
(Rom) Am letzten Tag des Jahres 2021, dem Silvestertag, ist Erzbischof Luigi Negri verstorben, ein standhafter Streiter für den Herrn. Wenige Tage vor ihm war der homophile südafrikanische anglikanische Bischof und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu verstorben, der sich zwar nicht verbrennen, dafür aber „klimafreundlich“ in einer Kaliumhydroxidlauge „ökologisch“ auflösen ließ. Über Tutus Ableben äußerte Papst Franziskus „Traurigkeit“, zum Tod von Erzbischof Negri kein Wort.
Am 26. November hatte Erzbischof Negri seinen 80. Geburtstag begangen. 2005 hatte ihn Papst Johannes Paul II. zum Bischof von San Marino-Montefeltro ernannt und 2012 Benedikt XVI. zum Erzbischof von Ferrara-Comacchio befördert. Seine geistliche Formung hatte er an der Seite von Don Luigi Giussani und in dessen Gemeinschaft Comunione e Liberazione (CL, Gemeinschaft und Befreiung) erlebt. Unter der Ausrichtung von CL im derzeitigen Pontifikat hatte er in den letzten Jahren sehr zu leiden.
Wer deutliche Worte spricht, macht sich Feinde. Das mußte Erzbischof Negri wiederholt erleben. Das Bistum San Marino-Montefeltro gehört zu den kleinen Diözesen, die selten für Aufmerksamkeit sorgen. Die kleine Republik San Marino ist bekannt, die Diözese aber, zu der sie gehört, hingegen ist weitgehend unbekannt. Msgr. Negri zog aber die Aufmerksamkeit an, obwohl er nicht danach strebte. Als Bischof ließ er die Kirchentüren von San Leo, einer Stadt seines Bistums, verriegeln, als dort ein Freimaurertreffen stattfand. In der Burg von San Leo befindet sich ein Museum der Logenbrüder, das dem Hochstapler Cagliostro gewidmet ist, der dort einige Zeit inhaftiert war. Bischof Negri wollte einer Profanierung vorbeugen und die Unvereinbarkeit von Kirche und Loge unterstreichen, die andere Kirchenvertreter gerne aufheben möchten. Wie begründet bestimmte Sorgen sind, mußte er dann als Erzbischof von Ferrara erleben, als es dort 2017 in einer Kirche zu einem sakrilegischen Hostienraub kam. „In diesen Stunden habe ich den Frieden verloren“, so Msgr. Negri damals.
Aufbau und Zertrümmerung
Im Erzbistum Ferrara förderte er lebendige Orden und Gemeinschaften, die am Wiederaufbau der Kirche mitwirken. Dazu gehörten die Franziskaner der Immakulata, die bereits sein Vorgänger in die Stadt berufen hatte. Erzbischof Negri förderte Meßorte im überlieferten Ritus, wo er selbst an Zelebrationen teilnahm. Er ließ in seiner Bischofskirche die bedeutendste Seitenkapelle als solchen Meßort umbauen und errichtete 2014 kanonisch die altrituelle Priesterbruderschaft Familia Christi. 2016 hielt er anläßlich der 4. Internationalen Wallfahrt der Tradition ad Petri Sedem beim Pontifikalamt im Petersdom die Predigt.
Wie vom Pontifikat von Benedikt XVI. nur mehr wenig übrig ist, so ist auch vom Episkopat von Msgr. Negri vieles von seinem Nachfolger schon wieder beseitigt worden, unter anderem die Kapelle in der Kathedralkirche für die Zelebration im überlieferten Ritus. Die von ihm gegründete Priesterbruderschaft wurde bald nach seiner Emeritierung von Rom unter kommissarische Verwaltung gestellt und 2020 mit Zustimmung von Papst Franziskus zertrümmert. Die Bruderschaft zählte damals sieben Priester und 13 Seminaristen. Sie traf derselbe Vorwurf, der bereits zur kommissarischen Verwaltung der Franziskaner der Immakulata geführt hatte: die Nähe zur Tradition und zum überlieferten Ritus. Aus der Sicht von Santa Marta kam erschwerend hinzu, daß die Familia Christi ehemaligen Angehörigen der Franziskaner der Immakulata Zuflucht gewährt hatte.

„Hypothetischgläubige“ Bischöfe
Negri selbst versuchten progressive Kirchenkreise nach der Wahl von Papst Franziskus vorzeitig zu Fall zu bringen. Dabei erfanden italienische Medien eine Art von Komplott, das Negri gegen Franziskus geschmiedet, zumindest ihm den Tod gewünscht hätte. Zu einer vorzeitigen Absetzung kam es zwar nicht, doch kaum hatte Negri seinen 75. Geburtstag begangen, der ihn gemäß Kirchenrecht verpflichtete, dem Papst seinen Rücktritt anzubieten, wurde er von Franziskus emeritiert.
