Märtyrer der Reinheit, eine Botschaft für unsere Zeit

Was die Welt verachtet, der Himmel aber ehrt


Die heilige Agnes, Protomärtyrerin der jungfräulichen Reinheit, ist eine von fünfzehn jungen Frauen der Kirchengeschichte, deren Martyrium vorgestellt wird
Die heilige Agnes, Protomärtyrerin der jungfräulichen Reinheit, ist eine von fünfzehn jungen Frauen der Kirchengeschichte, deren Martyrium vorgestellt wird

Der Ver­lag Fidu­cia ver­öf­fent­lich­te ein klei­nes Buch über „Die Mär­ty­rer der Rein­heit“, das fünf­zehn Lebens­bil­der jun­ger hei­li­ger Mär­ty­rer ver­sam­melt und eine Zeit­span­ne von den ersten Jahr­hun­der­ten der Kir­che bis heu­te umfaßt. Wir ver­öf­fent­li­chen die Ein­lei­tung der Her­aus­ge­be­rin Vir­gi­nia Coda Nun­zi­an­te, tat­kräf­ti­ge Initia­to­rin des Mar­sches für das Leben in Ita­li­en, als Ansporn, etwas Ver­gleich­ba­res auch im deut­schen Sprach­raum her­aus­zu­ge­ben. Die 2021 hoch­be­tagt ver­stor­be­ne Hil­de­gard Bay­erl hat dafür mit dem von ihr gegrün­de­ten Freun­des­kreis Maria Goret­ti eben­so uner­müd­lich wie wert­voll die Vor­ar­beit geleistet.

Einleitung

Anzei­ge

Von Vir­gi­nia Coda Nunziante

Ein abscheu­li­ches Ver­bre­chen eröff­ne­te am 6. Juli 1902 das 20. Jahr­hun­dert: die Ermor­dung von Maria Goret­ti in der Nähe von Nett­u­no in den Pon­ti­ni­schen Sümp­fen, einem zwölf­jäh­ri­gen Mäd­chen, das sei­ne Rein­heit unter Ein­satz sei­nes Lebens ver­tei­dig­te. Pius XII. lob­te bei der Selig­spre­chung des Mäd­chens am 7. April 1947 neben der Tugend der Rein­heit auch die der Tap­fer­keit und ver­glich sie mit der hei­li­gen Agnes:

Mär­ty­rer der Reinheit

„Das Ant­litz der römi­schen Mär­ty­re­rin und das des Mäd­chens aus Cori­nal­do strah­len mit dem­sel­ben Zau­ber; die Her­zen der einen und der ande­ren ver­strö­men den­sel­ben Duft. Ist jedoch nicht zu befürch­ten, daß die Anmut und die zar­te Offen­heit die­ser bei­den jun­gen Mäd­chen, die die künst­le­ri­sche oder lite­ra­ri­sche Sen­si­bi­li­tät bewe­gen, zu ober­fläch­lich und zu natür­lich sind und ihre cha­rak­te­ri­sti­sche Tugend, die Tap­fer­keit, etwas in den Schat­ten stel­len? Die Tap­fer­keit der Jung­frau, die Tap­fer­keit des Mär­ty­rers, die die Jugend in einem hel­le­ren und strah­len­de­ren Licht erschei­nen läßt. Die Tap­fer­keit, die zugleich der Schutz und die Frucht der Jung­fräu­lich­keit ist“ (Pius XII., Anspra­che vom 7. April 1947 zur Selig­spre­chung von Maria Goretti).

Pius XII. selbst sag­te in der Anspra­che, in der er drei Jah­re spä­ter die jun­ge Frau heiligsprach:

„Wenn im Licht jedes Mar­ty­ri­ums immer ein bit­te­rer Kon­trast zu dem Makel der Unge­rech­tig­keit besteht, so liegt dem von Maria Goret­ti ein Skan­dal zugrun­de, der zu Beginn die­ses Jahr­hun­derts uner­hört schien. Fast fünf­zig Jah­re spä­ter, inmit­ten der oft unzu­rei­chen­den Reak­ti­on der Guten, ver­sucht die Ver­schwö­rung der Miß­bräu­che, die sich der Bücher, der Illu­stra­tio­nen, der Schau­spie­le, des Publi­kums, der Moden, der Strän­de und der Ver­ei­ne bedient, in der Gesell­schaft und in den Fami­li­en, vor allem zum Scha­den selbst der zar­te­sten Kin­der, die natür­li­chen Gar­ni­so­nen der Tugend zu unter­gra­ben“ (Pius XII., Anspra­che vom 24. Juni 1950 zur Hei­lig­spre­chung von Maria Goret­ti). Mehr als sieb­zig Jah­re sind seit den Wor­ten Pius‘ XII. ver­gan­gen, und der Strom der Unmo­ral und der Kor­rup­ti­on über­schwemmt die einst christ­li­che euro­päi­sche und west­li­che Gesell­schaft. Doch in den Her­zen so vie­ler Frau­en und Män­ner ist die Sehn­sucht nach Rein­heit des Lei­bes und der See­le und der tie­fe Wunsch nach radi­ka­ler Inte­gri­tät im Glau­bens- und Sit­ten­be­kennt­nis noch nicht erlo­schen. In die­sem Geist ist ein Buch ent­stan­den, das der Rein­heit gewid­met ist und in dem sech­zehn Frau­en, jun­ge und alte, fünf­zehn Bei­spie­le von Mär­ty­rern der Rein­heit illustrieren.

So stellt uns die Histo­ri­ke­rin Cri­sti­na Sic­car­di die hei­li­ge Agnes vor, Pro­to­mär­ty­re­rin der Rein­heit und Vor­läu­fe­rin all jener, die durch den Glau­ben an Jesus Chri­stus im Lau­fe der Jahr­hun­der­te ihr Leben opfern, um ganz rein zu blei­ben; Car­la Costa erin­nert an eine Hei­li­ge, die hei­li­ge Phi­lo­me­na, Jung­frau, Mär­ty­re­rin und Thau­ma­tur­gin, die bis zum Beginn des 19. Jahr­hun­derts völ­lig unbe­kannt war: Maria Madi­se erzählt uns die Geschich­te der hei­li­gen Dymph­na, einer iri­schen Prin­zes­sin, die um 650 im Fran­ken­reich (heu­te Bel­gi­en) von ihrem Vater ent­haup­tet wur­de, eine Hei­li­ge, die oft mit einem Schwert und einer Lam­pe, manch­mal auch einem Buch, in der Hand und einem Teu­fel zu ihren Füßen dar­ge­stellt wird; Elve­zia Laro­sa erzählt uns die außer­ge­wöhn­li­che Geschich­te der hei­li­gen Solan­ge von Bour­ges, einer jun­gen Hir­tin, die sich im Alter von sie­ben Jah­ren als Braut Chri­sti anbot; Giu­sy Fio­re berich­tet von der mit­tel­al­ter­li­chen hei­li­gen Beli­na, die in der Nähe von Troy­es (Frank­reich) vom dor­ti­gen Für­sten getö­tet wur­de, weil sie sich wei­ger­te zu hei­ra­ten, nach­dem sie sich ganz Gott geweiht hat­te. Mit einem Sprung von eini­gen Jahr­hun­der­ten erin­nert Bedrie Per­ja an das Mar­ty­ri­um der hei­li­gen Maria Goret­ti; Katar­zy­na Bie­ni­as stellt uns die Gestalt der seli­gen Karo­li­na Kóz­ka vor, einer Polin, die im Alter von sieb­zehn Jah­ren zu Beginn des Ersten Welt­kriegs für die Bewah­rung ihrer Jung­fräu­lich­keit starb; Agne­se Mastro­ber­ti stellt die seli­ge Alex­an­dri­na Maria da Costa aus Por­tu­gal vor, eine Hei­li­ge der Rein­heit, deren Mar­ty­ri­um unblu­tig, aber sehr schmerz­haft an Dau­er und Inten­si­tät war; Cate­ri­na Maria Vitto­ria Arri­go­ni stellt uns die deutsch­bra­si­lia­ni­sche seli­ge Alber­ti­na Berken­b­rock vor, deren Mar­ty­ri­um vie­le Ähn­lich­kei­ten mit dem von Maria Goret­ti auf­weist; Anna Maria Ser­ra und Maria Pia Tro­gu neh­men uns mit nach Orgo­so­lo auf Sar­di­ni­en, um die Tugend und den Hero­is­mus der seli­gen Anto­nia Mesi­na zu bewun­dern; Iolan­da Tall­ari­co schreibt über die seli­ge Tere­sa Brac­co, die hei­li­ge Maria Goret­ti der pie­mon­te­si­schen Land­schaft Lang­he; Eli­sa Fla­mi­ni berich­tet über die seli­ge Anna Kole­sá­ro­vá aus der Slo­wa­kei, eine der jüng­sten, die 2018 selig­ge­spro­chen wur­den; Maria Chia­ra Mastro­ber­ti zeich­net ein Pro­fil der seli­gen Pie­ri­na Moro­si­ni aus Ber­ga­mo, die wie vie­le ande­re Mäd­chen im 20. Jahr­hun­dert bei der Ver­tei­di­gung ihrer Rein­heit star­ben; Sara San­na schließ­lich berich­tet über das Leben und den Tod der seli­gen Maria-Kle­men­ti­na Anu­ar­i­ta Nen­ga­pe­ta, der jun­gen kon­go­le­si­schen Mär­ty­rer­non­ne, die unter dem Namen „schwar­ze Maria Goret­ti“ und „hei­li­ge Agnes von Afri­ka“ bekannt ist.

