„Ein verlässlicher Diener der Wahrheit“

Nachruf auf Bischof Vitus Huonder


Bischof Vitus Huonder (1942 bis 2024)
Bischof Vitus Huonder (1942 bis 2024)

Von Msgr. Mari­an Ele­gan­ti OSB*

Anzei­ge

Bischof Vitus ist so, wie er gelebt hat, gestor­ben: als ein Mann des Glau­bens. Es gibt kei­nen Zwei­fel dar­über, dass er Jesus Chri­stus sehr geliebt hat und sich Ihm an erster Stel­le als treu­er, klei­ner Die­ner ver­pflich­tet fühl­te. Erge­ben in den Wil­len Got­tes und in völ­li­gem Frie­den habe ich ihn noch am Sonn­tag ange­trof­fen. Auch wenn sei­ne Stim­me schwach war, hat er gleich die Gebe­te, die ich gebe­tet habe, sehr gesam­melt mit­ge­spro­chen. So durf­te ich mich noch auf dem Heim­weg von Ulm von ihm mit einer Umar­mung ver­ab­schie­den, wofür ich sehr dank­bar bin.

Bischof Vitus wur­de von vie­len Men­schen geliebt und geschätzt. Für sie war er ein Leucht­turm, der in der Bran­dung der Zeit nicht wank­te. Das darf man nicht aus­blen­den in Erin­ne­rung an die auf­ge­reg­te und nega­ti­ve Pres­se und stän­di­ge Pole­mik, die sei­ne Amts­zeit als Bischof von Chur beglei­te­te. Als sein Weih­bi­schof konn­te ich ihn von nahe erle­ben, vor allem bei Sit­zun­gen; Lit­ur­gien und Pre­dig­ten, im Vier­au­gen­ge­spräch, in Tele­fo­na­ten und Kri­sen­si­tua­tio­nen und nach sei­ner Eme­ri­tie­rung in wirk­lich freund-schaft­li­chen Begeg­nun­gen. Wir haben uns jeweils in einem Restau­rant getrof­fen, zusam­men geges­sen, und ich habe ihn bei die­sen Gele­gen­hei­ten «gebrieft». Denn er leb­te in Wangs sehr zurück­ge­zo­gen und die social Media waren nicht sein Ding. Er blieb aber inter­es­siert. Man muss­te über kon­ser­va­ti­ve Hilfs­mit­tel mit ihm kommunizieren.

Was vie­le viel­leicht nicht wis­sen: Bischof Vitus war ein sehr guter Beicht­va­ter mit Beto­nung auf der zwei­ten Hälf­te des Wor­tes: Vater. Er war ein sehr gedul­di­ger Zuhö­rer, der einen nie unter­bro­chen hat. Sei­ne Rat­schlä­ge auf die­ser geist­lich-sakra­men­ta­len Ebe­ne waren wirk­lich wei­se, ver­ständ­nis­voll und abso­lut nicht streng, son­dern klug und gütig, nein: erleuchtet.

In sei­ner Ver­kün­di­gung war Bischof Vitus ein ver­läss­li­cher Die­ner der (Glau­bens-) Wahr­heit. Vie­le Gläu­bi­ge schätz­ten und bewun­der­ten das an ihm. Schlä­ge hat er bereit­wil­lig hin­ge­nom­men, üble Nach­re­de und Demü­ti­gun­gen auch. Ich war mit ihm nicht in allen Din­gen und Situa­tio­nen einer Mei­nung, vor allem nicht in der Zeit, als ich das Semi­nar in Chur lei­te­te. Aber auch in die­sen Situa­tio­nen konn­te ich an ihm eini­ge Sei­ten sei­ner Per­sön­lich­keit sehr gut ken­nen­ler­nen. Retro­spek­tiv kann ich bezeu­gen, dass ich aus sei­nem Mund nie das lei­se­ste böse oder abschät­zi­ge Wort über einen Men­schen, vor allem nicht über sei­ne ent­schie­de­nen Geg­ner, ver­nom­men habe. Er hat ein­fach nie schlecht über ande­re Per­so­nen gere­det, egal, wie sie zu ihm stan­den. Bei Tisch konn­te er humor­voll und situa­tiv sehr iro­nisch sein, was mich manch­mal über­rasch­te. Ich hät­te es ihm nicht zuge­traut. Aber es war so. Bischof Vitus liess nicht jeden Men­schen an sich her­an. Im Umgang war er immer freund­lich. In Sit­zun­gen konn­te er auch ein­mal ein­dring­lich und ent­schie­den sei­nen Stand­punkt ver­tre­ten (sozu­sa­gen den «Tarif durch­ge­ben»), ohne aber jemals laut zu wer­den. Im Gegen­satz zu mei­nem eige­nen Tem­pe­ra­ment war er immer mode­rat, d. h. selbst­be­herrscht. Er konn­te lan­ge zuhö­ren. Man durf­te die eige­nen Argu­men­te vor ihm aus­brei­ten – minu­ten­lang. Er hat sie ange­hört, aber even­tu­ell danach das Gegen­teil von dem gemacht, was man selbst wünsch­te. Er behielt sei­ne letz­te Unab­hän­gig­keit im Urtei­len und im Han­deln und liess sich des­halb nicht immer in die Kar­ten schau­en, mein Eindruck.

