
Das vatikanische Presseamt gab heute offiziell die erste Auslandsreise von Papst Leo XIV. bekannt. Mehr als ein halbes Jahr nach seiner Wahl wird er in die Türkei reisen, um Iznik, das antike Nicäa, zu besuchen, wo vor 1700 Jahren das erste ökumenische Konzil der Kirche stattfand.
Die Riese nach Nicäa war von Papst Franziskus ursprünglich bereits für den vergangenen Mai geplant gewesen. Der Besuch sollte mit der Session des damals dort tagenden Konzils zusammenfallen. Die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes und dann sein Tod machten die Absicht zunichte. Das Konklave und die Wahl eines neuen Papstes machten neue Vereinbarungen auf diplomatischer Ebene notwendig.
Beide Staaten, die Leo XIV. auf seiner ersten Auslandsreise besuchen wird, sind mehrheitlich islamisch geprägt. Doch beide waren einst christliche Länder. Die Bevölkerung der heutigen Türkei wurde erst im 16. Jahrhundert mehrheitlich islamisch. Noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts machten die Christen ein Viertel der Bevölkerung aus, in manchen Gegenden stellten sie sogar die Mehrheit. Selbst in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, war die Bevölkerung um 1900 noch fast zur Hälfte christlich. Heute beläuft sich der Christenanteil in der Türkei nur mehr auf 0,15 Prozent.
Der Libanon wurde als eigenständiger, souveräner Staat sogar eigens gegründet, weil seine Bevölkerung damals überwiegend aus Christen bestand. Aufgrund der Verwerfungen (Krieg, Vertreibung, Flucht), die auf die Gründung des Staates Israel folgten, gerieten die Christen jedoch zunehmend in die Defensive. Seit 1948 lebten Hunderttausende von palästinensischen Flüchtlingen im Libanon, die 1975 einen Bürgerkrieg entfachten, der eine starke Auswanderung der Christen zur Folge hatte. Zugleich verschob sich das demographische Gleichgewicht immer weiter zugunsten der Muslime. Durch den von der Regierung Obama initiierten Syrienkrieg kamen über eine Million syrischer Flüchtlinge ins Land. Sie sind zwar keine libanesischen Staatsbürger, verstärken aber den für die Christen nachteiligen demographischen Wandel.
Mit seinem Besuch im Libanon rückt Papst Leo XIV. dem Nahostkonflikt so nahe wie nur möglich. Die Reise gilt den geschundenen Christen des Nahen Ostens, zugleich aber auch dem Verhältnis zum Islam – im Libanon leben sowohl Schiiten als auch Sunniten – und nicht zuletzt der Beziehung zu Israel und dem andauernden Konflikt, den dessen Gründung nach sich gezogen hat.
Hier der Wortlaut der vatikanischen Pressemitteilung:
„Auf Einladung des Staatsoberhauptes und der kirchlichen Autoritäten des Landes wird der Heilige Vater Leo XIV. vom 27. bis 30. November eine apostolische Reise in die Türkei unternehmen. Anlaß ist die Wallfahrt nach İznik (dem antiken Nicäa) anläßlich des 1700. Jahrestags des Ersten Konzils von Nicäa.
Anschließend wird der Heilige Vater – ebenfalls auf Einladung des Staatsoberhauptes und der kirchlichen Autoritäten – vom 30. November bis 2. Dezember eine apostolische Reise in den Libanon unternehmen.
Das detaillierte Reiseprogramm wird zu gegebener Zeit bekanntgegeben.“
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)
Hinterlasse jetzt einen Kommentar