
Am 9. Oktober erschien in den USA das Buch The Trojan Horse in the Catholic Church („Das Trojanische Pferd in der katholischen Kirche“). Autor ist „Father Enoch“ – ein Pseudonym eines Priesters, der anonym bleiben möchte, „wegen der Risiken von Repressionen gegen diejenigen, die den Modernismus und die Häresie in der Kirche kritisieren“.
Das Vorwort zum Buch stammt von Kardinal Gerhard Müller, den Papst Benedikt XVI. nach Rom berief und zum Präfekten der Glaubenskongregation ernannte. Aus dieser zentralen Aufgabe wurde Kardinal Müller im Jahr 2017 von Papst Franziskus entlassen, nachdem er versucht hatte, den neuen bergoglianischen Kurs zu korrigieren beziehungsweise die Kirche auf ihrem bisherigen Weg zu halten.
Das Vorwort ist ein bedeutendes Dokument, das in den zu erwartenden Auseinandersetzungen während des gegenwärtigen Pontifikats wegweisend sein könnte. Kardinal Müller erteilte dem Übersetzer die Erlaubnis, eine deutsche Fassung zu erstellen und zu verbreiten.
Vorwort zu „Das Trojanische Pferd in der katholischen Kirche“
Von Gerhard Kardinal Müller*
Gerne habe ich die Einladung angenommen, ein Vorwort zu schreiben zu dem Werk „Das Trojanische Pferd in der katholischen Kirche. Die Synode über Synodalität: Der Versuch, Hierarchie und moralische Ordnung der Braut Christi umzukehren“ (im folgenden zitiert als „Das Trojanische Pferd“). Das Werk bietet, wie ich finde, einen guten Überblick über das Schlußdokument der „Synode über Synodalität“ und ist zugleich eine wertvolle Kritik an ihm.
Ich nahm an den Sitzungen der beiden Versammlungen der „Synode über Synodalität“ in den Jahren 2023 und 2024 teil und konnte unmittelbar sowohl die internen Abläufe beider Versammlungen verfolgen als auch die vorbereiteten Tagesordnungen einsehen.
Ich sah, wie das Wesen der Bischofssynode nun grundlegend verändert worden war. Sie war nicht länger eine authentische bischöfliche Veranstaltung, eine Zusammenkunft der Apostelnachfolger, um vom Papst ausgewählte Themen zu diskutieren und dann den Heiligen Vater in diesen Dingen zu beraten. Nicht länger wurde den einzelnen Bischöfen Gelegenheit gegeben, sich an ihre Brüder im Bischofsamt zu wenden, ihre Gedanken darzulegen und ihre Kommentare auf vernünftige Weise vorzutragen. Die Bischöfe wurden jetzt herabgestuft, sie erhielten den gleichen Teilnehmerstatus wie die Laien. Ein Vorgehen nach Art des deutschen „Synodalen Weges“, das mehr dem anglikanischen denn dem katholischen Verständnis von Auftrag und Natur der Kirche entspricht. Letzteres wird authentisch erklärt im dritten Kapitel von Lumen Gentium: Die hierarchische und sakramentale Verfassung der heiligen Kirche.
Auf der Synode wurde dieses neue Format ‒ man spricht auch von „synodalem Prozeß“ ‒ als Mittel verwendet, um die hierarchisch-sakramentale Struktur der Kirche zu untergraben und sie durch eine „umgekehrte Pyramide“ der Leitung zu ersetzen ‒ eines der Themen des „Trojanischen Pferdes“. Der Plan zur Umsetzung des „synodalen Prozesses“, zu der das Schlußdokument aufruft, ist ein Versuch, die Kirche Christi in eine säkulare, weltliche Institution umzuwandeln, der nicht von der Lehre unseres Herrn, wie sie in der Heiligen Schrift und der apostolischen Tradition vorliegt, bestimmt wird. Vielmehr geht es ganz im Stil der modernistischen Häresie um die Ausrichtung der kirchlichen Glaubens- und Morallehre an „demokratischen“ Grundsätzen, während man sich gleichzeitig bei allem, was man vorschlägt, dreist (und schamlos) auf Inspiration und Führung durch den Heiligen Geist beruft. Infolgedessen ist die Kirche nicht mehr das Volk Gottes, der Leib Christi und der Tempel des Heiligen Geistes, sondern gleicht eher einer NGO mit einem religiös-emotionalen und moralistischen Programm. Das ganze Konzept einer sogenannten synodalen Kirche widerspricht zumindest teilweise, wenn nicht sogar vollständig dem katholischen Verständnis von Kirche.
