Felix Dirsch, Der Great Reset – Eine verschwörungstheoretische Chiffre?

Ein Sammelband zur Aufdeckung der Verschwörung


Der Great Reset – Eine verschwörungstheoretische Chiffre? von Felix Dirsch. Ein Sammelband zur Aufdeckung der Verschwörung. Denn nur die Wahrheit macht frei.
Der Great Reset – Eine verschwörungstheoretische Chiffre? von Felix Dirsch. Ein Sammelband zur Aufdeckung der Verschwörung. Denn nur die Wahrheit macht frei.

Buch­be­spre­chung von Wolf­ram Schrems*

Anzei­ge

Im August erschien ein Sam­mel­band zu Hin­ter­grund, Wesen und Impli­ka­tio­nen des „gro­ßen Neu­starts“, wie er von Klaus Schwab und Thier­ry Mal­ler­et in ihrem Buch COVID-19: Der Gro­sse Umbruch (bereits am 25. Sep­tem­ber 2020 publi­ziert, man war auf Coro­na offen­bar gut vor­be­rei­tet) pro­pa­giert wird. Her­aus­ge­ber Dr. Felix Dirsch ist katho­li­scher Theo­lo­ge und Poli­to­lo­ge und Pro­fes­sor für poli­ti­sche Wis­sen­schaft an der Uni­ver­si­tät Gjumri/​Armenien.

Das Geleit­wort stammt von dem Phi­lo­so­phen, pro­te­stan­ti­schen Theo­lo­gen und bekann­ten „kon­ser­va­ti­ven“ Vor­den­ker Harald Seu­bert, was man als Aus­zeich­nung sehen kann:

„Das Niveau der Bei­trä­ge ist von durch­ge­hend hohem intel­lek­tu­el­lem und auch ethi­schem Niveau. Es zei­gen sich Lücken in der Schwei­ge­spi­ra­le und Durch­läs­sig­kei­ten im main­stream­haft all­zu oft Ver­schwie­ge­nen. […] Allen Bei­trä­gern, mag ich ihnen mehr oder weni­ger zustim­men, ist dafür zu dan­ken, dass sie die offe­ne Gesell­schaft, die res publi­ca huma­na, ver­tei­dig­ten, wo das Ver­schwei­gen wie­der ein­mal ein­fa­cher ist“ (11).

Die Autoren und ihre Beiträge

Felix Dirsch über­nahm neben der Ein­lei­tung („Gre­at Reset als wesent­li­che Chif­fre der Coro­na- und Post-Coro­na-Ord­nung“) noch selbst zwei Bei­trä­ge, nach­dem offen­bar der eine oder ande­re Autor sei­ne Zusa­ge wie­der zurück­ge­nom­men hat­te: „Gre­at Reset als Kon­troll- und eli­tä­res Glo­bal­herr­schafts­sy­stem Über­blick, gei­stes­ge­schicht­li­che Histo­ri­sie­rung und Ver­such der Dechif­frie­rung eines Code­wor­tes“ und „Mit­tel zur Macht­si­che­rung? Kli­ma­pa­ra­dig­ma, Coro­na-Pan­de­mie, Gro­ße Trans­for­ma­ti­on und Trans­hu­ma­nis­mus als zen­tra­le Berei­che der Durch­set­zung des Gre­at Reset“.

Vom Rezen­sen­ten stammt der Bei­trag „Der Welt­staat in christ­li­chem Glau­bens­be­wusst­sein und in neue­rer vati­ka­ni­scher Politik“.

Die pro­mo­vier­te Phi­lo­so­phin, Ger­ma­ni­stin und Autorin Caro­li­ne Som­mer­feld schrieb über „System, Steue­rung, Plan – Wie über uns ver­fügt wird und wie wir über uns ver­fü­gen können“.

Dani­el Zöll­ner, Phi­lo­soph, Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­ler und Dis­ser­tant bei Prof. Seu­bert, äußert sich in sei­nem sehr pro­fun­den und prä­zi­sen Bei­trag zur „Sucht nach Ein­heit – Die gei­stes­ge­schicht­li­chen Wur­zeln des ‚Gre­at Reset‘“.

Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler und Finanz­ex­per­te Dr. Ulrich Horst­mann schrieb zum The­ma „Wirt­schaft­li­cher Umbruch und Gro­ßer Neu­start – Eini­ge Über­le­gun­gen zur Welt nach der Kri­se“. Die Gedan­ken­ex­pe­ri­men­te über eine zukünf­ti­ge trans­hu­ma­ni­sti­sche Gesell­schafts­ord­nung sind durch­aus inter­es­sant, wobei das zwei­te dem Rezen­sen­ten weni­ger plau­si­bel erscheint.

Der Vize­prä­si­dent des Stu­di­en­zen­trums Wei­kers­heim, Buch­au­tor und Kom­mu­nal­po­li­ti­ker Vol­ker Kempf, beschäf­tigt sich mit: „Gre­at Reset als öko­lo­gi­sche Her­aus­for­de­rung. Der Grün­der des Welt­wirt­schafts­fo­rums – mehr als nur ein Publizist“.

Poli­tik­wis­sen­schaft­ler und Pro­fes­sor eme­ri­tus Heinz Thei­sen macht sich Gedan­ken zu „Geo­po­li­tik und Neue Welt­ord­nung. Nach dem Ukrai­ne-Krieg bräuch­ten wir mehr Mul­ti­po­la­ri­tät und Neu­tra­li­tät“ und schließ­lich plau­dert Sozi­al­päd­ago­ge Peter Back­fisch, jahr­zehn­te­lan­ger Mit­ar­bei­ter einer sozia­len NGO, gleich­sam aus dem Näh­käst­chen: „Sozia­le Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen – Zer­stö­rer basa­ler Organisationsstrukturen“.

Ange­sichts der Fül­le des meist sehr gut auf­be­rei­te­ten Mate­ri­als muß im fol­gen­den selek­tiert werden.

Felix Dirsch zum Aufriß des Themas…

Dirsch schreibt zur Einführung:

„Alles hat auf den ersten Blick so harm­los wie mög­lich begon­nen. Im Juni 2020 ver­kün­de­te das Welt­wirt­schafts­fo­rum (WEF), es sei Zeit für einen Gre­at Reset. Man datier­te ihn auf den 21. Janu­ar 2021 in Davos.“

Und:

„Eine weit­hin nicht vor­ge­se­he­ne Aus­nah­me­si­tua­ti­on sorg­te für glo­ba­le Schock­star­re. […] Die Welt braucht einen Neu­be­ginn, so eine nahe­lie­gen­de For­de­rung. Es bot sich eine Ana­lo­gie an, die (genau betrach­tet) nicht ganz stim­mig ist: Ein tech­ni­scher Reset, etwa am Com­pu­ter, setzt das betref­fen­de Gerät auf null. Doch die mensch­li­che Geschich­te lässt sich nicht auf einen bestimm­ten Aus­gang zurück­stel­len. Plau­si­bler ist etwas ande­res: Die umstrit­te­ne Meta­pher gibt einen all­ge­mei­nen wie inter­pre­ta­ti­ons­be­dürf­ti­gen Hin­weis, dass eine neue Ord­nung auf den Trüm­mern der alten errich­tet wer­den kann und soll. Man kann ‚Gre­at Reset‘ auch als code­wört­li­che Auf­for­de­rung zu einer sol­chen Erneue­rung verstehen.“

Dirsch erklärt dann, was Schwab und Mal­ler­et unter dem „Gre­at Reset des Kapi­ta­lis­mus“ ver­ste­hen und daß der „eli­ten­fo­kus­sier­te Hin­ter­grund“ offen­kun­dig sei.

