
Die Rebellion der Massen gegen die Woke-Ideologie hat Donald Trump zum Sieg bei den Wahlen verholfen und ihn als US-Präsidenten in das Weiße Haus zurückgebracht. Diese These stellt der Vatikanist Sandro Magister in seiner jüngsten Analyse auf, um daraus abzuleiten, daß dies auch ein deutliches Signal an die Kirche sei. Während ersteres inzwischen allgemein als Tatsache anerkannt ist, ist das zweite bisher noch nicht so ins Bewußtsein gedrungen. In der katholischen Kirche seien sich die Verantwortlichen noch nicht ausreichend der Niederlage der Woke-Ideologie bewußt. Dazu sei es aber an der Zeit
Unter den Intellektuellen häufen sich die prominenten Stimmen, die sich mit selbstkritischen Akzenten zu Wort melden. In Italien tat dies vor kurzem der inzwischen 86 Jahre alte Linkspolitiker, ehemalige Ministerpräsident und ehemalige Vorsitzende des Verfassungsgerichts Giuliano Amato in einem Interview mit der führenden linken Tageszeitung La Repubblica, die Papst Franziskus gerne liest. Amato sprach darin von „überzeugten Demokraten wie mich, die in den letzten fünfzig Jahren jeden progressiven Kampf unterstützt haben, ohne rechtzeitig die wachsende, manchmal übermäßige Entfernung von den traditionellen Werten zu erkennen, die unsere Gesellschaften zusammenhalten“, und daß dieses Nicht-Erkennen für die Niederlage der Linken sowohl in den USA (2024) als auch in Italien (2022) verantwortlich sei. Man habe noch nicht begriffen, so Amato selbstkritisch, daß „eine liberale Demokratie nicht scheitert, wenn wir begrenztere Freiheiten und eine gewisse Koexistenz mit traditionellen Werten akzeptieren“.
Ernesto Galli della Loggia, Kolumnist und Professor der Zeitgeschichte, folgte Amato in seiner Kolumne im Corriere della Sera vom 12. März noch deutlicher:
„Ob es um die Fortpflanzung des Lebens und die Art und Weise des Todes ging, um die Merkmale der Elternschaft oder die Sexualmoral, um die Bedeutung der Familie, um Frieden und Krieg, um die Umwandlung jedes Bedürfnisses in ein Recht, immer schloß sich das ganze Land, das progressiv sein wollte, der Partei der ‚ideologisch Korrekten‘ an, in einer Haltung arroganter Überlegenheit, wenn nicht gar aggressiver Feindseligkeit gegenüber Andersdenkenden“. All dies, ohne sich darüber im klaren zu sein, daß „für einen großen Teil der Volksschichten diese Hegemonie des ‚Neuen‘ einen schmerzhaften Riß mit der eigenen Identität bedeutete, die aus tausend Gründen noch sehr stark in der Vergangenheit verwurzelt war.“
Diese Analyse erfolgt aus linker Sicht, aber erstmals sind selbstkritische Töne zu hören. Wie Amato mahnte auch Galli della Loggia die Eliten, „sich nicht zu verschließen, d. h. offen zu bleiben und allen Stimmen der Gesellschaft zuzuhören und diejenigen, die sie nicht mögen, nicht zum Schweigen bringen“ zu wollen. Andernfalls werde das Votum „sie früher oder später bestrafen“, wie es in den USA mit Trump geschehen sei. Es liege „in erster Linie an den europäischen Eliten, an ihren Völkern festzuhalten, um seine [Trumps] Pläne scheitern zu lassen“, andernfalls werde es ihnen gleich ergehen wie den Demokraten in den USA.
Ein dritter Beitrag in diesem Sinn folgte am 13. März in der Zeitung Il Foglio durch Giuliano Ferrara. Es sei nicht neu, wie Magister betont, daß Ferrara „das kulturelle Schweigen der Progressiven“ kritisiert, aber dieses Mal erinnerte er erstmals daran, daß Amato – der ebensowenig gläubig ist wie Galli della Loggia und Ferrara – „etwas mehr über die Abtreibung gesprochen“ hat und Zweifel am „Anspruch der progressiven Eliten“ äußerte, die Tötung ungeborener Kinder „zu einem unbedingten Recht“ erheben zu wollen.
Ferrara griff in einem weiteren Artikel in Il Foglio vom 22. März die Thesen des berühmten Essays „Der Aufstand der Massen“ des spanischen Philosophen José Ortega y Gasset aus dem Jahr 1929 auf. Denn wenn es stimme, daß Trump in den USA den Aufstand der Massen gegen die Ideologien der progressiven Eliten nützen konnte, dann sei auch klar, wie sehr die Linke die Unterstützung des Volkes zum Instrument einer überzogenen Demagogie gemacht habe.
Ferrara, ein Vordenker der transatlantischen Eliten, schreibt: In den 1930er Jahren habe der Aufstand der Massen in Europa den Weg für schreckliche autoritäre Lösungen geebnet. Heute sei es daher entscheidend, „einen Weg zu finden, um die Kultur der Eliten neu zu begründen und neue Modelle der Zusammenführung der Massen auf den Weg zu bringen, die mit dem liberalen Aufbau der politischen Demokratie vereinbar sind“. Hört, hört!