Was macht diesen „synodalen Prozeß“ in dieser neuentworfenen „synodalen Kirche“ aus? Ich kann hier berichten, was ich während der beiden Versammlungen der „Synode über Synodalität“ beobachtete, die wahrscheinlich eine Blaupause für den „synodalen Prozeß“ sind, der nun weltweit in Diözesen und Pfarreien als Vorbereitung auf die Kirchenversammlung im Oktober 2028 in Rom anläuft (nach den Vorgaben des Schlußdokuments, wie im „Trojanischen Pferd“ ausführlich kritisch diskutiert). Das Programm der „Synode über Synodalität“ wurde extrem überwacht, nur sorgfältig ausgewählte Redner durften beliebig lange zur Versammlung sprechen. Der gesamte Prozeß wurde stark manipuliert, um genau die Ergebnisse zu bekommen, welche die für die Arbeit der Synode Verantwortlichen wünschten.
Eines der Hauptziele war es, die Normalisierung der Homosexualität voranzutreiben ‒ ein weiteres zentrales Thema des „Trojanischen Pferdes“, das auf etliche Persönlichkeiten der Kirche eingeht, darunter viele Prälaten, die diesen bösen Plan unterstützen. Wie ich dem Kolumnisten Edward Pentin sagte: „Letzten Endes haben all diese sogenannten synodalen Überlegungen das eine Ziel, uns darauf vorzubereiten, Homosexualität zu akzeptieren.“ Auf der Synode wurde behauptet: „Wir haben neue Einsichten, offenbart vom Heiligen Geist.“ Das sagte man, um sich zu dem Urteil zu ermächtigen, daß homosexuelle Akte eine authentische Weise seien, Liebe auszudrücken, und daß solche Akte gesegnet werden sollten ‒ in völligem Widerspruch zum geoffenbarten Wort Gottes.
Doch in Wahrheit lästern diejenigen, die die homosexuelle Agenda auf diese Weise befördern, den Heiligen Geist, weil sie versuchen, Lehren einzuführen, die im Gegensatz sowohl zu Schrift und Tradition als auch zum Naturrecht stehen. Wie ich Edward Pentin auch sagte: „Sie führen eine neue Hermeneutik ein, durch die sie das Wort Gottes in Übereinstimmung mit diesen Ideologien bringen wollen ‒ mit antichristlichen Ideologien. Aber wir können nicht Christus und den Antichrist in Übereinstimmung bringen. Diese homosexuelle, die „LGBT“-Ideologie ist in ihrem Kern eine antichristliche Ideologie. Es ist der Geist des Antichrists, der aus ihnen spricht.“
Ich hoffe sehr, daß alle (einschließlich Bischöfe und Priester), die das Schlußdokument der „Synode über Synodalität“ (das Papst Franziskus zum Bestandteil seines ordentlichen Lehramts erklärt hat) noch nicht oder vielleicht nicht kritisch gelesen haben, das „Trojanische Pferd“ lesen werden, um die Gefahr besser zu verstehen, die der „synodale Prozeß“ nicht nur für die hierarchisch-sakramentale Struktur der katholischen Kirche, wie sie von Christus gegründet und gewollt wurde, bedeutet, sondern auch für die gesamte christliche Moralordnung und für das Wohl der Familie und der Gesellschaft überhaupt, das von dieser Ordnung abhängt.
Wir alle sollten uns an die katholische Hermeneutik erinnern: „Dieses Lehramt steht nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nur das lehrt, was überliefert worden ist, ehrfürchtig auf es hört, es gewissenhaft bewahrt und es getreu dem göttlichen Auftrag und mit dem Beistand des Heiligen Geistes erklärt. Aus diesem einen Glaubensgut schöpft es alles, was es als von Gott geoffenbart zu glauben vorlegt“ (Dei Verbum 10).
*ehemaliger Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre am 9. Oktober 2025, dem Fest Unserer Lieben Frau von Champion, der einzigen anerkannten Marienerscheinung in den Vereinigten Staaten
Quelle: LifeSiteNews
Übersetzung aus dem Englischen: Gottfried Paschke
Anmerkung des Übersetzers: Herrn Kardinal Müller danke ich für die Genehmigung zum Übertragen seines Textes ins Deutsche und zur Publikation auf „Katholisches.info“. Mein Dank gilt auch Frau Dr. Maike Hickson, die die Genehmigung vermittelte.
Bild: Cforc/Youtube/EWTN (Screenshots)
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