(Rom) Papst Franziskus beteiligte sich an der 47. Woche der Institute des geweihten Lebens mit einer Videobotschaft, die eigentlich bereits Bekanntes wiederholt und dennoch für Staunen sorgt.
Seit Anfang der 70er Jahre findet alljährlich in Spanien eine Woche des geweihten Lebens zur Förderung von Ordensberufungen statt. Organisiert wird sie vom Instituto Téologico de Vida Religiosa (ITVR) in Madrid, das Teil der Theologischen Fakultät der Päpstlichen Universität von Salamanca ist. Gegründet wurde das Hochschulinstitut 1971 von Claretinern, im deutschen Sprachraum auch als Herz-Marien-Missionare bekannt.
Das Thema der diesjährigen Woche vom 5.–8. April lautet: „Jugend, Unterscheidung und geweihtes Leben“. Die Veranstaltungen stehen unter dem Motto aus dem Markusevangeliums: „Und er rief zu sich, welche er wollte“.
Die Videobotschft: „Keine Mission“
In seiner Videobotschaft warnt Papst Franziskus vor der Gefahr, im Klagen über den Mangel an Berufungen zu verharren und „vergangener Glorie“ nachzutrauern, denn der Herr habe „uns eingeladen, nach vorne zu schauen“. Daher forderte der Papst die Ordensleute auf, indem er sich an den einzelnen Ordensangehörigen wandte: „Kopf hoch und mach weiter“.
Dann aber folgte eine weitere Mahnung an die Ordensleute:
„Aber betreibt bitte keinen Proselytismus“.
Wird diese Stelle des spanischen Originals der Papst-Botschaft mit dem Google-Übersetzer ins Deutsche übersetzt, ergibt das folgende Aussage:
„Aber missioniere nicht, bitte“.
So sagt es Franziskus zwar nicht, aber der Google-Übersetzer macht deutlicher, worum es geht. In den wiederholten Ermahnung, keine Proselyten zu machen, schwingt – wenn auch unausgesprochen – die Aufforderung mit, auf den Missionsauftrag zu verzichten, den Christus selbst der Kirche erteilt hat. Diesen Zusammenhang „liest“ nicht nur der Google-Übersetzer heraus. Papst Franziskus vernichtet systematisch die Begriffe Proselyten, Proselytismus und Proselytenmacherei, die noch vor kurzem positiv besetzt waren.
„Keine Wahlkampagnen“ für Ordensberufungen
Franziskus ermahnte die Ordensleute, danach zu suchen, wie man Wege öffnen könne, damit der Herr sprechen und rufen kann, „ohne Wahlkampagnen oder kommerzielle Werbekampagnen zu machen“. Denn, so Franziskus, der Ruf Gottes „fällt nicht unter die Marketingstrategien“.
Trifft die Darstellung des Papstes jedoch die Wirklichkeit?
Gibt es in Spanien oder einem anderen europäischen Land einen „Wahlkampf“ für oder um Ordensberufungen? Setzen Ordensgemeinschaften „kommerzielle Werbekampagnen“ ein, um Berufungen zu gewinnen?
Ein europäischer Beobachter wird diese Fragen mit einem verwunderten Nein beantworten. Nichts dergleichen entspricht der Wirklichkeit. Kampagnen, denen etwas Unlauteres anhaftet, sind nicht bekannt.
Und selbst wenn es sie gäbe, würde das etwas daran ändern, daß es immer Gott ist, „der ruft, wen er will“? Muß der Gerufene nicht dennoch aus freien Stücken darauf antworten?
„Zeit zu träumen. Viel Spaß“
Gleichzeitig äußerte Franziskus in seiner Videobotschaft die Befürchtung, „daß die Jugend die Wurzeln verliert“. Es sei daher mehr denn je notwendig, daß „die Jungen im Gespräch mit den Alten“ bleiben.
„Wir sind in einer Zeit, die Wurzeln wiederzufinden. Wir sind auch in einer Zeit, zu träumen.“
Seine Botschaft an die spanischen Ordensleute beendete Franziskus mit der Aufforderung „zu beten und Zeugnis zu geben“.
„Die Zahl der Berufungen entscheidet der Herr, wir tun, wozu Er uns aufgefordert hat: zu beten und zu Zeugnis zu geben.“
Seine letzten Worte sind:
„Viel Spaß. Verliert nicht den Sinn für Humor.“
„Viel Spaß, weil ihre Orden aussterben?“
Gar nicht lustig findet das der bekannte katholische Kolumnist Francisco Fernandez de la Cigoña.
