Die Zukunft Europas: Ventotene oder kirchliche Soziallehre?

Ventotene will keine Demokratie, sondern von oben verordneten Zwang "zum Glück"


Die Zukunft Europas? Ein sozialistisches Willkürregime der EU oder eine Zusammenarbeit der europäischen Völker?
Die Zukunft Europas? Ein sozialistisches Willkürregime der EU oder eine Zusammenarbeit der europäischen Völker?

Der Rich­ter, Poli­ti­ker und Publi­zist Alfre­do Man­to­va­no ver­öf­fent­lich­te 2017 für das Inter­na­tio­nal Obser­va­to­ry Car­di­nal Van Thu­an for the Social Doc­tri­ne of the Church Über­le­gun­gen zur EU und vor allem Kri­tik am Mani­fest von Ven­to­te­ne, das von den glo­ba­li­stisch ori­en­tier­ten Mäch­ti­gen immer stär­ker als eine Art Grün­dungs­ma­ni­fest der EU prä­sen­tiert wird. Davor warn­te Man­to­va­no, indem er die Unter­schie­de zur kirch­li­che Sozi­al­leh­re her­aus­strich. Die jüng­sten Ent­wick­lun­gen in der EU zu einem immer rück­sichts­lo­se­ren Super­staat, neu­er­dings sogar mit Kriegs­ge­lü­sten, die fort­ge­setz­te Beto­nung des Mani­fests und auch der aktu­el­le Streit dar­über, den Ita­li­ens Mini­ster­prä­si­den­tin Giu­lia Melo­ni ent­fach­te, indem sie auf die dunk­len Sei­ten des Mani­fests hin­wies, las­sen es loh­nens­wert erschei­nen, Man­to­va­nos Anmer­kun­gen erneut Beach­tung zu schen­ken. Man­to­va­no war von 1983 bis 2022 als Rich­ter tätig, zuletzt am Ober­sten Gerichts­hof. Von 2001 bis 2013 war er Mit­glied des Ita­lie­ni­schen Par­la­ments für die dama­li­gen Mit­te-rechts-Bünd­nis­se. 2001 bis 2006 war er Staats­se­kre­tär im Innen­mi­ni­ste­ri­um. Seit 2022 ist Man­to­va­no Staats­se­kre­tär im Amt von Mini­ster­prä­si­den­tin Giu­lia Melo­ni, was in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und Öster­reich dem Kanz­ler­amts­mi­ni­ster entspricht.

Die Zukunft Europas zwischen dem Manifest von Ventotene und der kirchlichen Soziallehre

Anzei­ge

Von Alfre­do Mantovano*

In die­sen wie auch in ver­wand­ten Fra­gen befin­den sich jene, die in der Kir­che die Beru­fung des Lai­en haben, auf hal­bem Weg zwi­schen den Grund­sät­zen der christ­li­chen Sozi­al­leh­re, die in dem Bewußt­sein zu stu­die­ren sind, daß sie kei­ne detail­lier­ten Lösun­gen bie­ten, und der Rea­li­tät, die eine kon­kre­te und ver­ant­wor­tungs­vol­le Dekli­nie­rung die­ser Grund­sät­ze ver­langt. Das sozia­le Lehr­amt der Kir­che ist sehr reich an Über­le­gun­gen zu Euro­pa. Es wäre nütz­lich, eine Antho­lo­gie zumin­dest des Wesent­lich­sten davon zu erstel­len, aber das wür­de den Rah­men die­ses Arti­kels bei wei­tem spren­gen. Es wäre vor allem auch nütz­lich, die prin­zi­pi­el­len und struk­tu­rel­len Vor­aus­set­zun­gen der Euro­päi­schen Uni­on (EU) zu beleuch­ten. Es kommt näm­lich häu­fig vor, so anläß­lich des 60. Jah­res­tags der Ver­trä­ge –, daß den angeb­li­chen Grün­der­vä­tern der heu­ti­gen EU pau­schal gehul­digt wird, ohne dar­auf zu ach­ten, wer tat­säch­lich die Aus­ar­bei­tung und Ver­ab­schie­dung der Ver­trä­ge von 1957 vor­ge­schla­gen und gelei­tet hat und wer als einer der Inspi­ra­to­ren oder sogar, je nach genau­er ideo­lo­gi­scher Aus­rich­tung, als der Inspi­ra­tor iden­ti­fi­ziert wird.