Darauf regierte Sandro Magister mit der Frage: Und in der Kirche? Denn auch hier mangle es nicht an subalternen Angleichungen an die Ideologie der progressiven Eliten, auch wenn sie mit Worten widerlegt oder durch eine breite Rebellion konterkariert werden.
Das grüne Licht, das der Heilige Stuhl Ende 2023 für die Segnung homosexueller Paare gab, so Magister, rief den Protest aller Bischofskonferenzen Schwarzafrikas sowie bedeutender Teile der Kirchen anderer Kontinente hervor.
Doch obwohl sich Papst Franziskus wiederholt gegen die „Gender“-Ideologie ausgesprochen habe, sei es eine Tatsache, daß er „in der öffentlichen Meinung eher als inklusiv denn als ausgrenzend wahrgenommen wird“. Sein Image sei das eines Papstes, „der die Tür für alle öffnet und sich jeglicher Ermahnung oder Verurteilung enthält, nach dem Motto: ‚Wer bin ich, um zu urteilen?‘“. Deutlicher gesagt: Franziskus wird allgemein als progressiver Papst wahrgenommen.
Darüber hinaus mache die zutiefst antiwestliche Sichtweise von Franziskus, die der lateinamerikanische Historiker Loris Zanatta in seinem jüngsten Buch „Bergoglio. Eine politische Biografie“ herausstellt, so Magister, ihn empfänglich für die Thesen jener „Cancel Culture“, die ganze Jahrhunderte der Geschichte auslöschen will, indem sie ihnen pauschal Schuld zuweist. Auch seine heftigen und ständigen Tiraden gegen Traditionalisten tragen zu seinem Image als Initiator eines aus linker Sicht „unbefleckten neuen Kurses der Kirche bei, der einer dunklen Vergangenheit feindlich gegenübersteht, für die nur um Vergebung gebeten werden muß“, so der Vatikanist.
Ein durchschlagendes Nachgeben des Papstes gegenüber der „Cancel Culture“ fand anläßlich seiner Reise nach Kanada im Juli 2022 statt. Damals waren angebliche Massengräber von indigenen Kindern gefunden worden und der Kirche schwerste Vorwürfe gemacht worden. „Dies geschah pünktlich, mit einem reumütigen und zerknirschten Franziskus, der in Kanada scharfe Worte gegen Kolonialismus und Rassismus fand, an denen auch die Kirche beteiligt gewesen sei, und er bezeichnete das angebliche Massaker an diesen Kindern sogar als ‚Völkermord‘.“ All dies ohne jeden Beweis, sowohl was die tatsächliche Existenz der Gräber betrifft, als auch ohne irgendeine konkrete Schuld der Kirche. Nach drei Jahren hartnäckiger, aber erfolgloser Nachforschungen der kirchenfeindlichen progressiven Regierung von Justin Trudeau mußte die damals eingesetzte Untersuchungskommission ergebnislos geschlossen werden. Anstatt sich wegen der skandalös falschen Anschuldigungen zu entschuldigen, wurden stillschweigend die Brände und Verwüstungen in mehr als hundert Kirchen in Kanada archiviert, die in der Zwischenzeit als „Vergeltung“ für die angeblichen „Verbrechen“ der Kirche verübt worden waren.
Ein weiteres ernsthaftes Nachgeben, so Magister, gegenüber der „Cancel Culture“ fand bei der Amazonassynode im Oktober 2019 statt, damals vor allem gegen den Kolonialismus, an dem die Kirche angeblich mitschuldig gewesen sei. „Für Franziskus war es nämlich eines der Ziele dieser Synode, die Stämme des Amazonas in ihrer ursprünglichen Unschuld zu würdigen, in ihrem archaischen ‚buen vivir‘ in glücklicher Symbiose zwischen Mensch und Natur, bevor es durch zivile und kirchliche Kolonisatoren denaturiert und entkräftet worden sei.“ Daß dieses angeblich unberührt paradiesische „buen vivir“ in einigen Stämmen immer noch aus Kindstötungen und der Tötung der Alten besteht, mit dem erklärten Ziel, ein „Gleichgewicht in der Größe der Familie und der Gruppen“ zu gewährleisten und „den Geist der Alten nicht an den Körper zu ketten, ohne seine Vorteile auf den Rest der Familie übertragen zu können“, wurde dabei jedoch verschwiegen.
Den aufmerksameren Beobachtern unter den progressiven Eliten, ob in der EU oder im kirchlichen Bereich, scheint offenbar immer mehr zu dämmern, daß es ihnen wie den Demokraten in den USA ergehen könnte, wenn sie nicht rechtzeitig von der Woke-Ideologie abrücken. Sie beginnen nach Strategien zu suchen, wie sie durch ein Entgegenkommen möglichst viel von ihrer linken, menschenfeindlichen Ideologie retten können.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Diakonos
Was die gegenwärtige Kirche lernt? Nichts natürlich! „More of the same“ ist die Losung.