
Von Stefano Fontana*
Der öffentliche Auftritt von Papst Franziskus ohne sein weißes Gewand, mit Kanülen in der Nase, in schwarzer Hose und mit einem Hemd, das einem Poncho ähnelt, war der jüngste Fall dessen, was viele die „Säkularisierung des Papsttums“ nennen.
Schon während seines Aufenthalts in der Gemelli-Klinik beharrten die Nachrichten auf einem Punkt: Der Papst hatte die Anweisung gegeben, daß die medizinischen Bulletins wie bei jedem anderen Patienten echte Informationen veröffentlichen sollten: Der Papst ist schließlich nichts anderes als ein Mensch.
Die Kardinäle, die diesen Krankenhausaufenthalt kommentierten, wiesen immer wieder darauf hin, daß Franziskus seine Menschlichkeit entblößt und sich als einer von uns, ohne feierlichen Überwurf, gezeigt habe.
Wenn wir uns an das gesamte Pontifikat zurückerinnern, erinnern wir uns alle an viele andere Botschaften dieses Tenors, wie den persönlichen Besuch beim Augenarzt oder das Tragen seiner Handtasche auf seinen Flugreisen.
Ganz allgemein kann man auch sagen, daß Franziskus seinen Charakter nie gemildert hat und immer er selbst, also ein Mann, geblieben ist.
Bewegen wir uns also auf einen Papst zu, der nicht mehr in Weiß gekleidet ist, der mit der U‑Bahn reist, der vielleicht nicht mehr nur im Apostolischen Palast wohnt – das ist bei Franziskus bereits der Fall –, sondern auch nicht mehr im Vatikan oder in Rom? Der Poncho ist ein Vorbote dieser Entwicklungen.
Die Kirche hat immer versucht, den Menschen unter dem Gewand zu verstecken. Der Grund dafür ist ernst: Es geht darum, den Menschen zu verbergen, um Gott hervorzuheben. Die Individualität des Papstes muß beiseite geschoben werden, um Platz für die Funktion Petri zu schaffen.
Franziskus aber ist immer noch Bergoglio, doch was er als Papst sagt, ist nicht von Bergoglio, sondern von Petrus.
Notwendig ist ein „Schutz“ der streng individuellen Aspekte, auch in optischer Hinsicht, damit die menschlichen Aspekte, die nicht zu verachten sind, aber richtig eingeordnet werden müssen, nicht die Oberhand gewinnen. Der zerzauste, schlecht gekleidete oder in wie auch immer gearteten sehr privaten Momenten gefangene Papst mag Nähe und sentimentale Zuneigung erwecken, aber auch die transzendente Dimension seines Platzes in der Kirche verdecken.
Diese Beobachtungen gelten natürlich nicht nur für den Papst, aber besonders für ihn.
Die „anthropologische Wende“ der heutigen Theologie besteht darin, nicht mehr von Gott, sondern vom Menschen zu sprechen. Es geht nicht mehr darum, im Menschen einen Bezug zu Gott zu sehen, sondern darum, in Gott einen Bezug zum Menschen zu sehen.
Der derzeitige Papst überlagert seine Menschlichkeit nicht mit einer, sagen wir, „heiligen“ Dimension, sondern beseitigt im Gegenteil jeden Anschein von Sakralität, weil Gott sich in unserer Menschlichkeit zeige. Gott arbeite mit den Händen der Ärzte in der Gemelli-Klinik, mit der menschlichen Zuneigung der Gläubigen, die im Hof des Krankenhauses stehen und zum Fenster des Papstzimmers hinaufschauen; und das Gebet für den Papst könnte zum Gebet für Bergoglio werden.
*Stefano Fontana, Direktor des International Observatory Cardinal Van Thuan for the Social Doctrine of the Church; zu seinen jüngsten Publikationen gehören „La nuova Chiesa di Karl Rahner“ („Die neue Kirche von Karl Rahner. Der Theologe, der die Kapitulation vor der Welt lehrte“, 2017), gemeinsam mit Erzbischof Paolo Crepaldi „Le chiavi della questione sociale“ („Die Schlüssel der sozialen Frage. Gemeinwohl und Subsidiarität: Die Geschichte eines Mißverständnisses“, 2019), „La filosofia cristiana“ („Die christliche Philosophie. Eine Gesamtschau auf die Bereiche des Denkens“, 2021); alle erschienen im Verlag Fede & Cultura, Verona.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: MiL