
Von Atanasio*
Wer sein Leben innerhalb katholischer Institutionen verbracht hat – zunächst als Schüler, später als Lehrer –, kann die heutige Situation nur mit Traurigkeit betrachten: Es geht immer noch ein Stück tiefer, der Boden scheint nie erreicht.
Ich denke, wir sollten endlich die Prämisse akzeptieren, daß es heute keine katholischen Schulen mehr gibt. Deshalb können die Institutionen, die wir weiterhin „katholische Schulen“ nennen, zwangsläufig nur eine nicht-katholische Bildung vermitteln. Dabei handelt es sich um einen sogenannten unendlichen Begriff: „Nicht-katholisch“ schließt alles ein, was nicht katholisch ist. Für manche mag die Aussage, es gebe keine katholischen Schulen mehr, übertrieben erscheinen, doch in Wahrheit existieren sie schon lange nicht mehr. Die wenigen Schulen, die man heute noch „katholisch“ nennen könnte, lassen sich an einer Hand abzählen. Pfarrschulen oder solche, die von Ordensgemeinschaften geführt werden, sind Institutionen, die nur noch den Namen eines Heiligen oder Ähnliches als letzten katholischen Rest bewahrt haben.
Den Ursprung dieses Wirrwarrs zurückzuverfolgen und zu entschlüsseln ist ein komplexes Unterfangen. Daher möchte ich mich auf einige Beobachtungen beschränken, die ich meinem persönlichen Umfeld entnehme.
Zunächst müssen wir definieren, was eine katholische Schule überhaupt ist. Eine katholische Schule wird nicht dadurch zu einer solchen, daß sie ein paar Stunden pro Woche ein Fach namens „Katechese“, „Religion“, „Religiöse Bildung“ oder ähnlich anbietet.
Eine katholische Schule muß, über die bloße Glaubensvermittlung hinaus, die christlichen Tugenden lehren (ich spreche bewußt von Tugenden und nicht von nebulösen Werten) und dem Schüler, der 12 oder mit Vorschule mehr Jahre seines Lebens dort verbringt, eine ganzheitliche Weltanschauung vermitteln – eine harmonische Sichtweise des säkularen Wissens im Licht des christlichen Lebens. Und genau darin liegt eine der großen Schwierigkeiten.
Um eine christliche Weltanschauung von Leben und Wissen zu vermitteln, braucht es dafür ausgebildete Menschen. Doch seit langem wird das zunehmend unmöglich. Es fehlt an Personal in den säkularen Wissenschaften, das in der Lage wäre, diese christliche Sichtweise zu lehren. Eigentlich müßten solche Lehrer aus den pädagogischen Ausbildungszentren der Kirche hervorgehen. Doch diese bilden keine katholischen Lehrer mehr aus. Dasselbe Problem, das wir in den katholischen Schulen sehen, finden wir auch in den kircheneigenen Lehrerbildungsanstalten, heute meist Hochschulen. Es ist schlicht unmöglich, katholische Schulen zu erwarten, wenn die Lehrkräfte die katholische Lehre nicht teilen oder ihr in vielen Fällen sogar feindlich gegenüberstehen. Um es bildhaft zu sagen: Es wäre, als wolle man ein Fußballteam zusammenstellen mit einem einarmigen Torwart, einem Mittelfeld aus Blinden und Stürmern im Rollstuhl. Heute verfügt die Kirche nicht mehr über Lehrkräfte mit der Weltanschauung, die notwendig wäre, um eine katholische Schule zu tragen.
Nun möchte ich einige Punkte darlegen, die erklären, wie es zu all dem Unsinn kommt, der heute in diesen Institutionen geschieht.
Glaube und Geist
Beginnen wir mit zwei Themen, die verschiedenen Aspekten der religiösen Bildung zugrundeliegen.
