(Brasilia) In Brasilien war für gestern eine Parlamentsdebatte zur Einführung von einem „Tag der tridentinischen Messe“ vorgesehen, wurde dann aber kurzfristig abgesagt. Der Vorstoß ist eine Reaktion auf das Motu proprio Traditionis custodes, ohne dieses zu erwähnen, mit dem der überlieferte Ritus von Papst Franziskus radikal eingeschränkt wurde.
Der parlamentarische Vorstoß sucht seinesgleichen. Das brasilianische Parlament setzte für gestern eine Debatte über die Einführung eines Nationalen Tages der tridentinischen Messe an. Mit diesem sollte der überlieferte Ritus in Brasilien geehrt und dieser „bekanntgemacht“ werden.
Brasiliens Bischöfe, stark befreiungstheologisch durchtränkt, nützen das Motu proprio Traditionis custodes, um gegen den überlieferten Ritus in ihren Diözesen vorgehen zu können. Das Motu proprio war von Papst Franziskus im Juli 2021 erlassen worden. Es war der brutalste bergoglianische Schlag ins Gesicht seines damals noch lebenden Vorgängers Benedikt XVI. Erstes Ziel von Traditionis custodes ist es, das Vordringen des überlieferten Ritus im Weltklerus, wie es durch das Motu proprio Summorum Pontificum von Benedikt XVI. in Gang gesetzt wurde, radikal auszumerzen. Das zweite Ziel ist es, die sogenannten Ecclesia-Dei-Gemeinschaften in die Schranken ihres Geheges zu weisen.
In Brasilien, dem größten katholischen Land der Welt, ist die Kirche seit längerem in der Krise. Die Ursachen sind primär politischer Natur, einmal durch die Ausbreitung der marxistischen Befreiungstheologie, zum anderen als Reaktion darauf die von den USA geförderte Ausbreitung evangelikaler Gruppen.
Die Bischöfe des Landes sind nicht selten über die repressiven Bestimmungen von Traditionis custodes sogar hinausgegangen und haben diese noch verschärft. Einige erklärten Gläubige sogar für exkommuniziert, wenn sie an Zelebrationen im überlieferten Ritus teilnehmen, auch wenn dies nicht öffentlich, sondern privat, etwa in einem Wohnhaus geschieht.
In der brasilianischen Abgeordnetenkammer wurde aus diesem Grund ein Antrag eingebracht, einen Nationalen Tag der tridentinischen Messe einzuführen. Der zuständige Parlamentsausschuß für Kultur sollte sich gestern ab 10 Uhr darüber beraten und im ersten Schritt eine öffentliche Anhörung durchführen. Zu dieser waren vier Experten geladen, darunter mit dem Redemptoristenpater Bráulio Róger Martins Nunes Pereira auch ein Priester.
Pater Pereira wirkt in der Stadt Goiania im Staat Goias und zelebriert selbst im überlieferten Ritus. Er wurde im Dezember 2007 zum Priester geweiht und ist durch das Motu proprio Summorum Pontificum geprägt. Noch bevor Traditionis custodes in Kraft trat, untersagten ihm die Erzdiözese und der Generalobere seines Orden die öffentliche Zelebration des alten Ritus. Seither feiert er diesen in Privathäusern, wo sich die Gläubigen versammeln. Unter anderem deshalb wurde ihm im Juni 2021 die Ehrenbürgerschaft der Stadt Goiania verliehen, die 1,6 Millionen Einwohner zählt. Er ist geistlicher Leiter und Gründer der Associação São José und Rektor der Kirche von São José in Goiania.
Ein Blick auf den Klerus der Erzdiözese Goiania läßt Meinungsunterschiede im ekklesiologischen Verständnis erahnen. Pater Pereira wird von der Erzdiözese zwar geführt, doch ohne ein offizielles Amt. Der überlieferte Ritus darf keine Sichtbarkeit erhalten. Er ist in die Klandestinität verbannt.
Als weitere Experten waren die Professoren Anna Maria Fedeli, André da Silva Melo und Álvaro Alberto Ferreira Mendes geladen. Dann wurde vom Parlament die Absage bekanntgegeben.
Der Antrag stammt von der Parlamentsabgeordneten Beatriz Kicis Torrents de Sordi, besser bekannt als Bia Kicis. Sie gehört dem konservativen Partido Liberal (PL) des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro an. Der PL ist mandatsstärkste Fraktion im brasilianischen Parlament. Die Katholikin Kicis war früher Generalstaatsanwältin des Hauptstadtdistrikts Brasilia. Seit 2018 ist die Youtuberin Mitglied des Bundesparlaments.
Wann der Antrag debattiert wird, steht derzeit nicht fest. Die Initiative verdient Aufmerksamkeit, da im Parlament offenbar möglich ist, was für die brasilianischen Bischöfe undenkbar scheint.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/Youtube (Screenshots)