Ob man es mag oder nicht, Bergoglio ist Papst. Despotisch, aber Papst. Laßt uns für ihn beten

Von einem Exil auf St. Helena würden manche Bischöfe, Priester und (Un-)Gläubige profitieren


Katholiken sollten für Franziskus beten, ganz gleich wie sie zu ihm stehen.
Katholiken sollten für Franziskus beten, ganz gleich wie sie zu ihm stehen.

Von Gene­ral Pie­tro Laporta*

Anzei­ge

Jeder ist ein Kind sei­ner eige­nen Geschich­te. Ich bin – nach 40 Jah­ren des über­zeug­ten, spöt­ti­schen und mili­tan­ten Athe­is­mus – durch die Gna­de Got­tes und einen Tritt in den Aller­wer­te­sten durch Pad­re Pio zum Glau­ben zurück­ge­kehrt. Als ich zurück­kehr­te, erkann­te ich zu mei­ner Über­ra­schung die Kir­che nicht wie­der, von der ich mich in jun­gen Jah­ren abge­wandt hatte.

Der Prie­ster, der in mei­ner Erin­ne­rung in nomi­ne Chri­sti zele­briert, steht heu­te nicht sel­ten im Mit­tel­punkt einer Show, anstatt das gött­li­che Opfer zu fei­ern. Die Hei­li­ge Mes­se des einen Prie­sters unter­schei­det sich sehr, wenn nicht völ­lig, von der eines ande­ren. Hin­zu kommt eine weit ver­brei­te­te Ten­denz zum „Glau­ben auf mei­ne Art“. Die Zehn Gebo­te wer­den als anpaß­bar behandelt.

Zu mei­nem Glück wur­de ich in mei­ner Kind­heit von mei­ner außer­ge­wöhn­li­chen Leh­re­rin, Schwe­ster Romil­da Leo­net­ti, und in mei­ner frü­hen Jugend von einem Pfar­rer, Don Gio­van­ni Erco­li­no, erzo­gen, denen ich für ihre uner­müd­li­chen Bemü­hun­gen, mir trotz mei­nes hart­näcki­gen Stol­zes eine ernst­haf­te Erzie­hung zukom­men zu las­sen, zu Dank ver­pflich­tet bin.

Dank ihnen habe ich heu­te Mit­leid mit der Kir­che, die anschei­nend ver­dreht ist, in Wirk­lich­keit aber mit dem unauf­hör­li­chen Wachs­tums­pro­zeß zu kämp­fen hat und sich im Krieg mit den geg­ne­ri­schen Kräf­ten befin­det. Sie befin­det sich – auch durch mei­ne per­sön­li­che Schuld, durch mei­ne anma­ßen­de Abkehr – in einem der unzäh­li­gen Stür­me ihrer zwei­tau­send­jäh­ri­gen Geschichte. 

Mein Glau­be ver­si­chert mir, daß sie stär­ker als zuvor dar­aus her­vor­ge­hen wird, jetzt und immer, solan­ge Gott will. Die Hoff­nung liegt in dem unauf­lös­li­chen Band zwi­schen unse­rem Herrn und Sei­ner Kir­che. Die Lie­be, die wich­tig­ste der drei theo­lo­gi­schen oder gött­li­chen Tugen­den, läßt mich aber wach­sam sein auch gegen­über jenen, die ihren Näch­sten bedin­gungs­los ver­ur­tei­len, als ob sie das vier­te Geheim­nis von Fati­ma in der Tasche hätten.

Was bei ihrer Kri­tik auf­fällt, ist das Maß an Gefühls­ge­la­den­heit (dem dum­men Bru­der des Has­ses), mit dem sie Berg­o­glio dele­gi­ti­mie­ren wol­len. Säu­er­li­che Gefühls­du­se­lei, die der Melan­cho­lie der hyper­glyk­ämischen Kri­se auf der ande­ren Sei­te gegen­über­steht. Bei­de sind giftig.

Zunächst ein­mal steht es uns Lai­en nicht zu, uns als Theo­lo­gen, Exper­ten der Dok­trin, Kir­chen­recht­ler oder Histo­ri­ker auf­zu­spie­len, wenn wir es nicht sind, um einen Papst abzu­set­zen oder zu legi­ti­mie­ren. Der Papst ist das sicht­ba­re Zei­chen der Ein­heit der Kir­che, nicht das Pro­dukt der christ­li­chen Erfahrung.

