
Von Aldo Maria Valli*
Im Jahr 2025…
Papst Franziskus ernennt zum 1. März Schwester Raffaella Petrini, bisher Generalsekretärin des Governatorats, zur Vorsitzenden der Päpstlichen Kommission für den Staat der Vatikanstadt und Präsidentin des Governatorats. Diese Entscheidung wurde vom Papst bei einer im Fernsehen übertragenen Begegnung mit Fabio Fazio bekanntgegeben.
Im Jahr 2075…
In jenem Jahr der Brüderlichkeit und der Schwesterlichkeit 2075 (einst als Heiliges Jahr bekannt) wurde ein neuer Präfekt für das Dikasterium für die angepaßte Glaubenslehre ernannt. Und die Präsidentin des vatikanischen Governatorats (bekannt als Gouvernante) organisierte traditionsgemäß ein Fest.
Die Präfektin des Dikasteriums für die Institute des entweihten Lebens und die Gesellschaften des abtrünnigen Lebens wurde gebeten, sich Gedanken über die Einladungen zu machen, und in der Regel hatten die Kardinäle gemäß der Konstitution Servi inutiles sumus (Wir sind unnütze Diener) eine wichtige Aufgabe: die Organisation des Buffets.

Da die Annona, der vatikanische Supermarkt, nach seiner vorübergehenden Schließung im Jahr 2025 noch nicht wieder geöffnet war, gingen die Kardinäle über die Grenze, um die ihnen übertragene Aufgabe zu erfüllen. Sie verließen also den Vatikan. Und für die hinausgehende Kirche war dies gemäß dem vom Dikasterium für den angepaßten Glauben verkündeten Dogma eine richtige und gute Sache.
Als die Kardinäle mit Paketen und Taschen zurückkehrten, riefen sie die Gouvernante und die Präfektin an. Keine Antwort.
„Sie befinden sich derzeit nicht beim Heiligen Stuhl“, sagte ein Gendarm zu ihnen. „Vorerst müssen Sie warten.“
Die Kardinäle legten ihre Einkäufe auf den Boden und unterhielten sich dabei flüsternd über die Gerüchte. Sie hatten nicht viele Gelegenheiten, sich zu treffen, eigentlich gar keine. Seit dem Dekret Noli dicere (Sag es nicht) gegen Klatsch und Tratsch waren Kardinalsversammlungen strikt verboten.
Nachdem sie auf der Terrasse des päpstlichen Hauses gelandet waren (ihre fliegende Spinne hatte eine Sondergenehmigung), schickten die Gouvernante und die Präfektin einen Gendarm, um mit den Kardinälen zu sprechen.
„Sie sagen, Ihr könnt hinaufkommen. Zehnter Stock. Aber der Aufzug ist kaputt“.
Und so machten sich die Kardinäle auf den Weg. Was immer gesund war, denn das Dogma der hinausgehenden Kirche lehrt: „Die hinausgehende Kirche ist eine Kirche in Bewegung“.
In der Wohnung sahen die Kardinäle kleine Gruppen von Priesterinnen, Bischöfinnen, Beamtinnen, Präfektinnen und die eine oder andere Ordensfrau. Sie alle lachten und scherzten.
Eines der Gesprächsthemen war die jüngste Konferenz über die Entmännlichung der Kirche, die von einer salesianischen Expertin für Geschlechtergleichstellung organisiert wurde.
„Wir haben uns köstlich unterhalten, noch mehr als bei der 24. Synodalitätssynode“, sagte eine der Geladenen.
Sie sprachen auch über den alljährlichen Heiligen Ritus der Audienz bei dem immer suggestiven Fazio, der seit mehr als einem halben Jahrhundert stattfindet und bei dem der amtierende Papst, wie es üblich ist, seine erste Autobiographie vorstellte.
„Entschuldigen Sie die Störung. Wo können wir die Lebensmittel abstellen?“, fragten die Kardinäle.
„Bringt alles in die Küche.“
Die Kardinäle gehorchten. Das wiederum war eine der Pflichten, die in der Konstitution Mors tua vita mea (Dein Tod ist mein Leben) gegen den Klerikalismus festgelegt sind.
An den Herd stellte sich der Pro-Pro-Pro-Präfekt des Dikasteriums für die Institute des entweihten Lebens und die Gesellschaften des abtrünnigen Lebens. Faktisch der Vize-Vize-Vize der Präfektin.
Nach dem Diktat der Servi inutiles war das Amt des Vize-Vize-Vize-Präfekten der höchste Rang, den ein Kardinal bekleiden konnte.
