Dieser Beitrag erschien zuerst in der Ausgabe 44/2025 (November) des Attersee Reports, der Publikation des Atterseekreises innerhalb der Freiheitlichen Partei Österreichs. Die Aufgabenstellung bestand in der Abfassung eines Leitartikels für die dem Generalthema „Reconquista“ gewidmete Ausgabe. Hauptthema sollte die von innen und außen bedrängte, gleichsam belagerte Lage der Kirche sein. – Der Text wird mit freundlicher Erlaubnis der Redaktion des Attersee Reports weiterverwendet. Zuzüglich zu geringfügigen Korrekturen wurden einige Internetverbindungen eingefügt.
Von Wolfram Schrems*
Bekanntlich setzt die Geschichtsschreibung die spanische Reconquista mit dem Sieg des Westgotenkönigs Pelayo in Covadonga im Jahr 718 oder 722 an. Nach einigem Hin und Her konnte Spanien im Jahr 1492 von den islamischen Invasoren befreit werden. Wie es scheint, war der Wille zur Rückeroberung weit verbreitet. Davor musste freilich die richtige Diagnose gestellt werden: Diese besagte, dass es sich eben um eine Besatzung und, in den noch freien Gebieten, um eine Belagerung handelte. Wenn wir uns also im Folgenden Gedanken zu einer zeitgenössischen Reconquista machen, müssen wir zuerst festhalten, dass wir im gesellschaftlichen Maßstab von einer adäquaten Diagnose der Situation weit entfernt sind. Verpönt ist etwa der positive Rekurs auf Befreiungskriege in der Vergangenheit, besonders das Gedenken für 1683 wird schon länger als irgendwie „rechtsradikal“ o. ä. verleumdet. Da und dort gibt es Leute, die ein Licht auf die Vergangenheit werfen und etwa die Kreuzzüge in einen größeren Zusammenhang stellen. Die waren ja – zumindest von der Idee her, wenn auch nicht immer von der Durchführung – Akte der Notwehr und der Nothilfe. (Der Youtuber ApoTrad thematisierte das vor kurzer Zeit im Stil zeitgenössischer Video-Ästhetik, aber inhaltlich durchaus profund.) Falls jemand in der Öffentlichkeit von einem gegenwärtigen Zustand der Unfreiheit oder der Besatzung sprechen sollte, treten sofort die Heckenschützen auf den Plan: Wer für die Befreiung eintritt, kann ja wohl nur ein Rechtsradikaler sein. Diese Taktik wurde von einer vereinheitlichten Medienlandschaft besonders im Corona-Terror so praktiziert. Wir dürfen also gemäß diesem Diktat nicht einmal aussprechen, dass es einen Besatzungszustand gibt, geschweige denn eine Befreiung wollen. Das betrifft den weltlichen wie auch den kirchlichen Bereich. Besonders diesen. Denn der Fisch beginnt am Kopf zu stinken. Das „Trojanische Pferd“ war schon vor einiger Zeit in die „Stadt Gottes“ gebracht worden, um auf einen Alarmruf des katholischen Philosophen Dietrich von Hildebrand aus dem Jahr 1967 anzuspielen. Im Vatikan begann spätestens 1962, dem Beginn des II. Vatikanischen Konzils, ein neuer Geist zu herrschen. Diesen kann man „trans“ nennen: Die Kirche sollte sich „transformieren“, etwas „anderes“ werden. Um das zu erreichen, wurden der überlieferte Glaube und die überlieferte Liturgie de facto, wenn auch nicht de iure, abgeschafft. Eine neue Liturgie, flach, künstlich, vieldeutig, wurde zwangsweise oktroyiert. Ein völlig neuer Weltoptimismus brach aus, eine regelrechte Euphorie. Plötzlich fraternisierte die Kirche mit den weltlichen Mächten, man lag sich förmlich in den Armen (zumindest sah es so aus). Ausgenommen von der Verbrüderung waren nur die glaubenstreuen Katholiken. Eine bisher unbekannte Tyrannei in der Kirche wurde etabliert. Die Regeln wurden außer Kraft gesetzt, die Willkür begann zu herrschen. Offenbar war die Bemannung des Trojanischen Pferdes erfolgreich gewesen. – Erfreulicherweise äußerte sich vor kurzem immerhin Kardinal Gerhard Ludwig Müller, vom „Diktatorpapst“ (Henry Sire) rüde abgesetzter Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre und bedeutender Theologe, in einem Interview mit dem Titel „Kirche im Belagerungszustand“. Damit bleibt er eine von leider nur sehr wenigen Stimmen. Wir befinden uns also in einer weit schlechteren Situation als die Iberer im 8. Jahrhundert. Wir wurden ja darauf dressiert, unseren Zustand gut zu finden – in der Kirche wie in der Politik.