Nach der uner­klär­li­chen und nicht zu recht­fer­ti­gen­den Fah­nen­flucht von Bene­dikt XVI. wur­de Fran­zis­kus gewählt, zum Papst aus­ge­ru­fen und vom Hei­li­gen Kol­le­gi­um, den Bischö­fen und vor allem vom römi­schen Volk als sol­cher anerkannt.

Die Kir­che, die das Römi­sche Reich ver­dräng­te, sakra­li­sier­te bestimm­te Riten, dar­un­ter die Adcla­ma­tio popu­li roma­ni, mit der die Thron­be­stei­gung des Kai­sers unter dem Bei­fall des römi­schen Vol­kes, der Legio­nä­re, des Senats und des Kol­le­gi­ums der Arval­brü­der gefei­ert wur­de. Ein Ritus, der sich bei jedem Pon­ti­fex, auch bei Fran­zis­kus, in ähn­li­cher Wei­se wie­der­holt. Er ist also der Papst. Jeder von uns schul­det ihm Gehor­sam, eben­so wie dem eige­nen Bischof. Aber Ach­tung: Wir schul­den ihm Gehor­sam, solan­ge das Natur­recht, das uns von unse­rem Herrn ins Herz geprägt wur­de, nicht ver­letzt wird.

Napo­le­on Bona­par­te, der sich auf St. Hele­na bekehr­te, bemerk­te: „Es gibt eine ursprüng­li­che Wahr­heit, die auf die Vor­ge­schich­te des Men­schen zurück­geht, und das ist das Natur­ge­setz, das wir bei allen Men­schen fin­den, ein Gesetz, das von Gott selbst in unse­re Her­zen geschrie­ben wur­de. Aus dem Natur­recht lei­ten sich ab: Pflicht, Gerech­tig­keit, die Exi­stenz Got­tes, die Vor­stel­lung, daß der Mensch aus einer See­le und einem Leib besteht. Letzt­lich akzep­tiert nur eine Reli­gi­on das Natur­recht voll­stän­dig; nur eine teilt sei­ne Grund­sät­ze; nur eine macht es zum Gegen­stand der öffent­li­chen und ewi­gen Leh­re. Wel­che ist die­se Reli­gi­on? Das Chri­sten­tum!

Es ist wahr: Nicht weni­ge Bischö­fe, Prie­ster und (Un-)Gläubige wür­den von einem lang­jäh­ri­gen Exil auf St. Hele­na pro­fi­tie­ren, um dort die glei­chen erlö­sen­den Inspi­ra­tio­nen zu fin­den wie Bona­par­te, ins­be­son­de­re nach dem kata­stro­pha­len Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Konzil.

Die­ses Kon­zil, teils von lato­mi­schen (also schlech­ten) Zie­len geplagt, mit wenig Sor­ge um die Zukunft der Kir­che durch­ge­führt und die Ein­hel­lig­keit beto­nend abge­schlos­sen, die jedoch von Anfang an fehl­te und schließ­lich in Sektierertum/​Bewegungseifer über­ging, ist die unbe­streit­ba­re Kata­stro­phe, die allen vor Augen steht, und auch der legi­ti­me Vater die­ser zer­rüt­ten­den Debat­te [ob Fran­zis­kus der Papst ist].

Die unter­drück­te Wahr­heit ist rach­süch­tig. Der Papst-König, der mit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil getö­tet wur­de, einem Kon­zil, das den berg­o­glia­ni­schen Sen­ti­men­ta­li­sten lieb und teu­er ist, scheint manch­mal mit dem Des­po­tis­mus von Fran­zis­kus wie­der­auf­zu­er­ste­hen. Ja, es ist gut, daß er wie­der­auf­er­steht, zum Nut­zen von Fran­zis­kus und vor allem der Kir­che. Das ist kein Paradoxon.

Die glü­hend­sten Ver­fech­ter des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils und der syn­oda­len Syn­kra­tie geben den kon­zi­lia­ri­sti­schen Theo­rien Auf­trieb, nach denen der Papst von den Bischö­fen beur­teilt und abge­setzt wer­den kann. Wie es aus­sieht, ein Unglück, das die Kir­che spal­ten wür­de wie ein trocke­nes Holz­scheit, das man ins Feu­er wirft. Die Kir­che braucht kein Schis­ma. Meh­re­re offe­ne Brie­fe for­dern die Bischö­fe nicht nur auf, Papst Berg­o­glio wegen Häre­sie zu ver­ur­tei­len, son­dern ihn abzusetzen.