Was man beobachten kann, ist eine tief verwurzelte, aber völlig verworrene Vorstellung von der katholischen Lehre. Der Gott, von dem sie sprechen, erinnert mich an das, was Charly García einst in Confesiones de Invierno sang: „Gott steht am Schalter – er gibt, wenn man etwas will“. Es ist der allgegenwärtige „Gott, der begleitet“. Das heißt: eine Karikatur der Gottheit, ein Wesen, das alle menschlichen Launen gutheißt. Man ist schockiert, wenn man sagt, daß Gott ein transzendentes Wesen sei. Das erscheint dann als fern, kalt, böse, gleichgültig. Ich bestreite nicht, daß es diese falsche Vorstellung früher einmal gab. Doch was wir heute haben, ist ein Gott, der entthront wurde. Ein Wesen, dessen göttliche Würde nicht mehr geachtet wird. Der heutige Religionsunterricht lehrt nicht mehr, daß das christliche Leben auch Pflichten gegenüber Gott hat – das klingt zu sehr nach Strenge. Heute spricht man nicht mehr über Gebote, Sünde, Tugenden, Gaben – über kein einziges Thema mehr, das vor nicht allzu langer Zeit noch selbstverständlich war. Als ich in den 60er- und 70er-Jahren zur Schule ging, war das der ganz normale Unterricht. Eine kleine Anekdote mag das verdeutlichen: In meiner Grundschulzeit betete die Schulleiterin jeden Morgen mit uns, so lernte ich das „Salve Regina“ und das „Gedenke, o gütigste Jungfrau Maria“ des heiligen Bernhard. Vor einigen Jahren bat ich bei einem Marienfest eine Katechetin, das „Salve Regina“ zu beten – ihre Antwort: „Oje, wir sind verloren! Wie geht das noch mal?“ Ein emeritierter Professor für Zeitgeschichte an der Universität Alcalá (Spanien) pflegte zu sagen: Der heutige Religionsunterricht sei „Malen und Ausmalen“. Offenbar ist dieses Phänomen nicht nur auf unser Land beschränkt.
Wenn man dem Faden weiter folgt, entdeckt man eine paradoxe Schizophrenie: Menschen, die studiert haben, um den katholischen Glauben zu lehren und zu verkünden, erklären, daß man ihn gar nicht studieren müsse. So absurd es klingt – genau so ist es. Die Parole lautet: Gott soll nicht gelehrt, sondern erlebt werden. In gemeinsamen Erlebnissen, im Teilen des Lebens, bei einem Pastoral-Getränk kann man angeblich die Liebe Gottes erfahren. Wenn mir diese Menschen erklären, was für sie der Glaube ist, muß ich an Schleiermacher denken – einen Theologen, den sie vermutlich nie gelesen haben, dessen Glaubensverständnis sie aber übernehmen. Für sie ist der Glaube kein Akt von Verstand und Willen – das wäre zu intellektuell. Nein, Glaube ist für sie ein persönliches Erleben Gottes. Schleiermacher war Pantheist; für ihn war Glaube ein Gefühl, das den Menschen mit dem Ganzen verschmelzen läßt. Meist wagt man sich nicht, explizit pantheistisch zu sein, aber die „Erfahrung“ führt zur Begegnung mit diesem „Gott, der begleitet“. Und wer glaubt, „Pastoral“ habe noch mit dem Hirten zu tun, der seine Herde führt, dem muß ich leider sagen: Fehlanzeige. Pastoral besteht heute darin, nett zu sein, gemeinsam Mate zu trinken (seit Franziskus unverzichtbar!), Polenta zu verteilen und sich den sozialen Randgruppen zu nähern.
Dasselbe gilt für den Heiligen Geist. Da wir alle gute Freunde dieses „begleitenden Gottes“ sind, verzichtet man auf jede Formalität: Man spricht nur vom „Geist“. Wenn man ihnen zuhört, bekommt man den Eindruck, daß sie ihn wie Hegels Geist verstehen: eine unpersönliche Kraft, die bewegt und mitreißt – und vor allem dazu dient, alles zu rechtfertigen. Denn alles stammt vom Geist, der erleuchtet und inspiriert hat. Für den katholischen Glauben aber ist der Heilige Geist eine göttliche Person.
Die Entpersonalisierung des Heiligen Geistes geht Hand in Hand mit dem Verlust seines göttlichen Wesens. Auch bei Christus ist nicht klar, ob man ihn noch als göttliche Person versteht. Meist ist nur von „Jesus, dem Freund“, die Rede. Es sind Arianer, ohne es zu wissen. Hört man genau hin, verneint zwar niemand, daß Jesus der Sohn Gottes ist – aber eben Sohn mit kleinem „s“, und zwischen den Zeilen schimmert eine adoptionistische Häresie durch, wie sie im frühen Christentum verbreitet war. Sie sind unbewußt arianisch – denn um es zu erkennen, müßte man ja studieren. Doch es geht ja eben nicht um Studium, sondern um „Gotteserfahrung“.
Der Religionsunterricht ist daher nicht mehr als eine Art Gruppentherapie zur Selbsthilfe: Jeder soll über seine Gefühle nachdenken, über das soziale Miteinander reflektieren. Und es darf natürlich nie eine „Dynamik“ fehlen, um das Treffen aufzulockern. Hat der Katechet an einer Hochschule Theologie studiert, besteht das Risiko, daß er den Schülern Lehren vermittelt, die dem katholischen Glauben widersprechen. Hat er das nicht, dann füllt er die Stunden mit Spielen und „Begegnungen“.