Die Krise des Papsttums als Offenbarung seines Wesens…
Das Tun und Lassen der Kirche hat Auswirkungen auf die ganze Welt, im Guten wie im Schlechten. Freund und Feind, Gläubige und Nichtgläubige erkennen an, dass das Papstamt eine sakrale Größe ist. Daher richtet sich die Aufmerksamkeit praktisch der ganzen Welt auf das Konklave und viele warten gespannt auf das Habemus Papam. Nur zum Vergleich: Wer beispielsweise der Präsident des Lutherischen Weltbundes ist, emotionalisiert vergleichsweise weniger Leute. Aber es gibt eine Krise in Rom: Das Bergoglio-Pontifikat war – nach einigen Jahrzehnten des päpstlichen Schwankens in zentralen Fragen – ein präzedenzloses Chaos. In ihm wurden die Katastrophen des Papsttums und des Jesuitenordens grell offenbar. Bleibende Ärgernisse sind die ausdrückliche Verleugnung Christi in Abu Dhabi und in Singapur, die Verbrüderung mit den phármakoi, den „Giftmischern“ nach Apk 21, 8, die Unterdrückung der Überlieferten Messe und die Anbetung des „Migranten“. Gläubige Katholiken wurden wie Aussätzige behandelt. Es war eine Schande des Petrusamtes. Aber das ist genau der Punkt: Die Folgen der Ausübung dieses sakralen Amtes schwappen in den weltlichen Bereich hinüber. Die Krise zeigte, dass dieses heilige Amt im Guten wie im Schlechten die ganze Welt betrifft. – Papst Leo XIV. zeigte nach seiner Wahl im Gegensatz zu seinem Vorgänger ein würdiges Auftreten und gute Manieren. Die Hoffnungen sind allerdings nach etwa einem halben Jahr zerstoben. Letztens segnete Papst Leo im Beisein eines österreichischen Politclowns einen Grönländischen Eisblock, um seitens des Vatikans den Klimaunsinn neu zu befeuern. Diese groteske Szene ist gleichsam die Strafe Gottes für die schlechte Politik der letzten Päpste. Der bislang schlimmste Schlag gegen den Glauben war das interreligiöse „Friedensgebet“, das der Papst mit der notorischen Gemeinschaft Sant‘Egidio am 28. Oktober im Kolosseum beging, um des fatalen Konzilsdokuments Nostra aetate zu gedenken, ausgerechnet am Festtag der Apostel Simon und Thaddäus, die ihr Leben für den wahren Glauben hingaben. Hat man die giftigen Früchte immer noch nicht bemerkt? Sechzig Jahre Selbstzerstörung ist den Kirchenführern offenbar nicht genug.
…und die schlimmen Folgen für alle

Warum ist das für die Leserschaft eines säkularen, politischen (oder „metapolitischen“) Periodikums von Interesse? Weil, wie der bedeutende, aber leider zu wenig bekannte Politikphilosoph Eric Voegelin (1901–1985) sagte, politische Fragen letztlich theologische sind. Jede Politik baut auf Axiomen auf, an die deren Proponent sozusagen glauben muss. Diese Axiome haben, ob sie richtig oder falsch sind, auch bekenntnishaften Charakter: Von daher ist es für Politiker und Politikgestalter unsinnig zu sagen, sie würden eine „wertfreie“ oder „neutrale“ oder „rein sachorientierte“ Politik machen. Unvermeidlicherweise werden Werte, Parteinahmen, Bekenntnisse und Bewertungsmaßstäbe vorausgesetzt. Fatal für eine Politikgestaltung, die sich nach bestem Wissen und Gewissen am bonum commune ausrichten will, ist die Beobachtung, dass die Kirchenhierarchie als Verwalterin der Offenbarung Gottes ihre eigene Sendung verrät. Willkürherrschaft in der Kirche ist ein desaströses Vorbild für die Politik. Das beginnt beim Ersten Gebot: Ganz offensichtlich nützen die interreligiösen „Friedensgebete“ (beginnend mit Assisi im Jahr 1986, auch von Benedikt XVI. im Jahr 2011 abgehalten) dem Weltfrieden nicht. Irgendetwas ist bei diesen Spektakeln offenbar falsch gelaufen. Von einer