Bischof Athanasius Schneider benannte in einem ausführlichen Exklusivinterview mit Michael Haynes für Per Mariam die aktuellen Herausforderungen der katholischen Kirche klar. Er sieht die Kirche in einer „noch nie dagewesenen Verwirrung im Glauben“ – eine Situation, die Moral und Liturgie betrifft – und ruft Papst Leo XIV zu entschlossenem Handeln auf. Schneider warnt:
„Wir können als Kirche nicht weiterhin in noch mehr Verwirrung hineingehen. Das ist gegen Christus selbst, gegen das Evangelium. Christus kam, um uns die Wahrheit zu bringen, und Wahrheit bedeutet Klarheit“, so Bischof Schneider zu Michael Haynes.
Per Mariam ist ein katholisches Online-Magazin, das von dem britischen Journalisten Michael Haynes gegründet wurde mit besonderem Schwerpunkt auf der Bewahrung der unfehlbaren Lehre und der zeitlosen Tradition der Kirche. Haynes gehört zu dem beim Heiligen Stuhl akkreditierten Pressekorps. Er publiziert für LifeSiteNews, American TFP, La Nuova Bussola Quotidiana und OnePeterFive und tritt als Kommentator auf Nachrichtensendern wie Newsmax und FOX in Erscheinung.
Die dringlichste Aufgabe des Papstes
Für Schneider ist die vorrangige Aufgabe des Papstes, die Gläubigen im Glauben zu bestärken. Er verweist auf historische Präzedenzfälle, wie das „Credo des Gottesvolkes“ von Papst Paul VI. im Jahr 1968, das dazu diente, Verwirrung über Glaubensfragen zu klären:
„Dies könnte in einer Art Glaubensbekenntnis geschehen, ähnlich dem, was Paul VI. 1968 tat, genannt ‚Credo des Gottesvolkes‘, in dem er in Form eines Glaubensbekenntnisses Fragen und Themen darlegte, die in der Kirche damals geleugnet oder verwirrt wurden. Nach fast 50 Jahren ist dies noch dringlicher; die Verwirrung hat zugenommen und nicht abgenommen, besonders während des letzten Pontifikats“, so der Weihbischof von Astana.
Msgr. Schneider fordert ein klares päpstliches Zeugnis, das sowohl den Gläubigen als auch den Bischöfen Orientierung bietet:
„Daher ist die dringendste Aufgabe, daß der Papst einen Akt seines Lehramtes vollzieht, um alle im Glauben zu stärken… Dies wäre zugleich eine der größten Taten der Nächstenliebe des Papstes gegenüber seinen geistlichen Kindern, den Gläubigen, und gegenüber seinen Brüdern, den Bischöfen.“
Akzeptanz von Menschen und Grenzen der Kirche
Ein zentraler Punkt des Interviews war die Frage nach der katholischen Haltung gegenüber Menschen, die Lebensweisen wählen, die der Kirche widersprechen, insbesondere im Kontext homosexueller Paare. Schneider äußerte deutliche Kritik an Dokumenten wie Fiducia supplicans, das zwar „Akzeptanz“ signalisiere, aber zugleich Verwirrung über den Segen von gleichgeschlechtlichen Paaren verbreite:
„Zunächst einmal verwendet Fiducia supplicans ausdrücklich die Worte ‚gleichgeschlechtliche Paare‘. Das wird in diesem Dokument verwendet. Und das ist bereits eine riesige Verwirrung, weil es um einen Segen geht… Daher muß dieses Dokument abgeschafft werden, weil offensichtlich ist – wie es formuliert ist, hochgradig mehrdeutig in einer für die Kirche wichtigen Angelegenheit –, daß selbst Katholiken den Text als Erlaubnis verstehen, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen.“
Schneider betont, daß wahre Akzeptanz niemals bedeuten darf, Sünde oder einen Lebensstil, der der göttlichen Ordnung widerspricht, zu bestätigen:
„Wir müssen sagen: ‚Wir lieben dich als Person, selbst wenn du noch nicht bereit oder willens bist, dich zu bekehren, aber wir lieben dich und beten, daß du den Willen Gottes annimmst, dich zu bekehren.‘ Das ist der einzige Weg zum ewigen Heil; es gibt keinen Weg ohne Umkehr.“
Für Schneider bedeutet christliche Akzeptanz also Liebe zur Person, verbunden mit dem Aufruf zur Umkehr und zur Annahme des göttlichen Willens. Eine Bestätigung von Sünde sei niemals erlaubt:
„Dies ist ein Verrat am Evangelium: Die Kirche würde ihre Mission verraten, Seelen zu retten und alle zur Umkehr aufzurufen.“
Der Sinn des „gemeinsamen Gehens“ (Synodalität)
Im Hinblick auf den Vorbereitungsprozeß zur Synodalversammlung 2028 äußerte Schneider seine Sicht zum viel zitierten Thema „walking together“ („gemeinsam gehen“). Er betont die klare Zielorientierung der Kirche: Der Weg der Kirche sei nicht das bloße Zuhören nach weltlichen Maßstäben, sondern die klare Orientierung an Jesus Christus:
„Gemeinsames Gehen, oder auf friechisch synodus, ist der einzige Weg, den die Kirche kennt und den sie hat. Wie unser Herr sagte: ‚Ich bin der Weg, ich bin die Wahrheit, ich bin das Leben.‘ Das ist das Programm.“
Schneider beschreibt die Kirche als pilgernde Gemeinschaft auf dem Weg zum Himmel. Das sei ein altes, kein neues Verständnis und könne nicht für Abweichungen von der Lehre mißbraucht werden:
„Wir sind auf einer Pilgerreise zum Himmel, zum himmlischen Jerusalem, das auf uns wartet. Die Kirche muß den Menschen immer klarmachen, daß dies das Ziel unseres gemeinsamen Gehens ist, zum himmlischen Jerusalem.“
Dabei warnt er jedoch vor falschen Propheten und Täuschungen innerhalb der Kirche, die den Gläubigen Orientierung verwehren könnten:
„Leider haben wir in unserer Mitte falsche Propheten, und daher müssen wir wachsam sein, damit diese falschen Propheten die anderen nicht verwirren und verderben.“
Liturgie, Evangelisation und geistliche Führung
Schneider legt besonders großen Wert auf die Rolle der Liturgie als Ausdruck des Glaubens und als Mittel der Evangelisation:
„In unserem gemeinsamen Gehen müssen wir dies auch in der heiligen, schönen, würdevollen Liturgie ausdrücken. Das ist ein kraftvolles Mittel der Evangelisation – um Nicht-Katholiken und Ungläubige, die metaphorisch unsere Prozession beobachten, einzuladen.“
Die Kirche müsse durch ihr Zeugnis zeigen, daß sie in Christus verwurzelt ist und die Menschheit von Sünde und Tod befreien kann, angefangen bei den schwerwiegenden Sünden, die die Seele zerstören:
„Wir müssen der Kirche dies durch unser Leben eindrücklich zeigen… um die Menschheit von den tödlichen geistlichen Krankheiten der Laster und der Strukturen der Sünde gegen den Willen Gottes zu befreien.“
Für Schneider ist die Verbindung von Wahrheit, Liturgie und Evangelisation zentral: Die Kirche lehrt nicht nur, sie führt die Gläubigen durch die Schönheit und Würde der Liturgie in die Wahrheit Christi:
„Daher haben die Kirche, der Papst und die Bischöfe die sehr ernste Aufgabe, die Wahrheit zu verkünden, sicherzustellen, daß die gesamte irdische Existenz der Kirche die Wahrheit verkündet.“
Fazit: Klarheit, Umkehr und gemeinsames Gehen
Bischof Schneider betont mit Nachdruck, daß die Kirche in dieser Zeit der Verwirrung einen klaren Kurs braucht: Sie muß die Gläubigen im Glauben stärken, darf die Sünde nicht bestätigen, sondern hat die Menschen mit Liebe zur Umkehr einzuladen. Liturgie und Lehre müssen sichtbares Zeugnis der Wahrheit Christi sein. Er sieht in diesem Weg eine klare Hierarchie, die durch die Wahrheit und das Zeugnis Christi geleitet wird, und eine Synodalität, die auf das Ziel des Himmels ausgerichtet ist.
Die Botschaft Schneiders ist deutlich: Die Kirche darf sich nicht durch Verwirrung oder Kompromisse von ihrer Mission abbringen lassen. Sie ist dazu berufen, klar und überzeugend den Glauben zu verkünden, die Gläubigen in der Wahrheit und zur Wahrheit zu führen und das Heil Gottes allen Menschen anzubieten.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Youtube (Screenshot)

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