
Von Roberto de Mattei*
Der Ton von Donald Trumps Antrittsrede im Weißen Haus am 20. Januar 2025 war geprägt von Revanche und Herausforderung. Revanche an jenen Gegnern, auch in seiner eigenen Partei, die ihn nach dem „Sturm auf das Kapitol“ am 6. Januar 2021 für erledigt erklärt hatten. Es ist kein Zufall, daß eine der ersten Regierungshandlungen, die er setzte, die Begnadigung der Aufrührer vor vier Jahren war. Seine Rede ist aber auch eine Herausforderung an all jene im Westen und Osten, die den „Niedergang des amerikanischen Imperiums“ verkündet haben. Zum Beispiel wurde die epochale Krise der USA kürzlich von dem französischen Soziologen Emmanuel Todd in seinem Buch „Der Westen im Niedergang. Ökonomie, Kultur und Religion im freien Fall“ (Westend Verlag, Frankfurt am Main 2024) und von dem amerikanischen Journalisten Alan Friedman in „The End of America? A Guide to the New World Disorder“ (Biteback, Hull 2025)1 beschrieben, von dem ein Kapitel „Trump und anderen Schurken“ (S. 169–194) gewidmet ist. Die Überzeugung vom unumkehrbaren amerikanischen Niedergang bildet vor allem die Grundlage für die geopolitischen Ambitionen von Wladimir Putin und Xi Jinping, die sich am 21. Januar per Videolink der Welt zeigten, um ihr antiamerikanisches Bündnis zu bekräftigen.
Das Hauptthema der Rede des neuen Präsidenten war „the golden age“, „das goldene Zeitalter“, das sich den USA ab dem 20. Januar öffnet. Seine Antrittsrede begann mit folgender Aussage: „Amerikas goldenes Zeitalter beginnt genau jetzt. Von diesem Tag an wird unser Land wieder aufblühen und in der ganzen Welt von neuem respektiert werden.“ Mit ähnlichen Worten schloß er seine Rede nach zwanzig Minuten: „Die Zukunft gehört uns und unser goldenes Zeitalter hat gerade erst begonnen. Gott segne Amerika.“
Präsident Trump sagte auch: „Ich bin von Gott gerettet worden, um Amerika wieder groß zu machen“, und erneuerte seinen Glauben an seine Mission und Amerikas „offenkundige Bestimmung“. Der von Trump verwendete Begriff „offenkundige Bestimmung“ wurde 1845 von dem Journalisten John L. O’Sullivan geprägt, um die Annexion der Republik Texas zu rechtfertigen, indem er argumentierte, es sei „die offenkundige Bestimmung Amerikas, sich über den Kontinent auszubreiten“. Damit begründeten die Verfechter der Jacksonschen Demokratie Mitte des 19. Jahrhunderts die Expansion der USA in Richtung der Great Plains und der Westküste.
Trump griff die Idee einer amerikanischen „Mission“ auf. „Die Amerikaner“, sagte er, „sind Tausende von Meilen durch ein zerklüftetes, wildes Land gezogen. Sie haben Wüsten durchquert, Berge bestiegen, unsäglichen Gefahren getrotzt, den Wilden Westen erobert, die Sklaverei beendet, Millionen von Menschen aus der Tyrannei befreit, Milliarden von Menschen aus der Armut geholt, die Elektrizität nutzbar gemacht, das Atom gespalten, die Menschheit in den Himmel befördert und das Universum des menschlichen Wissens in die Hand des Menschen gelegt. Wenn wir zusammenarbeiten, gibt es nichts, was wir nicht tun können, und keinen Traum, den wir nicht verwirklichen können. Viele hielten es für unmöglich, daß ich eine solche historische politische Rückkehr feiern könnte. Aber wie Sie heute sehen, bin ich wieder hier, das amerikanische Volk hat gesprochen. Meine Anwesenheit vor Ihnen ist der Beweis dafür, daß man nie glauben darf, daß etwas unmöglich ist. In Amerika ist das Unmögliche das, was wir am besten können.“ Er fügte hinzu: „Wir werden unsere manifeste Bestimmung zu den Sternen verfolgen, indem wir amerikanische Astronauten losschicken, um die amerikanische Fahne auf dem Planeten Mars aufzupflanzen.“
Als Trump diese Worte aussprach, hielt Elon Musk seinen Jubel nicht zurück, als er sein visionäres Projekt, die Sterne des Universums zu bevölkern, vor der ganzen Welt verkündet sah. Nur wenige warnen vor den Gefahren, die mit der transhumanistischen Utopie von Musk verbunden sind, dem Trump das Ministerium für Regierungseffizienz anvertraut hat. Die progressive Presse in aller Welt hat sich darin verbissen, die ersten Worte und Gesten Trumps zu kritisieren, die absolut von gesundem Menschenverstand zeugen: den Kampf gegen die ungezügelte Einwanderung, die Ablehnung des Green New Deal und der Woke-Ideologie. Mit einem Wort, das, was Trump als „Revolution des gesunden Menschenverstandes“ bezeichnete. Trumps Gipfel des gesunden Menschenverstandes ertönte mit klarer Deutlichkeit, als er erklärte: „Ab heute ist es offizielle Politik der US-Regierung, daß es nur zwei Geschlechter gibt, männlich und weiblich.“
Was die Innenpolitik betrifft, so legte Trump ein detailliertes Programm vor, auf das am nächsten Tag eine Reihe von Durchführungsverordnungen folgte. In bezug auf die Außenpolitik benannte der neue Präsident keine Freunde oder Feinde seines Landes, sondern erklärte lediglich, daß er „einfach an jedem einzelnen Tag seiner Amtszeit Amerika an die erste Stelle“ setzen werde. „Amerika“, so Trump, „wird bald größer, stärker und weitaus außergewöhnlicher sein als je zuvor“. Diese Strategie ist nicht extravagant, sondern ordnet Trump in eine politische und kulturelle Tradition ein, die als „Exzeptionalismus“ bezeichnet wird und auf der idealisierten Auffassung beruht, daß Amerika aufgrund seiner historischen Entwicklung und seiner besonderen politischen und religiösen Institutionen ein „außergewöhnliches“ Land ist (Seymour Martin Lipset: American Exceptionalism: The Double-Edged Sword, W. W. Norton & Co., New York 1996). Zu den erklärten Vorläufern der Trumpschen Position, in der sich „Exzeptionalismus“ und „offenkundige Bestimmung“ vermischen, gehören Andrew Jackson, der siebte amerikanische Präsident (1729–1837), und William McKinley (1843–1901), der 25. Präsident, der vom 4. März 1897 bis zu seiner Ermordung am 14. September 1901 im Amt war. Trump hat, wenig überraschend, angekündigt, daß er den höchsten Berg Nordamerikas wieder nach McKinley benennen will, nachdem ihn Barack Obama 2015 nach dem indianischen Namen in Denali umbenannt hatte.
McKinley versetzte mit der Eroberung Kubas und der Philippinen den Resten des alten spanischen Reiches den Gnadenstoß. Sein republikanischer Nachfolger Theodore Roosevelt (1901–1909) schlug in die gleiche Kerbe, indem er militärisch in Puerto Rico und Kolumbien intervenierte, die Republik Panama ausrief und die Oberhoheit über den Panamakanal beanspruchte, den Jimmy Carter an die Republik Panama abtrat2 und der heute weitgehend von chinesischen Unternehmen betrieben wird. Trump beansprucht ihn als amerikanisch, ohne daß dies den Einsatz von militärischer Gewalt bedeutet. „Wie im Jahr 2017“, erklärte er, „werden wir wieder das stärkste Militär aufbauen, das die Welt je gesehen hat. Wir werden unseren Erfolg nicht nur an den Schlachten messen, die wir gewinnen, sondern auch an den Kriegen, die wir beenden, und, was vielleicht noch wichtiger ist, an den Kriegen, die wir nie beginnen. Mein stolzestes Vermächtnis wird das eines Friedensstifters und Einigers sein, das ist es, was ich sein möchte, ein Friedensstifter und Einiger.“
Trumps Rede drückt das gleiche Gefühl von Kraft, Wut und Stolz aus, mit dem sich der damalige Präsidentschaftskandidat vom Boden erhob, nachdem er am 14. Juli 2024 von einer Kugel gestreift worden war, vor allem aber fängt sie den Wunsch der meisten Amerikaner nach einer Rückkehr zu Ordnung und gesundem Menschenverstand ein. Die Euphorie jener, die für Trump gestimmt haben, ist nach seinem Sieg verständlich. Aber es gibt ein anderes Amerika, das die vom neuen Präsidenten vorgeschlagenen Werte verabscheut. In dieser Hinsicht hat ein neuer interner Krieg innerhalb der USA begonnen, der sogar gewaltsam ausbrechen könnte. Andererseits hat sich die „Achse des Bösen“, bestehend aus China, Rußland und dem Iran, nicht aufgelöst: Ihr steht nun nur ein noch stärkerer Feind gegenüber. Was wird angesichts des unvermeidlichen Duells das schwache Europa, das in Washington nur durch Giorgia Meloni vertreten war?
Die USA brauchen Europa vielleicht nicht, aber Europa braucht Amerika, mit dem es den vielgeschmähten Westen bildet, dem heute ein ungewisses und nicht „offenkundiges“ Schicksal bevorsteht. Werden die kommenden vier Jahre von der süßen und beruhigenden Melodie von America the Beautiful oder von den düsteren Tönen von The Force of Destiny begleitet werden? Wir begehen jedenfalls keinen Fehler, wenn wir uns auf die „Jungfrau der Engel“ verlassen, die in Verdis berühmter Oper als unfehlbare Beschützerin der Menschen angerufen wird, die einzige, die ihr Schicksal wenden kann.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
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Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana/MiL
1 Hier wiedergegeben nach der italienischen Ausgabe „La fine dell’impero americano. Guida al Nuovo Disordine Mondiale“ (La nave di Teseo, Mailand 2024), die bereits im Oktober 2024 veröffentlicht wurde.
2 Die Übergabe erfolgte am 31. Dezember 1999. Der Kanal wird seither von der autonomen Panamakanal-Behörde verwaltet, dessen oberstes Organ ein elfköpfiger Verwaltungsrat ist. Der Vorsitzende wird vom Präsidenten von Panama ernannt und ist zugleich Minister für die Kanalangelegenheiten, neun weitere Mitglieder vom Präsidenten und seiner Regierung mit Zustimmung des panamaischen Parlaments und ein Mitglied vom Parlament allein. Kanalminister und Verwaltungsratsvorsitzender ist derzeit Jose Ramón Icaza. Alle elf Verwaltungsratsmitglieder sind Panamaer. Die Terminalhäfen am Panamakanal werden heute jedoch von einem Hongkonger Unternehmen betrieben. Darauf spielte Trump in seiner Rede an.
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