Von Cristina Siccardi*
Am 7. Dezember, am späten Nachmittag, findet die offizielle Einweihung der Kathedrale Notre-Dame in Paris statt, nachdem die Restaurierungsarbeiten nach dem beeindruckenden Brand vom 15. April 2019 abgeschlossen sind. Die Einweihung umfaßt die Übergabe der Kathedrale Notre-Dame vom Staat als Eigentümer an die katholische Kirche als Nutznießer, die Wiedereinweihung der Orgel, eine liturgische Feier mit Segen, Magnificat, Te Deum und Vesper.
Die Wiedereröffnung wird vom Erzbischof von Paris, Msgr. Laurent Bernard Marie Ulrich, am späten Nachmittag des 7. Dezember in Anwesenheit des Präsidenten der Republik, Emmanuel Macron, vorgenommen. Im Anschluß an die Veranstaltung findet ab 21 Uhr eine von France TV produzierte und weltweit ausgestrahlte künstlerische Veranstaltung statt. Wir wissen nicht, was bei dieser Veranstaltung herauskommen wird, aber nach dem, was wir bei den letzten Olympischen Spielen in Paris gesehen haben, muß mit allem gerechnet werden.
Am 8. Dezember, dem Fest der Unbefleckten Empfängnis, ist für 10.30 Uhr eine vom Erzbischof zelebrierte Eröffnungsmesse mit Altarweihe vorgesehen. In den Programmen heißt es leider, wie schon seit mehreren Jahren, nicht „zelebriert“, sondern „präsidiert“, ein säkularer Begriff, der mit dem Glauben kollidiert. Erinnern wir uns daran, daß „præsidere“ nach dem Oxford-Wörterbuch bedeutet: „Leiten, beaufsichtigen. Führen als Präsident, Schulleiter, Direktor oder Manager; leiten: einer Jury vorsitzen; einem Ausschuß vorsitzen; einer Vereinigung vorsitzen; einer Versammlung vorsitzen; einer Schule vorstehen, der Fakultät für Ingenieurwissenschaften“. Celebrare hingegen gehört zur religiösen Sprache; dasselbe Wörterbuch erklärt: „mit Lobpreisung ehren, verherrlichen, feiern“, während das Treccani-Wörterbuch als Bedeutungen angibt: „loben, preisen, verherrlichen“.
Ab dem 16. Dezember wird Notre-Dame den Gläubigen wieder mit freiem Zugang offenstehen. Ziel ist es, die jährlich erwarteten 14‒15 Millionen Gläubigen und Touristen zu empfangen, was dem französischen Staat hohe finanzielle Einnahmen beschert. Während Notre-Dame wiedereröffnet wird, bleiben viele andere Kirchen aus Mangel an Priestern geschlossen, denen von der modernen Theologie die eigentliche priesterliche Identität, nämlich die Zelebration des heiligen Altaropfers, abgesprochen wird.
Kirchen, die auch architektonisch und ikonographisch Kirchen sind, werden verkauft und haben einen Markt, weil die Schönheit geschätzt wird und sie vom Denkmalamt geschützt werden, wo die Diözesen sich nicht mehr um sie kümmern können. Aber was ist mit den häßlichen, bild- und schmucklosen, eisigen Kirchen moderner Machart?
„Heute haben sogar die figurativen Maler und Bildhauer ‒ es gibt viele gute ‒ Schwierigkeiten. Nach der jahrzehntelangen Marginalisierung der Meister, die ihren Schülern die Idealisierung des menschlichen Körpers und seine Manifestation der Seele vermitteln konnten, versinken die Wurzeln der figurativen Kunst selbst in einem sauren, vergifteten Humus“, schreibt der Architekt und Akademiker Ciro Lomonte, ein Experte für Sakralkunst, der sich für den Generationswechsel in der hohen Kunst engagiert, in einem Artikel mit dem Titel Religion. Kirchen bleiben immer Kirchen. Moderne Kirchen bleiben es nicht. „Was die Architektur anbelangt, so wurde die Frage des Sakralen von Architekt Schloeder angesprochen, der zu Recht feststellt, daß Kirchen der Vergangenheit etwas haben, was sie unverwechselbar zu Kirchen macht. Selbst wenn sie entweiht sind, behalten sie ein Aussehen, das den Sinn der Feierlichkeiten, für die sie gebaut wurden, vermittelt.“
Der in Palermo geborene Lomonte hält den Diskurs über Kirchenbauten für eine ernste Angelegenheit, da alte Kirchen für immer Kirchen bleiben, während moderne Kirchen überhaupt nicht wie Bauten für die Zelebration der Sakramente aussehen, und „wenn sie für andere Zwecke genutzt würden (Konferenzsäle, Bibliotheken, Geschäfte, Garagen oder Schwimmbäder), wären sie viel überzeugender“.