Betei­ligt an der Beein­flus­sung der Poli­ti­ker sei­en Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on und Welt­wäh­rungs­fonds, die bei­de ver­ant­wort­lich sei­en, „dass bet­tel­ar­me Staa­ten, etwa in Afri­ka, Schlie­ßun­gen ange­ord­net hat­ten, durch die Mil­lio­nen Pre­kä­re end­gül­tig ins Elend gesto­ßen wurden.“

Dirsch kommt auf die „muti­ge Ableh­nung des wie von Gei­ster­hand gesteu­er­ten Gleich­klangs der staat­li­chen Frei­heits­ein­schrän­kun­gen rund um den Glo­bus“ in Form des von hohen kirch­li­chen Wür­den­trä­gern wäh­rend der Coro­na-Zeit ver­faß­ten Appells Veri­tas libera­bit vos zu spre­chen, in dem die Ver­fas­ser in den Maß­nah­men ein „beun­ru­hi­gen­des Vor­spiel zur Schaf­fung einer Welt­re­gie­rung“ ange­pran­gert hat­ten. Sie konn­ten dabei „sowohl auf eine län­ge­re Tra­di­ti­on des katho­li­schen Lehr­am­tes als auch der bibli­schen Über­lie­fe­rung zurück­blicken, die glo­ba­li­sti­schen Kon­zep­tio­nen grund­sätz­lich skep­tisch gegenüberstehen.“

…und zu geistesgeschichtlichen Voraussetzungen

In einem wei­te­ren Bei­trag geht Dirsch auf den „Ver­such der Dechif­frie­rung eines Code­wor­tes“ ein.

Der tie­fe­re psy­cho­lo­gi­sche Mecha­nis­mus des Neu­starts („Überwachungs‑, Hier­ar­chi­sie­rungs- und Beloh­nungs­ma­schi­ne­rie“) wird unter Rück­griff auf Geor­ge Orwell und Aldous Hux­ley sowie auf den bei uns wohl weni­ger bekann­ten „Auf­klä­rungs­phi­lo­so­phen“ Jere­my Bent­ham und auf den homo­se­xu­el­len Phi­lo­so­phen Michel Fou­cault ana­ly­siert. Sehr inter­es­sant sind auch die damit zusam­men­hän­gen­den Aus­sa­gen zum Beha­vio­ris­mus gemäß B. F. Skin­ner („Data­fi­zie­rung“ und „Ver­hal­tens­über­schuß“) und zu des­sen Anwen­dung durch den Infor­ma­ti­ker Alex Pent­land. Gegen bei­de spricht „ihr für die frei­heit­li­che Ord­nung prak­tisch inkom­pa­ti­bles Men­schen­bild“, da „Frei­heit und Wür­de […] aus ihrer Per­spek­ti­ve als Illu­si­on und Mytho­lo­gie [gel­ten], unver­ein­bar mit moder­nen wis­sen­schaft­lich-mate­ria­li­sti­schen Ansätzen.“

Dirsch erwähnt die Ankün­di­gung von „Trans­for­ma­tio­nen von gigan­ti­schem, histo­ri­schem Aus­maß“ durch Bun­des­kanz­le­rin Ange­la Mer­kel in Davos im Jän­ner 2020 (!).

Auf­schluß­reich ist, daß Schwab und Mal­ler­et in ihrem Werk schrei­ben, daß „die Pan­de­mie von 2020 zu den harm­lo­se­ren im Ver­lauf der letz­ten 2000 Jah­re gehört.“ Viel gefähr­li­cher sei der „Kli­ma­wan­del“, der für die Regie des Gre­at Reset offen­bar von zen­tra­ler Bedeu­tung ist:

„Bei­den ist klar, dass die mas­si­ven Frei­heits­be­gren­zun­gen nicht über Jah­re hin­weg auf­recht­zu­er­hal­ten sind […]. Da bie­tet der Rekurs auf das etwas älte­re The­ma Ret­tung, für das man kei­nen Impf­stoff ent­wickeln kann.“

Die „per­sön­lich-sitt­li­chen Lebens­wei­sen“ der Men­schen sol­len geän­dert wer­den. Die „tech­ni­sche“ Sei­te sol­cher Wand­lun­gen hat Schwab schon vor lan­ger Zeit in einer Schrift über die „Vier­te Indu­stri­el­le Revo­lu­ti­on“ the­ma­ti­siert. Die Zukunfts­vi­sio­nen, etwa im Rah­men der „Agen­da 2030“, wür­den auf „Kli­ma­neu­tra­li­tät, Gesund­heit als höch­stes Gut und Migran­ten­auf­nah­me als Form glo­ba­ler Huma­ni­tät“ hin­aus­lau­fen, damit „auf Umver­tei­lung, Depoten­zie­rung des Natio­nal­staa­tes und Abbau von Bürgerrechten“.