„Freunde, fangen wir an!“, rief der Pro-Pro-Pro-Präfekt.
Die Kardinäle hätten sich nach dem Treppenaufstieg von zehn Stockwerken gerne noch einen Moment zur Unterscheidung und des Dialogs gewünscht, aber der Pro-Pro-Präfekt stellte klar, daß dafür keine Zeit war.
„Da sind die Kanapees, die garniert werden müssen! Und dann ist an die Cocktails zu denken! Und an die Torte! Vorwärts!“
Aus dem Salon meldete sich die Stimme der Haushälterin: „Also, wo sind die Cocktails?“
„Hier sind sie!“, antwortete der Pro-Pro-Pro-Präfekt.
Die geladenen Frauen diskutierten über wichtige Themen.
„Haben Sie das neueste Buch über die patriarchalische und die Macho-Mentalität in der Kirche gelesen?“
„Absolut zeitgemäß und überzeugend von der ersten bis zur letzten Zeile!“
„Und es paßt am besten zu den synodalen Überlegungen über Charismen, Berufungen und Mission in einer Pluralität von Kontexten!“
Dann kam der Höhepunkt: die Vorstellung des neuen Präfekten des Dikasteriums für den angepaßten Glauben.
Nach einem langen Applaus erschien ein zierlicher Mann mit durchsichtiger Haut und tiefschwarzem Haar. Er sah ein wenig wie eine Schaufensterpuppe aus.
„Aber… aber… das ist ein Droide! [Roboter]“, rief ein Kardinal, der aus der Küche schaute.
„Ja“, erklärte ein Kollege, „die Frauen werden langsam knapp, also…“.
Trinksprüche wurden ausgebracht, Festreden wurden gehalten.
Der neue Präfekt bedankte sich mit seiner leicht metallischen Stimme und hob sein Glas.
Eine Präfektin kommentierte: „Mir gefällt der neue Präfekt“.
Eine Bischöfin bemerkte: „Ja, immer noch besser als ein Mann!“
Ein Kardinal lehnte sich schüchtern aus der Küche und fragte: „Können wir jetzt gehen?“.
„Habt Ihr alles in Ordnung gebracht?“, antwortete die Gouvernante.
„Alles in bester Ordnung, Exzellenz.“
„Gehen Sie.“
Nach den geltenden Vorschriften (Gesetz gegen die Selbstbezogenheit) waren die Kardinäle verpflichtet, jeden Abend einige Seiten aus der ersten Autobiographie des amtierenden Papstes zu lesen. Sie wußten jedoch, daß sie spät dran waren, und beschleunigten das Tempo. Wenn die Gendarmen bei unangekündigten Kontrollen einen nicht bei der Lektüre erwischten, drohten besonders „barmherzige“ Maßnahmen.
„Humor und Lächeln sind der Sauerteig des Lebens und ein Mittel, um Schwierigkeiten mit Widerstandsfähigkeit zu begegnen“: So lautete die Passage aus der ersten Autobiographie des amtierenden Papstes, die den Kardinälen an diesem Tag übergeben wurde. Der Auftrag lautete, sie auswendig zu lernen und eine Meditation von nicht weniger als dreitausend Wörtern darüber zu schreiben. Es sollten stichprobenartige Überprüfungen stattfinden.
Im Kontrollzentrum zeichneten die Sensoren des Gehirnabhörsystems, das im Vatikan den Ruf der Unfehlbarkeit hatte, den Gedanken auf, den ein älterer Kardinal, der in seiner Zelle eingesperrt war, von sich gab: „Ich halte es nicht mehr aus!“
Ein gefährlicher Gedanke. Besonders zu jener Zeit. Als die Bulle Totalis aequalitatem (Völlige Gleichheit) für die Gleichheit der Geschlechter und gegen jede Diskriminierung die volle Gesetzeskraft hatte. Und der herrschende Papst war eine Frau. Zumindest hieß es so…
*Aldo Maria Valli, Studium der Politikwissenschaften an der Katholischen Universität von Mailand, seit 1978 Publizist, seit 1985 Berufsjournalist, ab 1995 für die staatliche italienische Fernsehanstalt RAI, von 2007 bis 2019 als deren Chef-Vatikanist – als solcher ging er nach längerem inneren Ringen ab 2016 auch öffentlich auf Distanz zur pastoralen Linie von Papst Franziskus, die er als „konfus“ bezeichnete –, 2019 wurde er deshalb zu RAI Sport versetzt und 2020 pensioniert. Er ist Buchautor und betreibt den Blog Duc in altum.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Duc in Altum
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