
Im Corriere della Sera, dem liberalen Flaggschiff unter Italiens Tageszeitungen, wurde gestern eine ungewöhnliche Anzeige veröffentlicht, die Papst Franziskus gewidmet ist.
Es handelt sich um eine ganzseitige bezahlte Anzeige, die gleich auf doppelte Weise nicht zu übersehen ist. Einmal, weil sie so groß ist, und zweitens, weil die ganz in Rot gehalten ist mit weißer Aufschrift. Zudem ist der Text ganz knapp gehalten. Es steht nur in Großbuchstaben „Frieden“, darunter etwas kleiner: „Danke Papst Franziskus“ und schließlich am unteren Seitenende „Leone 6, Giorgia 12, Ludovica 14, Lucrezia 15“. Dabei handelt es sich offenbar um vier Kinder, deren Namen und die jeweilige Altersangabe.
Eine einmalige, ganzseitige Werbeanzeige in der italienweiten Ausgabe des Corriere della Sera mit einer Schmuckfarbe dürfte aktuell mehr als 130.000 Euro kosten.
Im Corriere della Sera findet sich kein weiterer Hinweis zur Anzeige. Wie die Presseagentur Italpress in Erfahrung bringen konnte, wurde die Anzeige von einem „mysteriösen Geschäftsmann“ in Auftrag gegeben, demselben, der bereits im Jahr 2021 dem italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella eine Danksagung im Corriere della Sera widmete. Bei den Namen soll es sich um die Enkel des Geschäftsmanns handeln.
Die Botschaft wird nicht näher erklärt, dennoch ist sie unschwer zu entziffern. Der Aufruf zum Frieden von vier Kindern blickt in die Zukunft und richtet sich offenbar gegen die Kriegstreiberei, die derzeit von einigen politischen Gruppen im Westen betrieben wird. Auch das Datum der Veröffentlichung scheint nicht zufällig gewählt: Gestern begann im italienischen Apulien der G7-Gipfel, der sich offiziell mit Künstlicher Intelligenz, tatsächlich aber auch ausführlich mit dem Ukrainekrieg befaßt. Die Involvierung der europäischen Staaten in den Krieg wurde in den vergangenen 28 Monaten immer intensiver. Anfangs wurden Helme geschickt, inzwischen sind es Waffen (fast) aller Art, auch Kampfflugzeuge, die neuerdings auch offensiv gegen russisches Territorium eingesetzt werden dürfen. Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni unterstützt die Ukraine-Politik der US-Regierung Biden, wenn auch mit etwas angezogener Handbremse, da es koalitionsinternen Widerspruch gibt. Truppenentsendungen wird es mit dieser Regierung keine geben. Insgesamt erlebt Europa jedoch jeden Tag eine Gratwanderung. In beiden Weltkriegen des vorigen Jahrhunderts waren die beteiligten Akteure anfangs der Überzeugung, den Konflikt regional begrenzt und unter Kontrolle halten zu können. In beiden Fällen erhielten die Ereignisse schnell eine Eigendynamik und weiteten sich zu einem Flächenbrand aus.
Papst Franziskus ist seit dem „zu lauten Bellen der NATO vor der russischen Haustür“ und dem Angriff russischer Truppen von seiner Linie, Friedensgespräche anzumahnen, nicht abgerückt. Ihm gilt dafür offensichtlich der Dank in der ungewöhnlichen Anzeige.
Franziskus ernannte mit Kardinal Matteo Zuppi einen eigenen Delegaten für den Frieden in der Ukraine, der bisher allerdings wenig erfolgreich war. Die ukrainische Staatsführung unter Wolodymyr Selenskyj erließ ein ausdrückliches Verbot von Friedensverhandlungen. Das Schicksal der Ukraine entscheidet sich ohnehin in Moskau und Washington.
Es wird sich zeigen, ob Santa Marta versuchen wird, mit dem Auftraggeber der Anzeige und seinen Enkelkindern Kontakt aufzunehmen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Corriere della Sera (Screenshot)