Wich­tig ist der Hin­weis Dirschs auf die unwür­di­gen Debat­ten zum Gre­at Reset, die mit „der Her­ab­set­zung der ande­ren Sei­te ein­her­ge­hen.“ Bekannt ist die Dis­kre­di­tie­rungs­stra­te­gie, „sie offen­bar­ten Ver­schwö­rungs­my­tho­lo­gien“. „Weit­hin tabui­siert“ ist nach Dirsch der „Kom­plex angeb­li­cher oder tat­säch­li­cher ‚jüdi­scher Welt­ver­schwö­run­gen‘“. Der Ein­satz der Anti­se­mi­tis­mus-Keu­le gegen legi­ti­me Fra­gen und For­schun­gen offen­ba­re „ein tief frei­heits­feind­li­ches Gebaren.“

Dirsch fragt, damit die Selbst­im­mu­ni­sie­rung man­cher mit­tels des „Antisemitismus“-Vorwurfs anprangernd:

„War­um soll­te auch eine Abstam­mung (gleich wel­cher Art) vor Ein­wän­den gegen unrecht­mä­ßi­ge Machi­na­tio­nen schüt­zen, sofern die­se plau­si­bel zu bele­gen sind? Das leuch­tet nicht ein.“

Sehr wich­tig ist die Beob­ach­tung Dirschs, daß „die Ent­lar­vung der Macht von Super­rei­chen frü­her Auf­ga­be der Lin­ken“ war, daß „die­se Auf­ga­be schon seit eini­ger Zeit nach rechts gerückt“ sei. Ver­tre­ter der Lin­ken wür­den den Kom­plex Gre­at Reset „zumeist wie der Teu­fel das Weih­was­ser meiden“.

Dirsch geht auf die Plä­ne zur „digi­ta­len glo­ba­len Welt­bür­ger­schaft“ ein, die in aller Offen­heit von IWF, Welt­bank, Gates-Stif­tung und WEF aus­ge­führt wer­den. Mäch­ti­ge Geg­ner sei­en ohne­hin nicht zu erkennen.

Die mie­se Rol­le, die die WHO spielt, wird eben­falls in den Blick genom­men. Die WHO listet jetzt auch den „Kli­ma­wan­del“ als Gesund­heits­pro­blem auf (!).

Dirsch geht auf den hete­ro­ge­nen und ange­sichts jahr­zehn­te­lan­ger „Demo­kra­tie­er­zie­hung“ über­ra­schend schwa­chen Wider­stand gegen Gre­at Reset und die „Sus­pen­die­rung etli­cher Grund­rech­te im Zuge des Coro­na- und Impf-Aus­nah­me­re­gimes“ und auf die „anti­west­li­chen, anti­glo­ba­li­sti­schen Ein­flüs­se“ in der isla­mi­schen Welt ein. Ob die­se tat­säch­lich so oppo­si­tio­nell zu den Glo­ba­li­sten steht, wie Dirsch nahe­legt, ist die Fra­ge. Die ara­bi­schen Staa­ten sind ja durch­aus kol­la­bo­ra­ti­ons­wil­lig (was Dirsch wei­ter unten selbst zugibt).

Zum Schluß führt Dirsch die glo­ba­li­sti­schen Plä­ne auf den „nihi­li­sti­schen Säku­la­ris­mus“ und die „Ent­chri­stia­ni­sie­rung“ (nach dem Kra­kau­er Erz­bi­schof Marek Jędra­szew­ski) zurück. Wich­ti­ge Vor­ar­bei­ten dazu hät­ten die „Dekon­struk­ti­vi­sten“, die „die gesam­te abend­län­di­sche Denk­tra­di­ti­on“ und selbst die „huma­ni­sti­schen Über­lie­fe­run­gen“ in Fra­ge stell­ten, gelei­stet. Die­se absur­de Anti-Denk­strö­mung (als Ver­tre­ter wer­den Rosi Brai­dot­ti, Michel Fou­cault und Jac­ques Der­ri­da genannt) lau­fen auf ein „Ende des Men­schen“ und die „Auf­lö­sung des Sub­jekts“ hinaus.