2018 legte er mit seinem Buch „Le sfide“ (Die Herausforderungen) eine Bestandsaufnahme zur Lage der Kirche vor. Mit dem Buch warf er zahlreichen Kräften in der Kirche den Fehdehandschuh hin, denn er war ein Mann der besonders feinen Manieren, aber nicht der leisen Töne. Er hielt es für wichtig, die Dinge, wo notwendig, beim Namen zu nennen. So schrieb er, daß in der Kirche heute, womit er das Pontifikat von Franziskus meinte, „ein Klima der Verwirrung“ und „ein Klima der Vergeltung“ herrsche. Es gebe Bischöfe, vor allem im deutschen Sprachraum, die nur mehr „hypothetisch gläubig“ seien. Ebenso attestierte er dem amtierenden Generaloberen des Jesuitenordens, wegen dessen Aussagen zur Authentizität des Evangeliums, einen „Abgrund der Dummheit“.
2014 nahm Erzbischof Negri bei einem Vortragsabend Richtigstellungen zu den Kreuzzügen vor und forderte, die „Christen sollen den Kampfgeist wiedergewinnen“. Die Einfügung der Migranten durch Papst Franziskus in die Lauretanische Litanei tadelte er als „politische Korrektheit“. 2018 hatte er die Massenmigration und deren Unterstützer als „destruktiv“ bezeichnet. In einem Interview 2017 äußerte er Zweifel an der offiziellen Darstellung des Amtsverzichts von Papst Benedikt XVI. Er zeigte mit dem Finger auf den damaligen US-Präsidenten Barack Obama und sprach von „schwerwiegender Verantwortung innerhalb und außerhalb des Vatikans wegen des Rücktritts von Benedikt XVI.“
Außergewöhnliche Bischofsgestalt

Seit 2012 gehörte er zu den Herausgebern und Förderern der von Riccardo Cascioli geleiteten katholischen Online-Tageszeitung La Nuova Bussola Quotidiana (NBQ). Cascioli nennt ihn in seinem Nachruf vom Neujahrstag „einen großen Freund und Unterstützer“:
„Er war eine außergewöhnliche Bischofsgestalt, ein Zeuge der Gegenwart Christi in einer Gesellschaft, die durch seine Abwesenheit verarmt und verelendet.“
Und weiter:
„Wenn man es mit den Augen der Welt sieht, mag es paradox erscheinen, daß die Nachricht vom Tod eines Freundes gerade dann kommt, wenn man die Kirche betreten will, um das Te Deum zu singen. Aber aus der Sicht des Glaubens erweist sich der Moment als günstig, um Gott mit größerem Bewußtsein für das Geschenk der Freundschaft von Monsignore Luigi Negri zu danken. Freund: das scheint mir das Wort zu sein, das diese außergewöhnliche Gestalt eines Bischofs am besten beschreibt, der in seiner Freundschaft mit Christus, die er in seiner langen Zusammenarbeit mit Don Luigi Giussani gelernt hat, die Fähigkeit entwickelt hat, jeden, der ihm auf seinem Weg begegnet, väterlich zu Christus zu begleiten.“
„Dies tat er auch bei der Bussola, einem Werk, das er von Anfang an und so lange es seine Gesundheit zuließ, unterstützt und begleitet hat. Seine Überlegungen zu Kirche und Gesellschaft haben den Weg unserer Zeitung geprägt, er hat uns alle angeleitet, die Vorsehung in der Geschichte zu erkennen, die Nachrichten aus der Perspektive des ewigen Lebens zu lesen, die Aufgabe der Kirche in einer Zeit großer Verwirrung unter den Hirten und der Orientierungslosigkeit unter den Gläubigen neu zu fokussieren. Es ist kein Zufall, daß sein bischöfliches Vorbild der ‚Löwe von Münster‘, der deutsche Bischof Clemens August Graf von Galen, war, der die Verrohung der Sitten durch den Nationalsozialismus energisch und unter Einsatz seines Lebens anprangerte und das Gesetz Gottes einforderte.“
Es genügt, einen Blick auf die Artikel zu werfen, die Erzbischof Negri in seinen letzten Lebensjahren geschrieben hat, um die Klarheit seines Urteils zu erkennen. Dieses Urteil nennt Cascioli „ein Leuchtfeuer in diesem Nebel, der sich über Kirche und Gesellschaft gelegt hat“. Sie sind ein Instrument, das dabei hilft, „in einer Zeit, in der die Lüge überall zu triumphieren scheint, an der Wahrheit festzuhalten“.
„Sein einziges Interesse bestand darin, uns zu Christus zu führen, damit wir ihn in den manchmal komplizierten Ereignissen unseres persönlichen Lebens erkennen.“
Die „faulen Früchte“ und eine verhinderte Diskussion
Eine seiner letzten Taten, die für Aufsehen sorgten, war die Verteidigung von Erzbischof Carlo Maria Viganò gegen Kritik von unerwarteter Seite. Der ehemalige Nuntius in den USA hatte im Juni 2020 gefordert, endlich eine offene und ehrliche Diskussion über die „faulen Früchte“ des Zweiten Vatikanischen Konzils zu beginnen. Eine solche, so Viganò, werde mit großem Aufwand seit über einem halben Jahrhundert verhindert, verzögert und aufgeschoben. Als er dafür von Sandro Magister, dem inoffiziellen Doyen der Vatikanisten, angegriffen wurde, stellte sich Erzbischof Negri unmißverständlich hinter Msgr. Viganò: „Wir scharen uns um Sie“.