Vor etwas mehr als einem Jahr – es war der 22. August 2016 – bega­ben sich Ange­la Mer­kel1, Fran­çois Hol­lan­de2 und Matteo Ren­zi3 weni­ge Wochen nach dem Brexit-Votum auf die Insel Ven­to­te­ne vor der Küste Nea­pels, um am Grab von Altie­ro Spi­nel­li einen gemein­sa­men Wil­len im Umgang mit den Kri­sen­fak­to­ren in Euro­pa, allen vor­an den Migran­ten­strö­men im Mit­tel­meer, zu bekun­den und Spi­nel­lis zu geden­ken, der zusam­men mit Erne­sto Ros­si und Euge­nio Color­ni das Mani­fest von Ven­to­te­ne ver­faßt hat­te. Die drei Intel­lek­tu­el­len und Poli­ti­ker, die wegen ihres Wider­stands gegen den Faschis­mus auf die­se Insel ver­bannt waren [und alle drei links­ra­di­ka­len Grup­pen ent­stamm­ten und dem Glau­ben und der Kir­che fern­stan­den], hat­ten das Doku­ment 1941 ver­faßt, das 75 Jah­re spä­ter beim Tref­fen der drei Regie­rungs­chefs als Sym­bol für ein ver­ein­tes Euro­pa bestä­tigt wur­de. Bei die­sem Besuch im August 2016, bei dem Ren­zi an das Mani­fest erin­ner­te, wur­de Spi­nel­li von Hol­lan­de als der Mann her­vor­ge­ho­ben, dem es zu ver­dan­ken sei, „daß die­se Idee gebo­ren wur­de, die Fähig­keit, den Frie­den zwi­schen den Völ­kern zu garan­tie­ren“. Als Staats­ober­haupt hat­te der inzwi­schen eme­ri­tier­te ita­lie­ni­sche Prä­si­dent Gior­gio Napo­li­ta­no4 die Insel besucht und wie­der­holt auf das Mani­fest als Grund­la­ge einer immer enge­ren Uni­on der EU-Mit­glieds­staa­ten hingewiesen.

Ich bezweif­le nicht, daß Napo­li­ta­no, Hol­lan­de und Ren­zi mit dem Inhalt des Mani­fests ver­traut sind. Viel­mehr wäre es inter­es­sant zu über­prü­fen, inwie­weit bestimm­te Pas­sa­gen des Doku­ments der All­ge­mein­heit tat­säch­lich bekannt sind, inwie­weit die struk­tu­rel­len Pro­ble­me der heu­ti­gen EU ein Echo die­ses Doku­ments sind und inwie­weit der häu­fig von maß­geb­li­cher Sei­te for­mu­lier­te Wunsch, zum „Geist“ des Doku­ments von Ven­to­te­ne zurück­zu­keh­ren, von des­sen Lösung ent­fernt ist. Ange­sichts der Tat­sa­che, daß „ein frei­es und geein­tes Euro­pa eine not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung für die Stär­kung der moder­nen Zivi­li­sa­ti­on ist, von der die tota­li­tä­re Ära (die zum Zeit­punkt der Abfas­sung des Doku­ments noch im Gan­ge war) eine Unter­bre­chung dar­stellt“, erklä­ren Spi­nel­li, Ros­si und Color­ni mit Blick auf die Zukunft in aller Deutlichkeit:

  • „Die euro­päi­sche Revo­lu­ti­on muß, um unse­ren Bedürf­nis­sen zu ent­spre­chen, sozia­li­stisch sein.“
  • „Das Pri­vat­ei­gen­tum muß abge­schafft, ein­ge­schränkt, kor­ri­giert, erwei­tert wer­den, und zwar von Fall zu Fall, nicht dog­ma­tisch im Prin­zip“ (hier­in unter­schei­den sie sich von der ‚gene­rel­len Ver­staat­li­chung der Wirt­schaft‘, die dem sowje­ti­schen kom­mu­ni­sti­schen Regime eigen ist).
  • „In revo­lu­tio­nä­ren Epo­chen, in denen Insti­tu­tio­nen nicht ver­wal­tet, son­dern geschaf­fen wer­den müs­sen, ver­sagt die demo­kra­ti­sche Pra­xis auf gan­zer Linie. Die kläg­li­che Ohn­macht der Demo­kra­ten in der rus­si­schen, deut­schen und spa­ni­schen Revo­lu­ti­on sind drei der jüng­sten Beispiele.“
  • „Das Volk hat eini­ge Grund­be­dürf­nis­se zu befrie­di­gen, aber es weiß nicht genau, was es will und was es tun soll. Tau­send Glocken läu­ten in ihren Ohren, mit ihren Mil­lio­nen von Köp­fen kön­nen sie sich nicht ent­schei­den und zer­fal­len in eine Viel­zahl von wider­sprüch­li­chen Tendenzen.“
  • „In dem Augen­blick, in dem die größ­te Ent­schlos­sen­heit und Kühn­heit erfor­der­lich ist, füh­len sich die Demo­kra­ten ver­lo­ren, da sie kei­nen spon­ta­nen Kon­sens des Vol­kes hin­ter sich haben, son­dern nur einen tur­bu­len­ten Tumult der Lei­den­schaf­ten. (…) Die poli­ti­sche Metho­dik der Demo­kra­ten wird in der revo­lu­tio­nä­ren Kri­se ein totes Gewicht sein.“
  • „Die revo­lu­tio­nä­re Par­tei kann nicht dilet­tan­tisch impro­vi­siert wer­den (…), aus den immer grö­ßer wer­den­den Rei­hen ihrer Sym­pa­thi­san­ten darf sie nur die­je­ni­gen in die Par­tei­or­ga­ni­sa­ti­on zie­hen und rekru­tie­ren, die die euro­päi­sche Revo­lu­ti­on zum Haupt­ziel ihres Lebens gemacht haben (…).“
  • „In der revo­lu­tio­nä­ren Kri­se ist es Auf­ga­be die­ser Par­tei, die pro­gres­si­ven Kräf­te zu orga­ni­sie­ren und zu len­ken, indem sie sich all jener Volks­or­ga­ne bedient, die sich spon­tan bil­den, wie bren­nen­de Schmelz­tie­gel, in denen sich die revo­lu­tio­nä­ren Kräf­te ver­mi­schen, nicht um Ple­bis­zi­te zu ver­an­stal­ten, son­dern um zu führen.“

Zur Rol­le der revo­lu­tio­nä­ren Par­tei beim Auf­bau des neu­en euro­päi­schen Staa­tes heißt es im Mani­fest abschließend:

  • „Sie (die Par­tei) schöpft ihre Visi­on und ihre Gewiß­heit über das, was zu tun ist, nicht aus einer vor­he­ri­gen Wei­he durch den noch nicht vor­han­de­nen Volks­wil­len, son­dern aus dem Bewußt­sein, die tief­grei­fen­den Bedürf­nis­se der moder­nen Gesell­schaft zu reprä­sen­tie­ren. Sie gibt also den neu­en Mas­sen die ersten Richt­li­ni­en der neu­en Ord­nung, die erste sozia­le Ord­nung. Durch die­se Dik­ta­tur der revo­lu­tio­nä­ren Par­tei bil­det sich der neue Staat und um ihn her­um die neue Demokratie.“