Dirsch stellt fest, daß aus­ge­rech­net sol­che Leu­te „bis heu­te beson­de­re Auf­merk­sam­keit“ fänden (!).

Caroline Sommerfeld: „kontrollierte Opposition“ oder gläubige Opposition zur Welt

Sehr bemer­kens­wert ist der Bei­trag der bekann­ten patrio­tisch-kon­ser­va­ti­ven Autorin, da hier ein für man­che mög­li­cher­wei­se über­ra­schen­der, aber sich gera­de­zu auf­drän­gen­der Rekurs auf Gott gemacht wird.

Som­mer­feld stellt im Zusam­men­hang mit dem Phä­no­men „kon­trol­lier­te Oppo­si­ti­on“ zunächst fest:

„Wer davon aus­geht, dass wir – als mensch­li­che Indi­vi­du­en, als Deut­sche, als wider­stän­di­ges Milieu – Teil eines Systems sind, zu des­sen Funk­tio­nie­ren wir auch durch Devi­anz bei­tra­gen, dass hin­ter unse­ren poli­ti­schen Hand­lun­gen ein grö­ße­rer Plan exi­stiert, in den die­se ein­ge­preist sind, oder dass es Prio­ri­tä­ten der Steue­rung mensch­li­cher Gesell­schaf­ten gibt, die wir kei­nes­wegs sel­ber set­zen, der möch­te schier ver­zwei­feln. Ver­zwei­feln an sei­ner Ohn­macht, dem über­mensch­lich gro­ßen Bösen aus­ge­lie­fert zu sein, oder auch ver­zwei­feln an dem schein­ba­ren Defä­tis­mus eines sol­chen ‚ver­schwö­rungs­theo­re­ti­schen‘ Ausgangspunktes.“

Die Pro­pa­gan­da braucht und behält sich des­we­gen einen Feind, der „noch nicht ganz aus­ge­stor­ben ist.“ Denn die Dik­ta­tur benö­tigt ein Haß­ob­jekt, das sie den Unter­drück­ten anbie­tet. Sie kann die­ses Objekt natür­lich auch selbst erzeu­gen oder frei erfin­den. Som­mer­feld bringt Emma­nu­el Gold­stein aus Orwells 1984 als „kon­trol­lier­te Oppo­si­ti­on“ ins Spiel.

Som­mer­feld bezieht sich auf die System­theo­rie Niklas Luh­manns, wonach „poli­ti­scher Wider­stand das System sta­bi­li­siert“. Eine nicht beob­acht­ba­re Hin­ter­grund­ar­beit des Systems sei steu­ernd tätig. Ent­schei­dungs­trä­ger kom­mu­ni­zie­ren nicht, von wo sie selbst ihre Befeh­le erhalten.

Inter­es­sant sind die sog. „Prio­ri­täts­ebe­nen“ der Steue­rung. Zu nen­nen ist beson­ders die psy­cho­lo­gi­sche Steue­rung „über die sub­jek­ti­ve Illu­si­on von Kon­trol­le“ in Situa­tio­nen, „in denen der Mensch eigent­lich wenig oder kei­ne Kon­trol­le über die Ent­wick­lung der Ereig­nis­se hat“.

Sehr rich­tig stellt Som­mer­feld fest, daß die glo­ba­li­sti­schen Eli­ten „Revo­lu­tio­nä­re“ sind, die einen „[hybri­den] Krieg gegen die Völ­ker durch mul­ti­pel auf­ein­an­der bezo­ge­ne Stra­te­gien: Kli­ma, Femi­nis­mus, Men­schen­rech­te, Migra­ti­on, Digi­ta­li­sie­rung, Plan­de­mie“ führen.