Ausbreitung von Frieden und Versöhnung kann ja keine Rede sein, im Gegenteil. Die Christenverfolgung in den islamischen Ländern und sonst wo ist längst bei uns angekommen. Sie ist u. a. Folge der Ersetzungsmigration (replacement migration). Auch das wird von der Kirchenhierarchie befeuert: Der „Migrant“ ist gewissermaßen Objekt der Anbetung geworden. In der vor kurzem promulgierten Apostolischen Exhortation Dilexi te gelangt Papst Leo zu der aberwitzigen Aussage: „Sie [die Kirche] weiß, dass ihre Verkündigung nur dann glaubwürdig ist, wenn sie sich in Gesten der Nähe und der Aufnahme ausdrückt; und dass in jedem zurückgewiesenen Migranten Christus selbst an die Türen der Gemeinschaft klopft“ (§75). Mit Verlaub, aber das ist Unfug und an der Grenze zur Blasphemie. Wie man an dieser schauderhaften Aussage sieht, fehlt den Kirchenoberen jede nüchterne Beurteilung der Situation. Dem „Migranten“ (was für ein verlogenes Wort, er „migriert“ ja nicht weiter, sondern setzt sich fest) kommt selbstverständlich keine sakrale Qualität zu. Eine Berufung auf Mt 25, 35 („Ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen.“ zit. in §73) muss scheitern, da dieses Herrenwort selbstverständlich individuelle und privat finanzierte Werke der Nächstenliebe und Wohlfahrtspflege und keine orchestrierte und steuergeldfinanzierte Masseninvasion zum Schaden der Aufnahmegemeinschaft anzielt. Die „Migranten“ „klopfen“ auch nicht „an“, sondern dringen ein. Auch der Papst unterschlägt, dass der Weltkatechismus in §2241 immerhin darauf hinweist, dass die Staaten das Recht haben, die Einwanderung Beschränkungen zu unterwerfen. Natürlich, denn mit Chaos und Bürgerkrieg ist niemandem gedient. Der Bevölkerungsaustausch ist selbstverständlich kein Gebot Gottes. Der ordo dilectionis, die „Ordnung der Nächstenliebe“, kann für einen Verantwortungsträger eines Staates nur bedeuten, zunächst die eigenen Staatsbürger zu schützen – oder von der Besatzung zu befreien. Eine „Befreiungstheologie“ für Europa, wenn man das so sagen möchte, wäre jetzt an der Zeit. Auch aufgrund der Sakralisierung des „Migranten“ durch die Kirche selbst kommen die europäischen Staatenlenker der Verpflichtung zur Sicherung des Gemeinwohls schändlicherweise nicht nach. Die kirchliche Obrigkeit müsste wissen, dass die Orchestrierung der Migrationsströme der Abschaffung der Nationalstaaten und ihrer Völker vorarbeiten soll. Auch in den anderen Fragen ist Dilexi te ein schmerzlich zu lesender Wortsalat in der Phraseologie der sechziger Jahre. Wie es aussieht, steht dieses Werk im inhaltlichen Zusammenhang mit dem „Katakombenpakt“, einer Selbstverpflichtung revolutionärer, „befreiungstheologisch“ orientierter Bischöfe des Jahres 1965. Einer von denen, Dom Hélder Câmara, inspirierte später sogar Klaus Schwab, wie dieser selbst (ab 22:34) berichtete. Hier sieht man wiederum die Verbindung „linker“ und marxistisch ausgerichteter Kräfte mit Hochfinanz, Technokratie und Transhumanismus. In Rom findet man das wohl gut. Gleichzeitig bekämpft man dort das Erbe der Rückeroberung: Das vatikanische Staatssekretariat hat letztens gebeten, den Seligsprechungsprozess für Königin Isabella I. von Kastilien (1451 – 1504) „aus Gründen politischer Vorsicht“ zu pausieren. Isabella und ihr Mann Ferdinand waren die Hauptprotagonisten des letzten Abschnitts der Reconquista. Nunmehr schämt man sich dieser bedeutenden katholischen Persönlichkeit sogar im Vatikan selbst. Mit einer solchen Gesinnung wird es schwierig mit einer Wiedergewinnung Europas für den Glauben.