Die Mär­ty­re­rin­nen der Rein­heit, so erklärt Chia­ra Dol­ce in ihrem abschlie­ßen­den Essay, waren star­ke Frau­en, die auf heroi­sche und über­na­tür­li­che Wei­se in der Lage waren, ihre Beru­fung voll­kom­men zu erfüllen.

Fabio­la Chay hat durch ihre iko­no­gra­fi­schen For­schun­gen ihre Figu­ren wie­der in unser Gedächt­nis gerufen.

Eine Legi­on jun­ger Frau­en, die zu ver­schie­de­nen Zei­ten und an ver­schie­de­nen Orten leb­ten und die alle mit ihren Lip­pen oder mit ihrem Her­zen die Wor­te der seli­gen Alber­ti­na Berken­b­rock wie­der­hol­ten, die, als sie sich ihrem Mör­der wider­setz­te, sagte:

„Ich will nicht die Sünde!“

In den ersten Jahr­hun­der­ten der Kir­che gab es vie­le „Nach­fol­ge­rin­nen“ der hei­li­gen Agnes, aber kein Jahr­hun­dert hat so vie­le Mär­ty­rer der Rein­heit gese­hen wie das 20. Jahr­hun­dert, das Jahr­hun­dert der bei­den gro­ßen Welt­krie­ge, der Acht­und­sech­zi­ger-Revo­lu­ti­on, aber auch der Erschei­nun­gen von Fati­ma 1917.

Die Mut­ter­got­tes hat­te bei ihrer Erschei­nung der klei­nen Sehe­rin Jac­in­ta gesagt, daß „die Sün­den, die die mei­sten See­len in die Höl­le füh­ren, die Sün­den des Flei­sches sind“, und daß sie des­halb „vie­le jung­fräu­li­che See­len“ wün­sche, die sich „mit dem Gelüb­de der Keusch­heit an sie bin­den“. Sehr ähn­lich war die Bot­schaft der Mut­ter­got­tes in Qui­to in Ecua­dor im spä­ten 16. und frü­hen 17. Jahr­hun­dert. In die­sem Fall hat­te die Got­tes­mut­ter, die Mut­ter Maria­na Fran­cis­ca de Jesús Tor­res, einer Ordens­frau der Kon­zep­tio­ni­stin­nen (Orden von der Unbe­fleck­ten Emp­fäng­nis Mari­ens) erschien, den tie­fen Abfall der Gesell­schaft im 20. Jahr­hun­dert ange­kün­digt, der auf „die fast völ­li­ge Kor­rup­ti­on der Sit­ten“ zurück­zu­füh­ren sei. Und sie füg­te hinzu:

Ein „ver­gif­te­ter Geist der Unrein­heit wird die Atmo­sphä­re durch­drin­gen“, der „wie ein fau­li­ger Oze­an die Stra­ßen, Plät­ze und öffent­li­chen Orte mit einer unglaub­li­chen Frei­heit über­flu­ten wird. Es wird fast kei­ne jung­fräu­li­chen See­len mehr auf der Welt geben. Die zar­te Blu­me der Jung­fräu­lich­keit, zag­haft und vom völ­li­gen Aus­ster­ben bedroht, wird aus der Fer­ne erstrah­len (…) Ohne die Jung­fräu­lich­keit wäre es not­wen­dig, daß das Feu­er des Him­mels auf die­se Län­der fällt, um sie zu rei­ni­gen“ (Bot­schaft der Mut­ter­got­tes vom 2. Febru­ar 1634, in Msgr. Dr. Luis E. Cade­na y Almei­da: Made­ra para Escul­pir la Imagen de una San­ta, Foun­da­ti­on for a Chri­sti­an Civi­lizati­on, Bedford NY1987, S. 117f).

