten Tagen kommt es zu syste­ma­ti­schen Plün­de­run­gen, Kir­chen­raub, Miß­hand­lun­gen von Kle­ri­kern, Ver­ge­wal­ti­gun­gen von Frau­en und ins­ge­samt zur Ver­wü­stung von Kunst­wer­ken. Die Beset­zung Roms hielt ins­ge­samt meh­re­re Wochen bis in den Juni hin­ein an.

Die Opfer­bi­lanz ist tra­gisch. Genaue Zah­len feh­len, wes­halb es eine Schwan­kungs­brei­te gibt. So sol­len zwi­schen 6.000 und 12.000 Men­schen direkt wäh­rend der ersten zehn Tage ums Leben gekom­men sein, dar­un­ter neben den kämp­fen­den Trup­pen auch vie­le Frau­en, Kin­der, Kle­ri­ker und Ordens­frau­en. Zu den Opfern sind auch die Toten zu zäh­len, die an den Fol­gen des „Sac­co“ star­ben: an Hun­ger, Krank­hei­ten und Verwahrlosung.

Vor dem Angriff leb­ten rund 60.000 Men­schen in Rom. Im Som­mer 1527, nach dem Abzug der Lands­knech­te, war es kei­ne 15.000 mehr. Der Rest war getö­tet, geflüch­tet oder an den Fol­ge­wir­kun­gen wie Seu­chen und Hun­ger gestor­ben. Der Flo­ren­ti­ner Chro­nist Fran­ces­co Guic­ciar­di­ni schrieb als Zeit­ge­nos­se der Ereignisse: 

„Es war kein Sac­co, es war eine Ver­wü­stung, wie sie Rom seit den Goten nicht mehr erlebt hatte.“

Die West­go­ten unter ihrem König und Heer­füh­rer Ala­rich hat­ten im August 410 Rom erobert, was einen Schock aus­lö­ste und einen tief­grei­fen­den Wen­de­punkt in der Geschich­te und den Nie­der­gang des Römi­schen Reichs zur Fol­ge hat­te. Ein ande­rer ita­lie­ni­scher Chro­nist schrieb zum „Sac­co“:

„Die Luthe­ra­ner haben Kir­chen geschän­det, Altä­re zer­bro­chen, Hosti­en mit Füßen getre­ten und die Non­nen zum Tanz gezwungen.“

Cle­mens VII. konn­te sich dem Zugriff durch die Lands­knech­te ent­zie­hen, weil ihn 40 Schwei­zer­gar­di­sten in die Engels­burg in Sicher­heit gebracht hat­ten. Die­se wur­de einen Monat lang bela­gert, ohne die Festung ein­neh­men zu kön­nen. Der Papst selbst war als Bela­ger­ter aller­dings zum Gefan­ge­nen gewor­den. Schließ­lich ver­stän­dig­te er sich auf eine hohe Löse­geld­zah­lung an die Lands­knech­te und eine Aus­söh­nung mit Kai­ser Karl V.

Wäh­rend die Schwei­zer­gar­de im Kampf um den Vati­kan auf­ge­rie­ben wor­den war, fie­len auch 16 der 40 Gar­di­sten bei der Ver­tei­di­gung der Engels­burg. Der „Sac­co“ war die „Blut­tau­fe“ der Schwei­zer­gar­de. Die Schwei­zer hat­ten hero­isch ihren Eid unter Beweis gestellt, bereit zu sein, das eige­ne Leben zu opfern, um bis zum letz­ten Mann das Leben des Pap­stes zu verteidigen.

Das Konklave

Seit­her wird der 6. Mai als Tag der Schwei­zer­gar­de began­gen. Schwei­zer Gar­dist kann nur ein Schwei­zer Staats­bür­ger wer­den, der sei­nen Mili­tär­dienst in der Schweiz gelei­stet hat, männ­lich, unver­hei­ra­tet und katho­lisch ist. Die Eides­for­mel lei­stet dabei jeder Gar­dist in sei­ner Mut­ter­spra­che Deutsch, Ita­lie­nisch, Fran­zö­sisch oder auch Rätoromanisch.

Die gestern mit dem Tod von Papst Fran­zis­kus ein­ge­tre­te­ne Sedis­va­kanz führ­te zu einer Ver­schie­bung der dies­jäh­ri­gen Ver­ei­di­gung. Der genaue Zeit­plan steht noch nicht fest, doch könn­te es sein, daß die nach jet­zi­gem Stand vor­aus­sicht­lich 134 Papst­wäh­ler genau am 6. Mai sich in die Six­ti­ni­sche Kapel­le zurück­zie­hen wer­den (der kroa­ti­sche Kar­di­nal Vin­ko Pul­jić aus Bos­ni­en, Erz­bis­tum Vrhbos­na, kün­dig­te an, aus gesund­heit­li­chen Grün­den dem Kon­kla­ve fernzubleiben).

Zur Ver­pflich­tung der Gar­de gehört es, in der Sedis­va­kanz die geord­ne­te Wahl eines neu­en Pap­stes sicher­zu­stel­len, um wie­der einen ober­sten Befehls­ha­ber und das Ziel ihrer Loya­li­tät zu erhalten.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL

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