Bischof Vitus war gebil­det. Er kann­te die Schrift und den Glau­ben der Kir­che. Sei­ne Pre­dig­ten waren ver­ständ­lich, schön auf­ge­baut und tief. Bischof Vitus war immer gut vor­be­rei­tet. Er wur­de in sei­nen Stel­lung­nah­men bei Sit­zun­gen im Gegen­satz zu mir nie aus­schwei­fend. Er gab sei­ne Mei­nung auch in extrem auf­ge­la­de­nen Situa­tio­nen (z. B. in der Bischofs­kon­fe­renz) mit kur­zen, ruhig vor­ge­tra­ge­nen Stel­lung­nah­men. Eben­so kurz ant­wor­te­te er auf Nach­fra­gen. Damit war von sei­ner Sei­te das The­ma erle­digt und man ging zum näch­sten Trak­tan­dum über.

Ich den­ke, dass Bischof Vitus nur weni­ge Ver­trau­te hat­te, jeman­den, den er wirk­lich als sei­nen Freund betrach­te­te bzw. dem er auch mehr von sei­nem Innen­le­ben preis­ge­ben moch­te. Er war ein sehr treu­er Beter. Rosen­kranz und Bre­vier, Hl. Mes­se: Da gab es nie die gering­sten Abstri­che oder Nach­läs­sig­kei­ten. Er hat­te Dis­zi­plin und arbei­te­te wirk­lich sehr viel und uner­müd­lich. An jedem Wochen­en­de war er in Pfar­rei­en. Er hat mehr durch sei­ne theo­lo­gi­schen und kir­chen­po­li­ti­schen Posi­tio­nen sei­ne Geg­ner pro­vo­ziert als durch sei­ne Per­sön­lich­keit, sei­nen Cha­rak­ter und sein Wesen. Letz­te­res hat­te bis zuletzt etwas Kind­li­ches und From­mes im besten Sinn des Wor­tes. Des­halb moch­ten ihn die Gläu­bi­gen in der per­sön­li­chen Begegnung.

Ich unter­neh­me es an die­ser Stel­le nicht, sein Wir­ken kir­chen­po­li­tisch ein­zu­ord­nen oder zu bewer­ten. Dar­über will ich auch nicht Rich­ter sein.

Ich blieb immer beein­druckt davon, wie er allen Men­schen ver­zie­hen hat, soweit ich es beur­tei­len kann oder mit­be­kom­men habe. Er war nicht nach­tra­gend. Er ging ein­fach sei­nen Weg und blieb auf sei­ner Linie. Er wur­de nicht böse auf Men­schen, schon gar nicht auf sei­ne ent­schie­de­nen Geg­ner. Inso­fern war er ein Lamm. Als ein sol­ches habe ich ihn auch im Ster­ben wahr­ge­nom­men: Sanft, erge­ben und verinnerlicht.

Er möge in Frie­den ruhen und in die Freu­de sei­nes HERRN ein­ge­hen! Er hat immer auf Sein Urteil ver­traut. Jenes der Men­schen im Gegen­satz dazu war ihm nicht wich­tig. Ich dan­ke Ihm von Her­zen für alles Gute, das er mir getan hat. Ohne ihn hät­te ich die gröss­te Gna­de mei­nes Lebens, die Bischofs­wei­he, nicht emp­fan­gen. Ich füh­le mich erleich­tert, dass er es jetzt «geschafft» hat. Ich hof­fe zuver­sicht­lich, dass er in die Freu­de sei­nes HERRN ein­ge­hen durf­te. Ich wer­de ihn mit Lie­be erinnern.

*Msgr. Mari­an Ele­gan­ti OSB war von 1999 bis 2009 Abt der Bene­dik­ti­ner­ab­tei St. Otmars­berg im Kan­ton Sankt Gal­len, dann von 2009 bis 2021 unter Bischof Vitus Huon­der Weih­bi­schof der Diö­ze­se Chur .

Bild: Youtube/​Certamen (Screen­shot)

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