Der Architekt Steven Schloeder, der sein Studium an der Arizona State University mit Auszeichnung abgeschlossen hat und in den Vereinigten Staaten römisch-katholische Sakralarchitektur betreibt, ist der Ansicht, daß es für die katholische Architektur eine „sakramentale Sprache“ gibt, da das Kirchengebäude ein sensibles Zeichen für die in den Sakramenten gefeierten Mysterien ist. In der Tat ist die Bedeutung der Sakramente in den zeitgenössischen Kirchenbauten nicht mehr präsent, die einer protestantischen Theologie folgen und sich damit von der Tradition, dem unbestreitbaren Bollwerk der Lehre des katholischen Glaubensbekenntnisses, entfernen.
Interessant ist, wie der Architekt Lomonte feststellte, daß die berühmten künstlerischen Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts von Künstlern hervorgebracht wurden, die der von Frau Blavatsky (1831‒1891) gegründeten Theosophischen Gesellschaft und der Anthroposophie Rudolf Steiners (1861‒1925) anhingen oder in direktem Kontakt mit ihnen standen. Künstlerische Theorien, wie der Abstraktionismus in der Malerei und Bildhauerei und der Rationalismus in der Architektur, fanden in diesen Kreisen ihren Nährboden. „Die Künstler betrachteten die Kunst als neue Religion, als Spiritualismus, und maßen sich an, die Priester dieser Religion zu sein. Ihr ikonoklastischer Ansatz war eine konsequente Folge dieser Prämissen.“
Im Jahr 2007 wurde von der Päpstlichen Kommission für das kulturelle Erbe der Kirche der Masterstudiengang für Architektur, sakrale Kunst und Liturgie ins Leben gerufen, der derzeit ausgesetzt ist. An dem von der Europäischen Universität Rom veranstalteten Masterstudiengang nahmen Hunderte von Architekten, Malern, Bildhauern und Verantwortlichen für die Ämter für sakrale Kunst aus der ganzen Welt teil. Viele hofften, daß eine neue Generation von Fachleuten für katholische Sakralkunst heranwachsen würde, die dann schöne, dem Thema angemessene Werke schaffen könnten. Ein Master-Abschluß auf zweiter Ebene ist jedoch ein Bildungsweg, der erst dann eingeschlagen wird, wenn die universitäre Ausbildung bereits unauslöschliche Spuren hinterlassen hat. Der Architekt Lomonte fährt fort: „Angesichts des ideologischen Klimas der neuen Kunstreligion, das man in den Studiengängen der Akademien der Schönen Künste und der Architektur atmet, werden die Studenten vom ersten Studienjahr an, wenn sie zwischen achtzehn und neunzehn Jahre alt sind, dazu gebracht, den gesunden Menschenverstand nicht mehr zu benutzen. Sie werden gezwungen, sich in die virtuelle Welt ihrer Dozenten zu begeben und sich an deren Art und Weise anzupassen, Werke zu schaffen, die so weit wie möglich von der Realität entfernt sind“ (ibid.).
Die Kurse der 2013 in Florenz eröffneten Sacred Art School sind von einer anderen Art. Die Schule wurde im Stil einer Renaissance-Werkstatt konzipiert, in der Kurse in Malerei, Bildhauerei, Tischlerei, Goldschmiedekunst und Weberei angeboten werden. Erwähnenswert ist auch der zweite Masterstudiengang in Geschichte und Technologie der Goldschmiedekunst, der 2011 von der Universität Palermo in Zusammenarbeit mit Arces, die bereits 1995 eine eigene Goldschmiedeschule gegründet hatte, ins Leben gerufen wurde.
