(Rom) China nutzt Corona, um die Christenverfolgung zu verschärfen. Das ist der Weckruf von Pablo Miguel Díez, Asien-Korrespondent der spanischen Tageszeitung ABC.
Díez sprach gestern auf der Tagung „Verfolgte Christen auf der Welt“, die vom Trinitarierorden in Rom veranstaltet wurde. Er berichtete von „subtilen und offensichtlichen“ Formen der Unterdrückung in der Volksrepublik China und stellte ein Fragezeichen in den Raum, ob das „zaghafte Abkommen“ zwischen Peking und dem Heiligen Stuhl die Lage für die Katholiken des Landes verbessert hat.
„In China kontrolliert der Staat trotz der wirtschaftlichen und sozialen Öffnung in den vergangenen vier Jahrzehnten alles, was die absolute Macht der Kommunistischen Partei beeinträchtigen könnte, insbesondere etwas so Starkes wie die Religion, die die Massen mobilisieren und Regierungen stürzen kann.“
„Der Schlüssel“, um die kommunistische Regierung und ihr Verhältnis zur Religion zu verstehen, sei „der Wunsch des Regimes, alles zu kontrollieren“, so der Journalist. Er erinnerte an das Geheimabkommen zwischen Rom und Peking vom Oktober 2018. Es läuft im kommenden Oktober aus. Beide Seiten müßten nun entscheiden, ob es verlängert werden soll. Das Abkommen, so Díez, solle die Regierung in Peking daran hindern, ohne Zustimmung Roms Bischöfe zu ernennen. In den vergangenen vier Jahren wurden aber „nur sechs der mehr als 30 vakanten Diözesen in China besetzt“ und „die Verfolgung in diesem Land geht weiter“.
Der ABC-Korrespondent machte beispielhaft auf das Schicksal einzelner Kirchenmänner aufmerksam. Seit 1997 halten die Behörden Bischof Jakob Su Zhimin fest. Am kommenden 1. Juli wird der Bischof 91, doch niemand in seiner Diözese wisse, wo er gefangengehalten wird oder ob er überhaupt noch lebt.
Ein weiterer Bischof wurde bereits vor vielen Jahren verschleppt. Auch über sein Schicksal ist nichts bekannt. Mindestens zwei Bischöfe stehen unter Hausarrest. Weitere Bischöfe werden gezwungen, an Indoktrinationskursen teilzunehmen. Anderen werden Strom, Wasser und Gas abgestellt und noch weitere Schikanen gegen sie angewandt. Dazu gehöre, sie am Betreten ihrer eigenen Kathedrale oder anderer Kirchen zu hindern.
Die Entfernung von Kreuzen und anderen christlichen Symbolen aus der Öffentlichkeit ging trotz des Abkommens mit dem Vatikan in den vergangenen Jahren ungehindert weiter.
„Im Frühjahr 2020, auf dem Höhepunkt der Pandemie und als viele Menschen angesichts dieser unsicheren Zeiten nach geistlichem Trost suchten, wurden in der östlichen Provinz Anhui nach Angaben mehrerer christlicher Gruppen mehr als fünfhundert Kreuze entfernt. Die Behörden haben die Kreuze der katholischen und protestantischen Kirchen unter Berufung auf städtebauliche Gründe abmontiert.“
Die Priester und Gemeindemitglieder seien machtlos dagegen. Die Kommunistische Partei setzt mit Hilfe der Staatsmacht ihre Ziele durch. Notfalls mit Gewalt. Die Verfolgung richtet sich dabei nicht „nur“ gegen die Kirche als Institution, sondern immer gegen Personen, die als Abweichler eingestuft und bekämpft werden.
„Wenn Paare kirchlich heiraten wollen, dann findet die Hochzeit ganz früh am Morgen statt, manchmal sogar vor Sonnenaufgang, um keine Aufmerksamkeit zu erregen und von den Behörden unbemerkt zu bleiben.“
Das Problem sei, daß dem Regime kaum mehr etwas entgeht. Dafür sorgen die vielen Überwachungskameras, die bevorzugt auch in der Nähe von Kirchen angebracht werden. Schon vor Beginn der Corona-Pandemie kam auf zehn Bürger eine Überwachungskamera. Bis 2030 will das Regime die Zahl der Überwachungskameras auf über 600 Millionen verfünffachen. Eine Kamera auf zwei Bürger. Die „totale Überwachung“ sei das vom Regime angestrebte Ziel.
„In einer Kirche in Schanghai habe ich ein ganzes Dutzend Kameras gesehen, die direkt auf die Türen gerichtet waren. Das Ziel ist nicht nur, jeden zu erfassen, der es wagt, eine Kirche zu betreten, sondern viele abzuschrecken, die es tun wollen.“
Die Volksrepublik China scheine „die Zeit zurückzudrehen, und sich nach vier Jahrzehnten der Öffnung für die Globalisierung wieder zu verschließen, indem es die Coronavirus-Pandemie ausnutzt“, so Díez.
Der Journalist stellte abschließend die Frage in den Raum, „inwieweit man einer Diktatur vertrauen kann, die dank ihrer wirtschaftlichen Stärke die mächtigste der Welt ist und die all diese Mißbräuche gegen die Religion und gegen ihre Bürger begeht“.
„Nur die Zeit wird es zeigen, denn wie wir wissen, sind die Wege des Herrn unergründlich. Erst recht in China.“
PS: Es darf bezweifelt werden, daß sich die Klage über die zunehmende Überwachung in China mit der gleichzeitigen Durchsetzung absurder Corona-Maßnahmen im Vatikan verträgt, etwa der Maskenpflicht bei der gestrigen Tagung. Wird nicht vielmehr durch sinnfreie Corona-Maßnahmen jene unterwürfige Mentalität vorbereitet, die eine totale Überwachung erst möglich macht? Vielleicht sollte im Vatikan auch darüber nachgedacht werden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshot)