
Von Bruder Giovanni Maria
Jesus hat gesagt: „Ich bin im Namen meines Vaters gekommen, und ihr nehmt Mich nicht auf; wenn aber ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, werdet ihr ihn aufnehmen“. i Nach dem heiligen Irenäus ii und dem heiligen Johannes Chrysostomos iii hat Er damit vom Antichristen gesprochen. Dasselbe gilt für die allseits bekannten Worte: „Wenn ihr den Greuel der Verwüstung, von dem der Prophet Daniel gesprochen hat, an heiliger Stätte sehen werdet…“. iv Auch hier hat Jesus den Antichrist gemeint. v
Aber hat Jesus auch von der Königsherrschaft, vom Millennium gesprochen? Als Er nach der Auferstehung von den Aposteln gefragt wurde, ob Er nun das Reich Israels wiederherstelle, antwortete Er: „Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat …“ vi Dies läßt den Schluß zu, daß Er die Existenz des kommenden Millenniums bejaht hat, die Offenbarung der Zeiten aber der Weisheit des Vaters vorbehielt.
In der Apokalypse des Johannes lesen wir folgende Passage: „Mitten auf dem Platz der Stadt und auf beiden Seiten des Flusses steht ein Baum des Lebens, der zwölfmal im Jahr Früchte trägt, der jeden Monat Früchte bringt; die Blätter des Baumes dienen zur Heilung der Völker.“ vii Dieser Satz läßt sich kaum in den Kontext der Ewigkeit einordnen. Nur in der Zeit der Neuen Erde (und der Neuen Himmel) können die Blätter des Baumes – des Kreuzes Christi – noch dazu dienen, die Völker zu heilen! Wie wir sehen, gibt es in der Heiligen Schrift viele Stellen, die die Existenz des Tausendjährigen Reiches bezeugen.
Fatima und der theologische Leerraum des Millenniums
Nach der Chronologie der Apokalypse wird am Ende der Zeiten (= Ende der Herrschaft Satans viii) der große Abfall, d. h. die große Krise der Kirche ix, die Manifestation des Antichristen und die anschließende Manifestation Christi, das Gericht, die erste Auferstehung und die tausendjährige Herrschaft auf Erden (= die Geschichte des Triumphes der Kirche) vorausgesagt, eine Tatsache, die von den Kirchenvätern bestätigt, vom heutigen Lehramt jedoch mit Argwohn betrachtet wird. x
Es ist symptomatisch für die Krise der Kirche, daß sie dazu geneigt hat, den geschichtlichen Triumph der tausendjährigen Herrschaft der Kirche Christi abzulehnen. Dieses Zögern hat nur dazu geführt, den Vormarsch des atheistischen Kommunismus zu begünstigen, der in der Botschaft von Fatima vorausgesagt wurde xi. Als ob die Utopie eines irdischen Paradieses die theologische Leere der geschichtlichen, triumphalen Herrschaft Christi füllen könnte!
Wir sehen vor unseren Augen, wie man im Namen einer sogenannten Synodalität alle Freiheiten und sogenannten Menschenrechte in der Kirche rechtfertigen will, ohne zu erkennen, daß dieser Glaubensabfall zu „Kriegen und zu Verfolgungen der Kirche“, dem Martyrium der Guten, dem extremen Leiden des Heiligen Vaters und der Zerstörung verschiedener Nationen führen wird. xii
Auf der einen Seite haben wir diejenigen, die das Millennium leugnen, indem sie einem Deutungsfehler des heiligen Augustinus folgen xiii, und auf der anderen Seite haben wir die Blindheit derer, die sich weigern, die gegenwärtige Krise als außergewöhnlich zu betrachten. Sie ziehen es vor, einen, der Häresien verbreitet, als „Heiligen Vater“ zu bezeichnen und ignorieren dabei die Tatsache, daß der Apostolische Stuhl von Papst Benedikt XVI. an der freien Amtsausübung gehindert worden war. xiv
Papst Leo XIII. hat diese Sichtweise der apokalyptischen Krise in der Originalfassung seines Exorzismus gegen die abtrünnigen Engel bestätigt, wo er sagt: „Dort, wo der Stuhl des seligsten Petrus und der Stuhl der Wahrheit errichtet wurde, haben sie den Thron ihrer Abscheulichkeit und ihrer Ungläubigkeit aufgestellt, damit die Herde, nachdem sie den Hirten geschlagen haben, zerstreut werde.“ xv Damit erinnert der Papst an die eschatologischen Begriffe „Greuel der Verwüstung“ in Matthäus 24 und an den “Gottlosen“ in 2 Thess 2,8f; mit dem „Schlagen des Hirten“ spielt er auf 2 Thess 2,7 an, wo es heißt: „… den aus dem Weg zu räumen, der die Ungerechtigkeit bisher zurückgehalten hat“, und bestätigt damit, daß die zukünftige Krise des Papsttums die Krise des Antichristen sein wird. xvi
Das Mißverständnis über die sogenannte Zweite Eschatologische Schlacht
Leider gibt es eine große Verwirrung über die Bedeutung des glücklichen Millenniums, das auf die Eschatologische Schlacht folgt xvii , folgend einer riskanten Interpretation des heiligen Augustinus von Hippo, der, um eine mißbräuchliche Interpretation durch die extremen Millenaristen zu verhindern, so weit ging, die tausendjährige Gefangenschaft Satans in der Hölle xviii mit dem österlichen Sieg Christi zu identifizieren, und der damit der bis dahin vorherrschenden Exegese xix der Didache, des heiligen Barnabas, des heiligen Irenäus, des heiligen Cyprian, des Papstes Hippolyt, des heiligen Justinus, des Tertullian und des Laktanz widersprochen und sie begraben hat xx. Auch heute noch gibt es Autoren, die die Idee einer Zweiten Eschatologischen Schlacht nach dem Millennium des Triumphes Christi vertreten und dafür Passagen von Heiligen und Kirchenvätern zitieren, als ob der Triumph Christi nur teilweise und sogar unwirksam gewesen wäre. xxi Dies ist de facto inakzeptabel. Sie verweisen auf die Stelle in der Apokalypse Kap. 20 Verse 7–9, wo Satan zum letzten Mal losgelassen wird, um die Bewohner der vier Ecken der Erde zu verführen, nur um sofort durch göttliches Eingreifen besiegt und zusammen mit ihnen in den Feuersee geworfen zu werden.
Das siebte Kapitel des Buches Daniel bestätigt indessen die von Johannes in der Apokalypse dargestellte Zeitachse. Dort wird wiederholt beschrieben, daß mit der Niederlage des „kleinen Horns“, d. h. des Antichristen, die ewige Herrschaft „des Volkes der Heiligen des Allerhöchsten“ beginnt, und damit wird die Erzählung abgeschlossen. xxii Wenn er von den „anderen Tieren spricht, denen die Macht genommen und denen gewährt wurde, das Leben bis zu einer bestimmten Zeit zu verlängern“ xxiii , bestätigt Daniel Offb 20,2, wo von der tausendjährigen Gefangenschaft des Satans die Rede ist. Daniel und alle anderen Propheten sprechen nicht von einer Zweiten Eschatologischen Schlacht nach dem Millennium, weil sie einfach nicht vorgesehen ist und keinen Sinn ergibt. Die von Ianuzzi zugunsten dieser Theorie angeführten Bibelstellen wie Joel 2,1–3 und Ezechiel 38,1–20 erweisen sich als widersprüchlich und mehrdeutig, weil sie verschiedene Elemente enthalten, die sich auf die Endschlacht vor dem Kommen Christi beziehen. Aus vier mageren Versen kann man keine Zweite Eschatologische Schlacht gegen die Mächte des Bösen konstruieren, die bereits in der Schlacht vor dem Millennium besiegt wurden; eine solche Konstruktion gibt der Text nicht her.
Was wir jedoch sehen, ist die unendliche Weisheit Gottes, Der nach der tausendjährigen Gefangenschaft in der Hölle Satan und alle Verdammten auf die Probe stellt, indem er sie noch einmal aus ihrer Gefangenschaft befreit. Lupieri schreibt: „Man könnte sagen, daß Johannes ihnen (den verdammten Toten) eine Art letzte Chance einräumt, nämlich die, der Verführung Satans zu widerstehen; ihre Entscheidung, Satan zu folgen, zeigt ihre Sturheit und damit die Gerechtigkeit der Strafe“. xxiv
In der Tat spricht der Text von den Völkern an den vier Ecken der Erde und sagt, daß sie auf die Oberfläche xxv der Erde hinaufsteigen. Die Bibel kennt in der Tat nur das Modell der Flachen Erde, mit der Sonne oben am Firmament, und so sind die Ecken der Erde der Teil, der am weitesten von der Sonne entfernt ist, der am wenigsten Licht empfängt, so als wäre es der rückwärtige Teil, unter der „Ecke“ am Rande der Ebene, der von der Natur der Physik her im Schatten liegt, eine ideale Position, um in der menschlichen Vorstellung die Unterwelt, die Finsternis der Hölle hervorzurufen. Das Verb „aufsteigen“ zur „Oberfläche“ xxvi vervollständigt die Klarheit des Ausdrucks, d. h. es erzeugt die Vorstellung eines Aufsteigens zur sonnenbeschienenen Oberfläche, eines Hinaufsteigens von der dunklen Seite, vom Ort der Verdammnis her.
Was Gott schon seit Ewigkeit bekannt war, können nun auch alle zukünftigen Mitglieder des Königreichs des Geopferten Lammes bezeugen, nämlich daß auch tausend Jahre in der Hölle den Geist der Rebellion gegen Gott seitens der gefallenen Engel und der verdammten Menschen nicht im Geringsten ändern konnten. Sie sind so sehr von Haß gegen die Auserwählten, die den Himmel erben sollen, erfüllt, daß Gott sie alle der ewigen Strafe überantworten muß. Dies ist der Beweis Gottes für alle Auserwählten, daß es nicht der Mangel an göttlicher Barmherzigkeit ist, der jene auf ewig in den Feuersee verdammt, sondern die unverbesserliche Perversion des Willens derer, die einst Brüder und Gefährten waren.
Bild: Settimanale di Padre Pio (Screenshot)
Weitere Beiträge von Bruder Giovanni Maria
i Jo 5,43 (Vulgata)
ii Hl. Irenäus, Gegen die Häresien (GdHär) 5,24,4
iii Kommentar zum Zweiten Brief an die Thessalonicher
iv Mt 24,15
v GdHär 5,25,2: „Der Tempel, in dem der Widersacher thronen wird, wenn er versuchen wird, sich als Christus zu präsentieren, wie der Herr sagt: „Wenn ihr den vom Propheten Daniel vorhergesagten Greuel der Verwüstung sehen werdet …““
vi Apg 1,7
vii 22,2
viii Offb 20,2
ix Katechismus der Kath. Kirche, 1992, § 675
x DS 3839 (Enchiridion Symbolicumm)
xi https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_20000626_message-fatima_ge.html
xii Siehe Endnote XI, Das Zweite Geheimnis von Fatima
xiii Siehe Endnote XX
xiv Kirchenrecht 1983, Can. 412: Der bischöfliche Stuhl gilt als behindert, wenn der Diözesanbischof wegen Gefangenschaft, Ausweisung, Exil oder Unfähigkeit vollständig an der Wahrnehmung seines Hirtendienstes gehindert wird, so daß er nicht einmal in der Lage ist, schriftlich mit den Diözesanen in Verbindung zu treten.
xv Akten des Heiligen Stuhls, Acta Sanctae Sedis, vol.XXIII, 1890–91, Tipographia Poliglotta, S. Congreg. De Propaganda Fide
xvi https://katholisches.info/2023/05/11/das-dritte-geheimnis-von-fatima-im-licht-der-heiligen-schrift/
xvii Offb 19,11ff
xviii Offb 20,2 Der Engel fesselt Satan für 1000 Jahre in der Hölle
xix Siehe E. Lupieri, L’apocalisse di Giovanni, Mondadori, 1999, S. xx
xx Martino Penasa, Il ritorno di Cristo, Ed. Segno, 2011, S. 141–146 zit. S. Agostino, De civitate Dei, Buch 20 Kap.7
xxi J. Ianuzzi, Antichrist and the endtimes, St. Andrew’s productions, 2005
xxii Dan 7,27
xxiii Dan 7,12
xxiv E. Lupieri, L’apocalisse di Giovanni, Mondadori, 1999, S. 318
xxv Vulgata: Offb 20,9 “super latitudinem“
xxvi Offb 20,8