Nichts Neues in Wien
Nun wurde bekannt, dass auch der vakante Stuhl des Wiener Erzbischofs einen neuen Inhaber bekommen wird. Auch diese illustre Persönlichkeit hat sich in aller Öffentlichkeit ausdrücklich gegen die überlieferten und gültigen Regeln gestellt, indem er die Lieblingsthemen der innerkirchlichen Besatzungsmacht hochspielte, nämlich den (unvermeidlichen) Zölibat und die (unmögliche) Frauenweihe. Immer dieselben Phrasen. Aber wo bleibt die Wiedergewinnung der Christenheit, wo die Umkehr, wo der Kampf gegen die himmelschreienden Gräuel? Warum äußern sich unsere Hierarchen gegen den angeblich „menschengemachten Klimawandel“, nicht aber gegen die menschengemachte massenhafte Abtreibung ungeborener Kinder? Der Weltkatechismus wäre eigentlich überaus deutlich: In §2273 wird eingemahnt, dass der Staat – natürlich – das Leben des ungeborenen Menschen im Mutterleib mit „geeigneten Strafmaßnahmen“ schützen müsse. Redaktionssekretär des Katechismus war Kardinal Schönborn, als er noch Theologieprofessor im Schweizerischen Freiburg war. Er müsste also wissen, was dort geschrieben steht. In die bischöfliche Verkündigung floss es genauso wenig ein wie der oben erwähnte §2241 über das Recht der Staaten (nicht der EU, der UNO oder der „NGOs“), über die Einwanderung zu entscheiden. Eine pauschale Erklärung der „Migranten“ zu „Missionaren der Hoffnung“, wie es (nach der problematischen Botschaft von Papst Leo XIV. zum 111. Welttag des Migranten und Flüchtlings 2025) in den Schaukästen der Wiener Pfarren plakatiert wurde, wäre illusorisch und unkatholisch. Während die Hierarchen mit beiden Beinen fest in den Wolken stehen, werden Katholiken und andere zu Opfern der „Migranten“-Gewalt. Wie man sieht, wird seitens der universalen und lokalen Kirchenhierarchie derzeit alles in der Glaubens- und Sittenlehre irgendwie „trans“ gemacht – zum Schaden aller. Das scheint aber im Trend der Zeit zu liegen. Immerhin ist, wie es jemand vor kurzem sagte, der „Fürst dieser Welt“ das erste „Trans“-Wesen. Er wollte sein, was er nicht sein konnte. „Ihr werdet sein wie Götter“: Das erste Menschenpaar fand dieses Versprechen interessant. Jetzt kommt das in massierter, dreister Aufdringlichkeit schon wieder daher. Aber die berufenen Autoritäten der Kirche setzen dem nichts entgegen.
Resümee
Die allgegenwärtigen Angriffe auf Glaube, Familie, Gesundheit, Kunst, Sprache, Tradition und Völker zeugen vom Wirken des Bösen. Die Kirchenhierarchie scheint das wenig zu interessieren. Andererseits werden sich immer mehr Menschen der Herrschaft der Lüge sehr wohl bewusst, auch im Klerus. Erstaunlicherweise sind viele junge Leute darunter. Wo muss die Reconquista also beginnen? Vielleicht wiederum in Covadonga. Seit 2021 findet nämlich eine Fußwallfahrt von Oviedo nach Covadonga im Geist der Tradition statt. Die Teilnehmerzahlen gingen steil nach oben – trotz der Schikanen der Kirchenobrigkeit und des Verbots der Lateinischen Messe in den Kirchen. Nichtsdestotrotz lässt man sich nicht abhalten. (Ähnliches gilt für die ebenfalls immer besser besuchte traditionelle Fußwallfahrt von Paris nach Chartres der ehemaligen Ecclesia-Dei-Gemeinschaften und in die Gegenrichtung der Priesterbruderschaft St. Pius X.). Es ist durchaus sinnbildlich: Die meist jungen Teilnehmer interessieren sich nicht für das von immer denselben Nostalgikern permanent gefeierte „Konzil“. Sie haben eine Aversion gegen die sogenannte „Liturgiereform“, die eine Revolution von oben war. Sie wissen, dass sich vor etwa 1300 Jahren in Covadonga heroische Initiative mit einem himmlischen Eingreifen verband. Sie wissen um den Bestand von Zivilisation, Freiheit und Wahrheit auf dem Boden des überlieferten Glaubens. Sie wissen darum, dass die Reconquista zuerst im eigenen Inneren beginnen muss. Sie beginnt mit dem Widersagen gegen die Anmaßung des Vaters der Lüge. Wenn sich das auch im Vatikan herumspricht, und natürlich in die Wollzeile, dann wäre das schon einmal ein guter Ausgangspunkt für eine Reconquista.
*Wolfram Schrems, Mag. theol., Mag. phil., Katechist, Pro Lifer, politisch interessiert, intensiver Gedankenaustausch mit dem „Dritten Lager“
Bild: Wikicommons/MiL

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