Som­mer­feld eröff­net in die­ser Situa­ti­on der erdrücken­den welt­li­chen Macht (die auch im Fall einer „mul­ti­po­la­ren Welt­ord­nung“ gege­ben sei) den Blick auf den „Umschlag­punkt“:

„Es ist seit Anbe­ginn christ­li­che Leh­re, dass die Welt das Reich des Wider­sa­chers ist. ‚Mein Reich ist nicht von die­ser Welt‘, ant­wor­tet Chri­stus dem Pila­tus. Wenn man als Christ die­se Leh­re ernst­nimmt, kann einen auf Erden nichts mehr schrecken.“

Das ist tat­säch­lich ein wich­ti­ger und – wenn man das so sagen will – system­kri­ti­scher Per­spek­ti­ven­wech­sel, der ange­sichts der Ewig­keit, ange­sichts von Him­mel und Höl­le, der irdi­schen Rea­li­tät ihre wirk­li­che Bedeu­tung zumißt. In gewis­ser Hin­sicht ist ja auch ein rein „welt­li­cher“ Wider­stand gegen Gre­at Reset und Glo­ba­lis­mus immer noch „Welt“ und unter­liegt ihrer Logik. Nur die Escha­to­lo­gie kann den Klam­mer­griff des Welt­li­chen lösen.

Som­mer­feld fol­gert dann, daß die „Innen­welt“, die eige­ne See­le, von der der Fürst der Welt „unab­läs­sig Besitz zu ergrei­fen ver­sucht“, gepflegt wer­den muß. Man müs­se zu einer christ­lich ver­stan­de­nen „Selbst­steue­rung“ und „Selbst­kon­trol­le“ kom­men, die aber nicht „ohne die Wir­kung der gött­li­chen Gna­de mög­lich ist.“

Sehr schön faßt sie zusammen:

„Inne­rer Wider­stand ist kein direk­ter Wider­stand gegen ‚den Plan der Eli­ten‘, ‚das System‘ oder gegen die Steue­rung glo­ba­ler Gesell­schaf­ten, son­dern wirkt indi­rekt – als Über­nah­me der Selbststeuerung.“

Damit ist – in eige­ner Para­phra­se – das Abschüt­teln der Fremd­steue­rung durch Lügen­pro­pa­gan­da, panem et cir­cen­ses und „sexu­el­le Befrei­ung“, die immer poli­ti­sche Kon­trol­le ist1, gemeint. Gemeint ist daher die Erlan­gung der inne­ren Frei­heit gegen­über den Sün­den und Lastern, die ein­zig – was schon die Alten wuß­ten – äuße­re, poli­ti­sche Frei­heit begrün­den und befe­sti­gen kann2. –

Der Auf­satz ist sehr gehalt­voll und man wird die Autorin zu ihrer Ent­deckung der Glau­bens­per­spek­ti­ve nur beglück­wün­schen können.

Ger­ne hät­te man noch eini­ge Sät­ze mehr zu Glau­be und Welt­über­win­dung gele­sen. Inter­es­sant wären auch noch eini­ge Erläu­te­run­gen zu Luh­mann und Pyja­kin gewe­sen. Aber das ist natür­lich Ermessenssache. – 

Was kli­schee­haft und unan­ge­bracht ist, ist Mar­tin Luther und sei­ne „Frei­heit eines Chri­sten­men­schen“ zu invo­zie­ren. Luther leug­ne­te ja gera­de den frei­en Wil­len. Er war inner­lich unfrei und getrie­ben. Auf sei­nem neu­en Glau­bens­sy­stem auf­bau­en­de poli­ti­sche Gebil­de spie­gel­ten die­se Unfrei­heit wider. Eine so gebil­de­te Autorin wie Caro­li­ne Som­mer­feld soll­te ein sol­ches Kli­schee vermeiden.

Kritische Punkte

Ein klei­ner Schwach­punkt ist nach Ansicht des Rezen­sen­ten der Unter­ti­tel. „Ver­schwö­rungs­theo­re­tisch“ (auch im Geleit­wort) ist kein Begriff, den man als der Wahr­heit ver­pflich­te­ter Autor ver­wen­den soll. Denn damit unter­wirft man sich schon den Vor­ga­ben der Gegen­sei­te. Der Begriff ist offen­kun­dig eine Nebel­gra­na­te, die das dis­kre­te Wir­ken der Mäch­ti­gen zu ver­decken hat. Daß die Geschich­te vol­ler Kon­spi­ra­tio­nen ist, wis­sen wir aus der Schu­le (De coni­ura­tio­ne Cati­linae von Sal­lust) und aus der Hl. Schrift, beson­ders die gegen die Pro­phe­ten und gegen Jesus Chri­stus selbst. Unklar ist der Aus­druck „Chif­fre“: Die den Neu­start wol­len, for­mu­lie­ren ja eigent­lich nicht „chif­friert“, son­dern sehr offenherzig. –