Es ist daher nicht ver­wun­der­lich, daß die Got­tes­mut­ter in die­sem 20. Jahr­hun­dert rei­ne See­len aus­er­wähl­te, die sich „mit einem Keusch­heits­ge­lüb­de an sie bin­den“. Dies ist ein Merk­mal, das fast alle Rein­heits­mär­ty­rer des 20. Jahr­hun­derts gemein­sam haben. Beim Lesen ihrer Bio­gra­phien kommt ihre Ent­schei­dung, „ganz“ Gott zu gehö­ren, in nichts der Sün­de nach­zu­ge­ben, die stän­di­ge Suche nach Beschei­den­heit in Klei­dung und Ver­hal­ten, ein Leben zwi­schen Gebet, Pflicht­er­fül­lung und Gehor­sam, wun­der­bar zum Aus­druck. Alle sind jung, alle sind Jung­frau­en, alle stam­men aus armen, aber zutiefst christ­li­chen Familien.

In einem Jahr­hun­dert des Hedo­nis­mus und Rela­ti­vis­mus, in dem sich der Mensch mit einer Explo­si­on des Stol­zes und der Sinn­lich­keit gegen die von Gott geschaf­fe­ne Ord­nung auf­lehnt, ver­strö­men die­se jun­gen Frau­en einen Duft der Tugend und der Güte, den man noch an den Orten wahr­neh­men kann, an denen sie gelebt und ihr Blut ver­gos­sen haben. Sie leuch­ten wie Ster­ne am Fir­ma­ment und sind ein Bei­spiel und eine War­nung für unse­re Gesell­schaft: Trotz „der Strö­me der Unge­rech­tig­keit, die die gan­ze Erde über­schwem­men“ (Lou­is Marie Gri­g­nion de Mont­fort, Feu­ri­ges Gebet), wer­den die See­len, die sich der Hei­li­gen Jung­frau anver­trau­en und sich ihr wei­hen, nicht nur nicht ver­un­rei­nigt, son­dern „wei­ßer als Schnee“ (ebd.) sein, weil der Schlamm der Sün­de ihre See­le nie berührt hat.

„Die Rein­heit berei­tet vor für die Anschau­ung Got­tes“, erklärt der hei­li­ge Tho­mas von Aquin, „und macht den Geist frei von unge­re­gel­ten Nei­gun­gen“ (Sum­ma Theo­lo­giae, II-II, 8.7). Die­se Rei­ni­gung des Wil­lens von unge­ord­ne­ten Nei­gun­gen ent­spricht dem Stre­ben nach nichts ande­rem als der Herr­lich­keit Got­tes in allem und deckt sich mit der Selig­prei­sung des Evan­ge­li­ums: „Selig sind, die rei­nen Her­zens sind, denn sie wer­den Gott schau­en“. Die rei­nen Her­zen sind See­len, die von der Sün­de und ins­be­son­de­re von der unrei­nen Sün­de unbe­fleckt sind. Die Rein­heit des Her­zens besteht also dar­in, nichts im Her­zen zu bewah­ren, was Gott und dem Wir­ken der Gna­de zuwi­der­läuft, weder viel noch ein wenig.

Ein Geschöpf hielt sein Herz immer voll­kom­men rein und frei von jedem Schat­ten der Sün­de. Sein gan­zes Wesen, sein Geist, sein Herz waren immer in Gott ein­ge­taucht, es ver­gaß sich selbst, um nichts ande­res als Sei­ne Ehre zu suchen. Die Hei­li­gen, die auf die­sen Sei­ten vor­ge­stellt wer­den, spie­geln die­se Hal­tung der seli­gen Jung­frau Maria wider, die ihnen die Gna­de erwirkt hat, ihrem Gott treu zu blei­ben, bis hin­ein in den Moment, an dem sie wie Er den letz­ten Trop­fen ihres Blu­tes vergießen. 

„Wo die Sün­de mäch­tig wur­de, da ist die Gna­de über­groß gewor­den“ (Röm 5,20).

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Die hei­li­ge Agnes von Rom von Dome­ni­chi­no, 1620/​Wikicommons

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