Man kommt nicht umhin, Luca Ricol­fi zuzu­stim­men, was den „jako­bi­ni­schen und ent­schie­den anti­de­mo­kra­ti­schen Cha­rak­ter eines sol­chen poli­ti­schen Pro­jekts“ betrifft, und was den Umstand betrifft, daß, wenn eine Kri­tik an die EU-Eli­ten gerich­tet wer­den muß, „es nicht so ist, daß sie das Mani­fest ver­ra­ten haben, son­dern viel­mehr, daß sie des­sen Grund­idee akzep­tiert haben, näm­lich daß der Traum von den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Euro­pa nur von oben ver­wirk­licht wer­den kann“. Die Alter­na­ti­ve zu den EU-Insti­tu­tio­nen, die im Ein­klang mit dem Mani­fest von Ven­to­te­ne gegrün­det, erwei­tert und kon­so­li­diert wer­den, ist nicht die Ableh­nung Euro­pas und die Rück­kehr zur aus­schließ­li­chen Dimen­si­on der Natio­nal­staa­ten, son­dern das kul­tu­rel­le und poli­ti­sche Bemü­hen, die Zusam­men­ar­beit der euro­päi­schen Staa­ten zur Iden­ti­tät des Kon­ti­nents zurück­zu­füh­ren. Es genügt, auf die bereits erwähn­te Anspra­che von Papst Fran­zis­kus an die Staats- und Regie­rungs­chefs der EU vom 24. März 2017 zurück­zu­ge­hen, um zunächst die Grund­la­gen in Erin­ne­rung zu rufen, als die­ser Johan­nes Paul II. zitie­rend sagte:

„Die See­le Euro­pas bleibt geeint, weil sie neben ihren gemein­sa­men Ursprün­gen die glei­chen christ­li­chen und mensch­li­chen Wer­te lebt, wie die Wür­de der mensch­li­chen Per­son, das tie­fe Gefühl für Gerech­tig­keit und Frei­heit, den Fleiß, den Initia­tiv­geist, die Lie­be zur Fami­lie, die Ach­tung des Lebens, die Tole­ranz, den Wunsch nach Zusam­men­ar­beit und Frie­den, die sie kenn­zeich­nen. In unse­rer mul­ti­kul­tu­rel­len Welt wer­den die­se Wer­te wei­ter­hin ihre vol­le Berech­ti­gung haben, wenn sie ihre leben­di­ge Ver­bin­dung zu den Wur­zeln, die sie her­vor­ge­bracht haben, bewah­ren kön­nen. In der Frucht­bar­keit die­ser Ver­bin­dung liegt die Mög­lich­keit, authen­tisch säku­la­re Gesell­schaf­ten auf­zu­bau­en, die frei von ideo­lo­gi­schen Gegen­sät­zen sind und in denen die Ein­ge­bür­ger­ten und die Ein­hei­mi­schen, die Gläu­bi­gen und die Ungläu­bi­gen gleich­be­rech­tigt sind.“

Papst Fran­zis­kus, der sich nicht auf Ven­to­te­ne, son­dern auf die Unter­zeich­ner der Ver­trä­ge von 1957 bezog, wies mit Blick auf die Zukunft auf „die Säu­len hin, auf denen sie die Euro­päi­sche Wirt­schafts­ge­mein­schaft auf­bau­en woll­ten und an die ich bereits erin­nert habe: die zen­tra­le Stel­lung des Men­schen, eine pro­ak­ti­ve Soli­da­ri­tät, die Offen­heit gegen­über der Welt, das Stre­ben nach Frie­den und Ent­wick­lung, die Offen­heit für die Zukunft. Es liegt an den Regie­ren­den, die Wege der Hoff­nung zu erken­nen (…). Euro­pa gewinnt die Hoff­nung zurück, wenn der Mensch im Mit­tel­punkt und im Her­zen sei­ner Insti­tu­tio­nen steht. Ich glau­be, daß dies bedeu­tet, auf­merk­sam und ver­trau­ens­voll auf die Bit­ten zu hören, die sowohl von Ein­zel­per­so­nen als auch von der Gesell­schaft und den Völ­kern, die die Uni­on bil­den, kommen“.