Ein grö­ße­rer Schwach­punkt ist der ziem­lich ober­fläch­li­che Bei­trag von Prof. Thei­sen. Bele­ge feh­len völ­lig, man­che Ein­schät­zun­gen erschei­nen dem kri­ti­schen Beob­ach­ter falsch. Thei­sen schreibt etwa:

„Es trägt schon Züge einer grie­chi­schen Tra­gö­die, wie im Ukrai­ne-Krieg alle Akteu­re das tun, was sie mei­nen tun zu müs­sen, und damit – gegen ihren Wil­len – das Unheil eines Drit­ten Welt­krie­ges heraufbeschwören“.

Ange­sichts der von außen diri­gier­ten Poli­tik der Ukrai­ne post Mai­dan­putsch, näm­lich der Aggres­si­on gegen die Bewoh­ner des Don­bass (Ob die­se wirk­lich „Ukrai­ner“ sind, wie Thei­sen pau­schal behaup­tet, wäre eine eige­ne Unter­su­chung wert.), der Ein­rich­tung von Bio­la­bo­ra­to­ri­en und der pro­vo­ka­ti­ven Prä­senz west­li­cher Sol­da­ten, sowie der offen­her­zi­gen Aus­sa­gen von Frau Nuland und ande­ren, ist die For­mu­lie­rung „gegen ihren Wil­len“ unplausibel.

Daß Ruß­land einen „ruch­lo­sen Angriffs­krieg“ füh­re, ist ange­sichts der Vor­ge­schich­te über­trie­ben for­mu­liert und bedient das „offi­zi­el­le“ Narrativ.

Thei­sen ist in theo­lo­gi­schen Fra­gen sehr unpräzise:

„Die Ukrai­ne wäre auf­grund ihrer inne­ren Spal­tung in west­christ­li­che Kon­fes­sio­nen in der West-Ukrai­ne und rus­sisch-ortho­do­xes Chri­sten­tum in der Ost-Ukrai­ne für eine neu­tra­le Rol­le zwi­schen den gei­sti­gen und poli­ti­schen Mäch­ten prä­de­sti­niert gewesen“.

Was bit­te sind „west­christ­li­che Kon­fes­sio­nen“? Meint Prof. Thei­sen die Katho­li­sche, also wört­lich die „uni­ver­sa­le“, „welt­um­span­nen­de“ römi­sche Kir­che, zu der in der Ukrai­ne die Gläu­bi­gen des byzan­ti­ni­schen Ritus („grie­chisch-katho­li­sche“ bzw. „unier­te“ Kir­che) gehören?

Daß der „päpst­li­che Uni­ver­sa­lis­mus“ zu den „west­li­chen Macht­an­sprü­chen“ zu zäh­len wäre, kann der Rezen­sent nicht nach­voll­zie­hen. Will Thei­sen sagen, daß das Papst­tum ein Vor­läu­fer oder Ermög­li­cher des – sagen wir – US- oder UK-Impe­ria­lis­mus sein soll? Der „päpst­li­che Uni­ver­sa­lis­mus“ ist bekannt­lich ein geist­li­cher und nicht an die Geo­gra­phie gebundener.

Eine völ­li­ge Fehl­ein­schät­zung liegt nach Ansicht des Rezen­sen­ten in die­ser Aus­sa­ge vor:

„Die Sta­bi­li­tät der Welt­ord­nung erfor­dert eine gemein­sa­me Ein­däm­mungs­po­li­tik der Groß­mäch­te gegen­über revo­lu­tio­nä­ren Ansprü­chen wie denen des Isla­mis­mus. Im Kampf gegen den Isla­mi­schen Staat in Syri­en deu­te­te sich dies an“.