„Viel Spaß? Weswegen? Weil ihre Orden aussterben? Quo usque tandem abutere patientiam nostra?“
„Wie lange noch wirst Du unsere Geduld mißbrauchen?“, lautete die Frage Ciceros an Catilina, die Fernandez de la Cigoña auch Papst Franziskus entgegenhält.
Fernandez de la Cigoña ist ein Chronist des Niedergangs der Orden. Penibel registriert er auf seinem Blog, wenn ein Kloster aufgegeben wird und ein Orden einen Ort verläßt. Die Gründe sind dieselben: Überalterung und fehlender Nachwuchs.
Sucht der Papst Antworten bei Zygmunt Bauman?
Franziskus enthüllte in dem Video ein neues Buch, das von ihm gelesen wurde. Da das regierende Kirchenoberhaupt viele Rätsel aufgibt, und nach wie vor so wenig über seine Zeit in Argentinien, seine geistige Formung und sein Denken bekannt ist, wird aufmerksam registriert und zusammengetragen, was Franziskus gelesen hat, aus welchen Büchern er sein Wissen schöpft, durch welche Literatur und Autoren er geprägt wurde und sich prägen läßt.
In der Videobotschaft nennt Franziskus das „letzte“ Buch von Zygmunt Bauman „Die Entwurzelten“. Der 2017 verstorbene Soziologe Bauman, ein polnischer Jude, war – wie seine 2009 verstorbene Frau Janina Bauman mehrfach beteuerte – Zeit seines Lebens Kommunist. In der Sowjetunion war er politischer Offizier im Rang eines Majors, der Jagd auf Regimegegner machte, vor allem in Polen. Um genau zu sein, machte er Jagd auf alle, die von den Stalinisten als Gegner betrachtet wurden. Dazu gehörte in Polen auch und vor allem die katholische Kirche. Aus der Kommunistischen Partei Polens, die sich seit 1948 Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei nannte, trat er 1968 wegen antisemitischer Regungen aus, nicht aber weil er sich vom Kommunismus distanzierte. Er emigrierte nach Israel und dann nach Großbritannien und wurde zu einem verehrten Guru des linken, westlichen Spektrums.
Zu diesem Spektrum, wie diese Lektüre, die sich zu anderer marxistischer Literatur gesellt, rechnet sich offenbar auch Papst Franziskus. Rückschlüsse aus der bloßen Tatsache zu ziehen, daß jemand ein bestimmtes Buch gelesen hat, sind mit Vorsicht zu genießen. Offensichtlich aber wird Papst Franziskus von marxistischen Autoren der verschiedenen Spielarten angezogen, was schließen läßt, daß er dort nach Antworten sucht – und möglicherweise sich dort auch Fragen und Sichtweisen aufladen läßt.
Päpstliche Schwäche für marxistische Autoren
Daß Papst Franziskus eine Schwäche für marxistische, auch kommunistische Autoren, besonders Soziologen hat, ist hinlänglich bekannt. Daß dazu auch Zygmunt Bauman gehört, berichtete Paolo Rodari – unter Benedikt XVI. ein brillanter, junger Vatikanist, um den es ziemlich still geworden ist – im Sommer 2017, und das unter anderem in der deutschen Tageszeitung Die Welt: „Was der Papst liest, wenn er keine Messe lesen muss“.
Franziskus und Zygmunt Bauman haben sich im September 2016 in Assisi getroffen. Anlaß waren 30 Jahre seit dem ersten der umstrittenen interreligiösen Treffen der Gemeinschaft von Sant’Egidio in der die Heimatstadt des heiligen Franz von Assisi. Bauman lobte Franziskus wegen seines Beharrens auf einer „Kultur der Begegnung“ und nannte ihn eine „Hoffnung“.
Auf der Nachrichtenseite InfoVaticana gibt es eine rege Leserdiskussion über die Videobotschaft und die Aufforderungen von Papst Franziskus an die Ordensleute. Ein Kommentator schrieb dort:
„Was für eine Blindheit und Inkompetenz. Während die meisten Orden aussterben, verordnet der Papst ihnen, nicht zu missionieren. Und der Jugend sagt Franziskus, das einzige, was sie tun müsse, ist, auf die alten Ordensleute jener Orden zu hören, die aussterben. Was sollen die ihnen beibringen, außer wie man ausstirbt? Das ist das perfekte Programm, das Ordensleben dem sicheren Ende zuzuführen.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Youtube/ITVR/MiL (Screenshots)