Es ist schwer, diese Entwicklung umzukehren, wenn selbst die Leitungspersonen fest von diesen „neuen Formen der Katechese“ überzeugt sind – vom „Erfahren Gottes“. Noch schwieriger ist es, wenn Schulleitungen von Personen besetzt sind, die gar nicht glauben – weil der Glaube für sie irrelevant ist. Auch wenn man noch viel mehr sagen könnte – das hier ist das, was ich täglich aus nächster Nähe in den „katholischen Schulen“ im Großraum Buenos Aires erlebe. Es ist mir nicht zugetragen worden – ich mache die Erfahrung selbst.
Katholische Weltanschauung und Lehrpläne
Wie schon gesagt: Ein paar Stunden Katechese machen aus einer Schule noch keine katholische Schule. Es muß eine Einheit geben, eine Harmonie zwischen säkularem Wissen und Glauben.
Zwar gibt es staatliche Lehrpläne, die Inhalte, Unterrichtsmethoden und Literatur vorgeben, auch Bewertungsvorschläge.
Zwar gibt es die ESI (staatliche Sexualerziehung), deren Druck erheblich ist: Das zuständige Provinzministerium verschickt Bücher, Broschüren, Poster; es gibt Treffen für Direktoren und Lehrkräfte usw.
Aber wer meint, die ESI werde den katholischen Schulen einfach von außen aufgezwungen, der irrt. Es war nicht die ESI, die zum Beispiel die Antibabypille ins Schulgespräch brachte. Das war in „katholischen“ Schulen schon längst Alltag. Und was das ganze Thema „Gender“ und widernatürliche Abweichungen betrifft – hier wurde einfach geschwiegen. Ich kenne keine katholische Schule, die sich offen gegen die ESI gestellt hätte. Die einzigen, die etwas unternahmen, waren Elterninitiativen. Von kirchlicher Seite kam: kein Wort.
Es stimmt: Die Lehrpläne sind nicht hilfreich. Aber das Problem begann nicht erst mit ihnen – die katholische Weltanschauung war schon vorher verschwunden. Wird Geschichte noch als das Handeln des Menschen in der Zeit gelehrt? Als Zusammenspiel freier Entscheidungen? Spricht man von Gottes Plan, von der Vorsehung, vom überzeitlichen Ziel der Geschichte? Nein – Geschichte wird als kommentierte Chronologie dargeboten, passend zur aktuellen Bildungspolitik. Wird den Schülern noch die kulturelle Größe unserer Zivilisation – geerbt von Griechenland und Rom – vermittelt? Werden sie zum ehrfürchtigen Respekt gegenüber der Tradition angeleitet? Der Leser ahnt wohl, wie das Mittelalter oder die Evangelisierung Amerikas dargestellt wird. Und bei der Französischen Revolution – spricht man da auch über den Krieg in der Vendée?
Was früher als Fach „Spanisch“ hieß, wurde zu „Sprachpraxis“. Damit begann die Zerstörung der Sprache. Grammatik? Gilt als normativer Rigorismus. Jeder spricht, wie er will. Da sich diese Praxis auch in den Lehrerausbildungen fortsetzt – mit Zustimmung von sogenannten „Bildungsexperten“ – erleben wir, daß viele junge Lehrkräfte nicht mehr imstande sind, mit der Hand zu schreiben, unfähig sind, klar zu formulieren, Interpunktion und Rechtschreibung nicht beherrschen, nicht einmal zwischen Groß- und Kleinschreibung unterscheiden können.
Und so ließe sich vieles aus anderen Fächern ergänzen – vielleicht Thema für einen weiteren Beitrag.
Zum Schluß noch eine Überlegung zu den Lehrkräften: Bemerkenswert ist, wie wenig Überzeugung bei den älteren Lehrern geblieben ist. Ich kann verstehen, wenn ein junger Lehrer frisch aus dem Studium mit „progressiven“ Ideen – also bloßer Ideologie – ins Klassenzimmer kommt. Aber daß die älteren Lehrer viele Neuerungen der letzten Jahre einfach stillschweigend akzeptiert haben, ist bezeichnend. Es zeigt: Das Problem der „katholischen“ Schulen besteht schon seit langem – und eine Lösung ist weder einfach noch in Sicht.
*Atanasio, Lehrer in der Provinz Buenos Aires (Argentinien), schreibt für Caminante Wanderer.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Caminante Wanderer