Im Mai 2020 hatte er bereits den aufsehenerregenden Appell gegen die Corona-Maßnahmen einer Gruppe von Kardinälen und Erzbischof Viganò unterzeichnet. Darin wurden die Katholiken und alle Menschen guten Willens gewarnt, daß das Coronavirus bestimmten Kreisen zum Vorwand diene, um nach der Weltherrschaft zu greifen. Seither ergoß sich eine Lawine von orchestrierten Angriffen gegen den Erzbischof. Deren Ausrichtung kann im Wikipedia-Eintrag zu Erzbischof Luigi Negri nachgelesen werden. Wer zu Corona eine andere Meinung vertritt, gerät unweigerlich ins Sperrfeuer bezahlter Mediensöldner. Auch Erzbischof Negri mußte diese Erfahrung machen. Auch das hätte er wohl Benedikt XVI. berichten wollen.
Anfang 2020 hatte er nämlich Benedikt XVI. einen letzten Brief geschrieben und ihn „um eine letzte Geste der Nächstenliebe“ gebeten, „damit ich Sie sehen und Ihnen meine Verwirrung über die traurigen Zeiten, in denen wir leben, anvertrauen kann“. Am 24. Januar wurde der Empfang des Einschreibens im Vatikan bestätigt. Eine Reaktion von Benedikt XVI. ist nicht bekannt. Der Wunsch nach einer „letzten Begegnung“ erfüllte sich für den Erzbischof nicht.
Der traditionsverbundene Blog Messa in Latino schrieb noch am Sterbetag des Erzbischofs:
„Das Jahr endet mit der gerade veröffentlichten Nachricht vom Tod S. E. Msgr. Luigi Negri, emeritierter Erzbischof von Ferrara und Freund der Tradition. Die katholische Kirche in Italien und anderswo verliert einen ihrer klarsten Köpfe, einen der wenigen, die noch fähig sind, gegen den Strom zu denken und zu sprechen.“
Requiescat in pace.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: NBQ/MiL
Klimafreundlich? Wie absurd!
Was ist klimafreundlicher als langsam von Würmern zerfressen zu werden – wie es der Schöpfer zwar nicht gewollt, aber geduldet hat?
Seien wir doch ehrlich: Der vielgelobte Desmond Tutu hat sich schon immer so verhalten wie ein Hippie.
„Eine Reaktion von Benedikt XVI. ist nicht bekannt.“ – Aber das heißt nicht notwendig, dass Benedikt nicht reagiert hat. Ich bin davon überzeugt, dass er wie ein Gefangener im Vatikan gehalten wird und keine Möglichkeit sieht, sich zu widersetzen.
Liebe Cornelia, ich denke das es eine nicht ganz realistische Einschätzung ist.
Papst Benedikt war der Ideologe des schreckensreichen Pontifikats von Papst Johannes Paul II.
Er ist und war immer ein 100 prozentiger Verfechter des Konzils.
Ja er war konservativ, das hat der freimaurerischen Mehrheit des Klerus nicht gefallen, er hat wie in Regensburg auch mal eine katholische Wahrheit ausgesprochen.
Ein Papst darf das nicht, deshalb wurde er zurückgetreten, aber das ist alles im Innenverhaeltnis der Konzilskirche passiert.
Gott allein weiss wie er die Personen und die Vorgänge beurteilt.
Am Wachstum der Tradition kann man erahnen das hier der hl. Geist wirkt, weil der Vernichtungskampf seit dem Konzil im vollen Gang ist.
Es gibt nur eine Lösung nämlich den ganzen konzilsschrott auf den Müll und neu anfangen.
Lieber Jan,
ich danke für diese Einschätzung. Ja, ich tendiere auch mehr und mehr dahin, das Konzil und seine Beschlüsse als Ursache vielerlei Übels zu begreifen. Ich denke – ohne es genau belegen zu können – das Benedikt die Konzilsbeschlüsse doch in späteren Jahren auch sehr stark infrage gestellt hat. Allerdings konnte oder wollte er dies nicht so eindeutig formulieren, musste oder wollte er doch zugleich die Einheit der Kirche im Blick haben. Aus diesem Grund hat er wohl die Konzilsbeschlüsse nicht verworfen, sondern auf „Fehlinterpretationen“ verwiesen und zugleich den Weg zurück geöffnet. – Wahrscheinlich haben Sie recht: Ein radikaler Neuanfang ist wohl vonnöten, nach Bergoglio ohnehin.