In bezug auf die Ach­tung des Wil­lens der Völ­ker füg­te der Papst hinzu:

„Lei­der hat man oft das Gefühl, daß es eine ‚emo­tio­na­le Tren­nung‘ zwi­schen den Bür­gern und den euro­päi­schen Insti­tu­tio­nen gibt, die oft als distan­ziert und unauf­merk­sam gegen­über den ver­schie­de­nen Emp­fin­dun­gen, die die Uni­on aus­ma­chen, wahr­ge­nom­men wer­den. Die zen­tra­le Stel­lung des Men­schen zu bekräf­ti­gen, bedeu­tet auch, den Geist der Fami­lie wie­der­zu­ent­decken, in der jeder nach sei­nen Fähig­kei­ten und Gaben frei zum gemein­sa­men Haus bei­trägt. Es lohnt sich, dar­an zu den­ken, daß Euro­pa eine Fami­lie von Völ­kern ist, und wie in jeder guten Fami­lie gibt es unter­schied­li­che Anfäl­lig­kei­ten, aber alle kön­nen in dem Maße wach­sen, wie sie ver­eint sind. Heu­te muß die Euro­päi­sche Uni­on den Sinn dafür wie­der­ent­decken, in erster Linie eine ‚Gemein­schaft‘ von Men­schen und Völ­kern zu sein, in dem Bewußt­sein, daß ‚das Gan­ze mehr ist als der Teil und auch mehr als sei­ne blo­ße Sum­me‘ und daß ‚wir daher immer unse­ren Blick wei­ten müs­sen, um ein grö­ße­res Gut zu erken­nen, das allen zugu­te kommt‘.“

Ven­to­te­ne und die Sozi­al­leh­re der Kir­che wei­sen ver­schie­de­ne, grund­sätz­li­che Gegen­sät­ze auf:

  • nicht nur in bezug auf die Ach­tung der Iden­ti­tät und des Wil­lens der Völ­ker, aus denen Euro­pa besteht;
  • nicht nur im Hin­blick auf das Bewußt­sein einer gemein­sa­men Geschich­te und eines gemein­sa­men Schicksals;
  • son­dern auch und vor allem in bezug auf die Aus­sicht auf Hoff­nung oder Verzweiflung.

Euro­pa erscheint uns durch die EU inhalt­lich immer öfter als Ödland: vor­dring­lich auf gei­sti­ger und kul­tu­rel­ler Ebe­ne, manch­mal auch auf mate­ri­el­ler Ebe­ne. „Das wüste Land“ ist der Titel eines der schön­sten Wer­ke von Tho­mas Stearn Eli­ot, in dem man gleich zu Beginn auf die­se Zei­le stößt:

„Der tote Baum gibt kei­nen Schutz, kei­nen Trost das schril­le Zir­pen der Gril­le. Der trocke­ne Stein kei­nen Klang des spru­deln­den Wassers.“

Die EU – und das wird von den Ver­ant­wort­li­chen der EU-Insti­tu­tio­nen aus­drück­lich aner­kannt – ver­mit­telt den Ein­druck eines toten Bau­mes, der wie der Fei­gen­baum des Evan­ge­li­ums kei­nen Nut­zen bringt: „Er gibt kei­nen Schutz“. Für jene, die seit Äsop zurecht zur Apo­loge­tik der Amei­se erzo­gen wur­den, ist das Zir­pen der Gril­le noch lästi­ger als der Gesang der Zika­de. Aber das Leben ist noch da, und das Was­ser fließt – Gott sei Dank – wei­ter in unse­ren Brei­ten. Die weni­gen Kör­ner jener, die die Rol­le der Amei­se erfül­len und sie auf ihren Schul­tern tra­gen, kön­nen die Samen leben­di­ger Bäu­me sein, die in der Ödnis der euro­päi­schen Kul­tur- und Poli­tik­sze­ne wie­der wach­sen. Mit Got­tes Hil­fe wer­den sie einem Zweck dienen.