Der Ver­fas­ser die­ser Zei­len ist weder Theo­lo­ge noch Kano­nist, er ist nur ein unnüt­zer Die­ner, der davon über­zeugt ist, daß die Waf­fe, die ein­zi­ge rege­ne­ra­ti­ve Waf­fe der Kir­che, das Gebet ist, sodaß die Ver­fas­ser von offe­nen Brie­fen sich wohl­wol­lend dar­auf beschrän­ken soll­ten, tat­säch­li­che Irr­tü­mer und Häre­si­en auf­zu­zei­gen, und es Gott, dem ein­zi­gen Vor­ge­setz­ten des Pap­stes, über­las­sen soll­ten, uns die Gei­ßel des Schis­mas, das Gift der See­len, zu erspa­ren. Wir haben erst vor weni­gen Tagen für die Ein­heit der Chri­sten gebe­tet: Es ist unbe­streit­bar, wie noch viel drin­gen­der die Ein­heit der Katho­li­ken ist.

Ande­rer­seits muß man beden­ken, daß das Natur­recht, dem unser Gewis­sen bedin­gungs­lo­sen und abso­lu­ten Gehor­sam schul­det, selbst dann nicht gebro­chen wer­den kann, wenn ein recht­mä­ßig regie­ren­der Papst dies anord­net, wie es bei einem Inter­view gesche­hen könn­te, das von einem der zahl­lo­sen Schmeich­ler geführt wird, die den Dolch gegen die Wahr­heit und die Kir­che führen.

In einem Augen­blick könn­te die Adcla­ma­tio popu­li abhan­den kom­men, wie es Chri­stus, wenn auch unschul­dig, weni­ge Tage vor sei­nem Auf­stieg nach Gol­ga­tha wider­fuhr. Der Geist weht, wo Er will. Wir alle, wirk­lich alle, müs­sen uns die all­mäch­ti­ge Hand Got­tes vor Augen hal­ten. Sie läßt uns zwar den frei­en Wil­len, ver­tei­digt aber Sei­ne Kir­che auch um den Preis unse­res Lebens: „Der Kampf ist unser. Der Sieg gehört Gott“, sag­te ein unge­bil­de­tes jun­ges Mäd­chen, das eine Zufalls­ar­mee anführ­te. Die hei­li­ge Jean­ne d’Arc, die vor dem Hei­li­gen­schein mit dem Schei­ter­hau­fen belohnt wur­de, war kein Gene­ral auf der Jagd nach Beför­de­run­gen und Ämtern, son­dern sich bewußt, daß das all­ge­mei­ne Gebet des Vater­un­sers Sei­nen Tri­umph anruft und Ihn um das täg­li­che Brot und Sei­ne Ver­ge­bung bit­tet, aber nicht um den Frie­den, geschwei­ge denn ihn garantiert.

Wer sich also ein­bil­det, in Davos, in Washing­ton, in Mos­kau, in Lon­don, in Peking, in Ber­lin oder anders­wo eine stär­ke­re Macht als die Hand Got­tes zu fin­den, wer sich sei­ner eige­nen beson­de­ren Pflicht als Gläu­bi­ger ent­zieht, der scha­det sich selbst und vor allem dem Leben vie­ler unschul­di­ger Gläubiger.

Des­halb: Beten wir ohne Haß, damit die einen das Schis­ma nicht erleich­tern und der ande­re es nicht de fac­to erzwingt.

Chri­stus siegt. Er siegt, ohne uns dafür zu brau­chen, geschwei­ge denn, was uns so alles in den Kopf schießt. Laßt uns daher Sei­nen Plan mit Gebet und Näch­sten­lie­be erleichtern.

*Pie­ro Lapor­ta, Gene­ral­ma­jor (Divi­si­ons­ge­ne­ral) der Reser­ve, lei­te­te zuletzt im akti­ven Dienst das Amt für Wehr­po­li­tik des ita­lie­ni­schen Gene­ral­stabs, Katho­lik, ver­hei­ra­tet und Vater von zwei Kindern.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons

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