Sicher „erfor­dert“ eine sinn­vol­le Ord­nung in der Welt eine „Ein­däm­mung“ des „Isla­mis­mus“. Wir sehen aber, daß sich die glo­ba­li­sti­schen Kräf­te den Islam gera­de­zu zunut­ze machen, etwa um das alte Euro­pa aus­zu­lö­schen oder ver­hält­nis­mä­ßig gemä­ßig­te und säku­la­re ara­bi­sche Herr­scher wie den syri­schen Prä­si­den­ten Bas­har al-Assad zu bekämp­fen. Ein ver­sier­ter Poli­tik­wis­sen­schaft­ler wie Thei­sen wird zumin­dest die Fra­ge stel­len müs­sen, wer denn den myste­riö­sen, finan­zi­ell und logi­stisch bestens aus­ge­stat­te­ten IS gegrün­det hat und zu wel­chem Zweck. Han­delt es sich gege­be­nen­falls um einen Golem?3 Ist der Islam selbst even­tu­ell ein Golem? Wer führt in Syri­en tat­säch­lich einen „Kampf“ gegen den IS? Hier bleibt der Autor vie­le Ant­wor­ten schuldig.

Zudem pro­ble­ma­ti­siert er die Per­son und Taten bzw. Unta­ten Hen­ry Kis­sin­gers („der über Met­ter­nich pro­mo­viert hat­te“) nicht wei­ter. Das ist gera­de in einem Band zum The­ma Gre­at Reset und Welt­macht­aspi­ra­tio­nen ein gro­ßes Versäumnis.

Thei­sen bedient sich zuwei­len vager und unver­ständ­li­cher Aus­drücke („Para­dig­men­wech­sel zu neu­en Frie­dens­ka­te­go­rien“, „inter­kul­tu­rel­len Zwi­schen­räu­men“, „rus­si­schen Hemisphäre“).

Auch wenn man zu ver­ste­hen glaubt, was Thei­sen mit „mul­ti­po­lar“ meint, und dem durch­aus zustim­men kann, so bleibt er doch unter dem Strich zu sehr dem heu­te vor­herr­schen­den Haupt­strom verhaftet. –

Der Bei­trag von Peter Back­fisch über die Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen ist zwar äußerst lesens­wert, aber zahl­lo­se Ver­schrei­bun­gen und Inter­punk­ti­ons­feh­ler machen die Lek­tü­re müh­sam. Hier wäre ein gründ­li­ches Kor­rek­to­rat not­wen­dig gewesen. –

Resümee

Die Bei­trä­ge sind fast alle von hoher Qua­li­tät. Das The­ma wird von meh­re­ren Sei­ten ange­gan­gen. Es wird sehr viel Lite­ra­tur ver­ar­bei­tet, die Lite­ra­tur­li­ste von Her­aus­ge­ber Dirsch ist gera­de­zu spek­ta­ku­lär. Der Sam­mel­band ist alles in allem gut gelun­gen. Möge er zur Auf­deckung der Ver­schwö­rung bei­tra­gen. Denn nur die Wahr­heit macht frei.

Felix Dirsch (Hrsg.), Der Gre­at Reset – Eine ver­schwö­rungs­theo­re­ti­sche Chif­fre?, Mit Bei­trä­gen von Felix Dirsch, Wolf­ram Schrems, Caro­li­ne Som­mer­feld, Dani­el Zöll­ner, Ulrich Horst­mann, Vol­ker Kempf, Heinz Thei­sen und Peter Back­fisch, mit einem Geleit­wort von Harald Seu­bert, Ger­hard Hess Ver­lag, Uhin­gen 2024, 335 S.

*Wolf­ram Schrems, Mag. theol., Mag. phil., Kate­chist, Pro-Lifer, setzt sich für einen „gro­ßen Neu­start“ in der Welt im Sinn der Bot­schaft von Fati­ma ein.


1 Vgl. dazu das bahn­bre­chen­de Werk von E. Micha­el Jones, Libi­do domi­n­an­di – Sexu­al Libe­ra­ti­on and Poli­ti­cal Con­trol, mitt­ler­wei­le 2. Auflage.

2 Vgl. dazu sehr gut KKK 1733.

3 Der jüdisch-bri­ti­sche Jour­na­list Kit Kla­ren­berg schreibt, daß ISIS eine Schöp­fung von CIA und MI6 sei.

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