Übersetzung/​Fußnoten: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Katho​li​sches​.info


1 Ange­la Mer­kel, von 2005 bis 2021 deut­sche Bun­des­kanz­le­rin, ent­stamm­te einer ursprüng­lich katho­li­schen Fami­lie, die zum Pro­te­stan­tis­mus kon­ver­tier­te, ihren Fami­li­en­na­men im Natio­nal­so­zia­lis­mus ger­ma­ni­sier­te und sich nach dem Krieg dem rea­len Sozia­lis­mus (Kom­mu­nis­mus) anschloß. Mer­kel selbst war Sekre­tä­rin für Agi­ta­ti­on und Pro­pa­gan­da der SED-Jugend in ihrem Bezirk. Nach der Wen­de schloß sie sich der CDU an und mach­te dank der För­de­rung durch Hel­mut Kohl und dem CDU-Spen­den­skan­dal eine schnel­le und stei­le Kar­rie­re bis an die Par­tei­spit­ze und in das Bundeskanzleramt.

2 Fran­çois Hol­lan­de, ent­stamm­te einem bür­ger­li­chen Umfeld, absol­vier­te die fran­zö­si­sche Eli­te­hoch­schu­le ENA und gehör­te damit zur staats­tra­gen­den Ver­wal­tungs­ka­ste. Seit 1979 Mit­glied der Sozia­li­sti­schen Par­tei, in deren Rah­men er in poli­ti­sche Ämter auf­stieg, ab 1988 mehr­fach als Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­ter, von 1997 bis 2008 als Vor­sit­zen­der der Sozia­li­sti­schen Par­tei, von 2012 bis 2017 Staats­prä­si­dent, seit 2024 wie­der sozia­li­sti­scher Parlamentsabgeordneter.

3 Matteo Ren­zi, von 2014 bis 2016 ita­lie­ni­scher Mini­ster­prä­si­dent, ent­stammt einer christ­de­mo­kra­ti­schen Fami­lie. Nach dem Ende der Demo­cra­zia Cri­stia­na (DC) und der Umbe­nen­nung der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei unter­stütz­te er die Fusi­on des ehe­ma­li­gen lin­ken Flü­gels der Christ­de­mo­kra­ten und der Kom­mu­ni­sten zu einer neu­en links­de­mo­kra­ti­schen Par­tei, die in Anleh­nung an die USA Demo­kra­ti­sche Par­tei benannt wur­de. Von 2013 bis 2018 war er Vor­sit­zen­der die­ser Links­de­mo­kra­ten. 2019 grün­de­te er die links­li­be­ra­le, EU-freund­li­che und trans­at­lan­ti­sche Par­tei Ita­lia Viva, die er seit­her im ita­lie­ni­schen Senat vertritt.

4 Gior­gio Napo­li­ta­no, von 2006 bis 2015 Ita­li­ens Staats­prä­si­dent, war 1942/​43 in der faschi­sti­schen Stu­den­ten­or­ga­ni­sa­ti­on aktiv, nach Mus­so­li­nis Sturz ab 1944 in kom­mu­ni­sti­schen Grup­pen. 1945 wur­de er Mit­glied der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei, ab 1953 deren Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­ter. Er gehör­te ihr bis zur Umbe­nen­nung 1991 an und von da an bis zu sei­nem Tod ihren direk­ten Nach­fol­ge­or­ga­ni­sa­tio­nen. Der Athe­ist und Frei­mau­rer ließ sich 2023 auf dem aka­tho­li­schen Fried­hof in Rom bei­set­zen. Papst Fran­zis­kus hat­te dem Sarg über­ra­schend sei­ne Auf­war­tung gemacht.

Alle vier Genann­ten haben eine poli­ti­sche Loka­li­sie­rung links der Mit­te. Dafür steht der „Geist“ von Ven­to­te­ne, der in sei­nem Wesen revo­lu­tio­när und bei Bedarf bereit zum Links­extre­mis­mus ist.

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