Lomonte, ein Architekt des Denkens und Handelns, ist der Ansicht, daß „die sakrale Kunst auf der Grundlage einer erneuerten Beziehung zwischen einer tiefen christlichen Weltanschauung und einer glühenden Leidenschaft für die handwerklichen Fertigkeiten und die gewissenhafte Anwendung von Techniken, einschließlich innovativer Techniken, wiedergeboren wird“ (ibid.). Nach der Asche des Gemetzels, das die voltaireischen, marxistischen, hegelianischen, nietzscheanischen sowie liberalistischen und freimaurerischen Ideen angerichtet haben, können wir als gute Kämpfer und mit allchristlicher Hoffnung nur auf die Kirchen zählen, die als solche übrig geblieben sind und die dank einer neuen Generation von Architekten mit freien, nicht durch zerstörerische Theorien bedingten Überzeugungen in der Lage sein werden, uns wieder Gott zugewandte Altäre zu schenken (schrecklich, der neue Altar für den Novus Ordo von Notre-Dame mit seiner Ausstattung und für die Gläubigen nur minimalistische Stühle ‒ sie sehen aus, als wären sie von Ikea ‒ und keine Kirchenbänke mit Knien), auf denen die Priester das Sakrament des Heiligen Opfers in persona Christi feiern können und nicht mehr der „Versammlung“, dem Phantom-Mahl oder dem lutherischen Eucharistiegedächtnis „vorstehen“.
*Cristina Siccardi, Historikerin und Publizistin, zu ihren jüngsten Buchpublikationen gehören „L’inverno della Chiesa dopo il Concilio Vaticano II“ (Der Winter der Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Veränderungen und Ursachen, 2013); „San Pio X“ (Der heilige Pius X. Das Leben des Papstes, der die Kirche geordnet und erneuert hat, 2014) und vor allem ihr Buch „San Francesco“ (Heiliger Franziskus. Eine der am meisten verzerrten Gestalten der Geschichte, 2019).
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
Ja, die eiskalten Kirchenräume… Siehe die Hedwigskathedrale! Terribile! Da ist Notre Dame Gott sei gedankt wunderschön u. ein Sakralraum, ein Haus Gottes. Wenn dann der Erzbischof von Paris allerdings nicht zelebriert, wie es in den Evangelien heißt: Jesus sprach den Lobpreis, er sprach das Dankgebet… Aber was erwarten Sie?
Ich frage mich auch, warum mit Blick auf die Wiedereinweihung dieser Macron so in den Vordergrund gehoben wird. Ein dem Bösen ergebener Staatschef, der die Euthanasie durchdrücken will u. sie als „Revolution der Brüderlichkeit“ verkauft, der den Mord am Ungeborenen als Verfassungsrecht deklarierte… Ich hörte nichts Durchschlagendes dagegen von Erzbischof Ulrich! Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, Michel Aupetit, der sich mehrfach u. eindeutig zugunsten der ungeborenen Kinder u. zugunsten der Kranken, der alten Menschen usw. zu Wort meldete u. dafür reihenweise massiv auf X beschimpft wurde.
Für Interessierte: auf meinem Account veröffentlichte ich eine wunderbare Predigt zu Notre Dame von Mgr Aupetit – seine letzte Predigt zu Notre Dame, die er beim Weihegottesdienst 2021 hielt u. die ich damals für kath.net übersetzte:
„Wir sind so glücklich, dass unsere geliebte Kathedrale, die den Ruin riskierte, jetzt gesichert ist… Notre Dame … dessen Hauptgastgeber Gott selbst ist…“
https://www.facebook.com/juliana.bauer.58
Einer Messe vorstehen, präsidieren, ich finde diesen Ausdruck richtig, da man sich sehr sicher sein kann, dass von dem, was sich heute so Kirche nennt, wohl eher keine echte Darbringung des Messopfers auszugehen ist. Im Novus Ordo kenne ich das nur von einem heute bereits 90jährigen Priester, der das mit Ehrfurcht und echter Frömmigkeit tut, also tatsächlich zelebriert.
Zur Eröffnungsfeier am 7.Dezember: der Pariser Erzbischof u. seine beiden „Vasallen“ sahen aus wie Pagliacci… Da hätte der Papagei, den der Erzbischof von Köln dem Papst einst schenkte, in Notre Dame seine helle Freude gehabt u. hätte begeistert ausgerufen: Kölle Alaaf!
Nun muss ich mich noch einmal zu Wort melden.
Wie kann es sein, dass Madame Macron die Kommunion empfangen kann? Lebt sie nicht in einem laut Kirche rechtswidrigen Eheverhältnis? Und unterstützte ihren Mann bei der Aufnahme des Mordes am ungeborenen Kind in die Verfassung… Ich sah mit eigenen Augen, wie Mgr Marsset, Weihbischof von Paris, ihr die Eucharistie gab.