Der Aufstand der Massen gegen die Woke-Ideologie hat Trump zum Sieg verholfen. Was aber lernt die Kirche daraus?

Selbstkritische Töne?


Papst Franziskus, die Woke-Ideologie und die Cancel Culture (im Bild 2022 "zerknirscht" in Kanada)
Papst Franziskus, die Woke-Ideologie und die Cancel Culture (im Bild 2022 "zerknirscht" in Kanada)

Die Rebel­li­on der Mas­sen gegen die Woke-Ideo­lo­gie hat Donald Trump zum Sieg bei den Wah­len ver­hol­fen und ihn als US-Prä­si­den­ten in das Wei­ße Haus zurück­ge­bracht. Die­se The­se stellt der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster in sei­ner jüng­sten Ana­ly­se auf, um dar­aus abzu­lei­ten, daß dies auch ein deut­li­ches Signal an die Kir­che sei. Wäh­rend erste­res inzwi­schen all­ge­mein als Tat­sa­che aner­kannt ist, ist das zwei­te bis­her noch nicht so ins Bewußt­sein gedrun­gen. In der katho­li­schen Kir­che sei­en sich die Ver­ant­wort­li­chen noch nicht aus­rei­chend der Nie­der­la­ge der Woke-Ideo­lo­gie bewußt. Dazu sei es aber an der Zeit

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Unter den Intel­lek­tu­el­len häu­fen sich die pro­mi­nen­ten Stim­men, die sich mit selbst­kri­ti­schen Akzen­ten zu Wort mel­den. In Ita­li­en tat dies vor kur­zem der inzwi­schen 86 Jah­re alte Links­po­li­ti­ker, ehe­ma­li­ge Mini­ster­prä­si­dent und ehe­ma­li­ge Vor­sit­zen­de des Ver­fas­sungs­ge­richts Giu­lia­no Ama­to in einem Inter­view mit der füh­ren­den lin­ken Tages­zei­tung La Repubbli­ca, die Papst Fran­zis­kus ger­ne liest. Ama­to sprach dar­in von „über­zeug­ten Demo­kra­ten wie mich, die in den letz­ten fünf­zig Jah­ren jeden pro­gres­si­ven Kampf unter­stützt haben, ohne recht­zei­tig die wach­sen­de, manch­mal über­mä­ßi­ge Ent­fer­nung von den tra­di­tio­nel­len Wer­ten zu erken­nen, die unse­re Gesell­schaf­ten zusam­men­hal­ten“, und daß die­ses Nicht-Erken­nen für die Nie­der­la­ge der Lin­ken sowohl in den USA (2024) als auch in Ita­li­en (2022) ver­ant­wort­lich sei. Man habe noch nicht begrif­fen, so Ama­to selbst­kri­tisch, daß „eine libe­ra­le Demo­kra­tie nicht schei­tert, wenn wir begrenz­te­re Frei­hei­ten und eine gewis­se Koexi­stenz mit tra­di­tio­nel­len Wer­ten akzep­tie­ren“.

Erne­sto Gal­li del­la Log­gia, Kolum­nist und Pro­fes­sor der Zeit­ge­schich­te, folg­te Ama­to in sei­ner Kolum­ne im Cor­rie­re del­la Sera vom 12. März noch deutlicher:

„Ob es um die Fort­pflan­zung des Lebens und die Art und Wei­se des Todes ging, um die Merk­ma­le der Eltern­schaft oder die Sexu­al­mo­ral, um die Bedeu­tung der Fami­lie, um Frie­den und Krieg, um die Umwand­lung jedes Bedürf­nis­ses in ein Recht, immer schloß sich das gan­ze Land, das pro­gres­siv sein woll­te, der Par­tei der ‚ideo­lo­gisch Kor­rek­ten‘ an, in einer Hal­tung arro­gan­ter Über­le­gen­heit, wenn nicht gar aggres­si­ver Feind­se­lig­keit gegen­über Anders­den­ken­den“. All dies, ohne sich dar­über im kla­ren zu sein, daß „für einen gro­ßen Teil der Volks­schich­ten die­se Hege­mo­nie des ‚Neu­en‘ einen schmerz­haf­ten Riß mit der eige­nen Iden­ti­tät bedeu­te­te, die aus tau­send Grün­den noch sehr stark in der Ver­gan­gen­heit ver­wur­zelt war.“

Die­se Ana­ly­se erfolgt aus lin­ker Sicht, aber erst­mals sind selbst­kri­ti­sche Töne zu hören. Wie Ama­to mahn­te auch Gal­li del­la Log­gia die Eli­ten, „sich nicht zu ver­schlie­ßen, d. h. offen zu blei­ben und allen Stim­men der Gesell­schaft zuzu­hö­ren und die­je­ni­gen, die sie nicht mögen, nicht zum Schwei­gen brin­gen“ zu wol­len. Andern­falls wer­de das Votum „sie frü­her oder spä­ter bestra­fen“, wie es in den USA mit Trump gesche­hen sei. Es lie­ge „in erster Linie an den euro­päi­schen Eli­ten, an ihren Völ­kern fest­zu­hal­ten, um sei­ne [Trumps] Plä­ne schei­tern zu las­sen“, andern­falls wer­de es ihnen gleich erge­hen wie den Demo­kra­ten in den USA.

Ein drit­ter Bei­trag in die­sem Sinn folg­te am 13. März in der Zei­tung Il Foglio durch Giu­lia­no Fer­ra­ra. Es sei nicht neu, wie Magi­ster betont, daß Fer­ra­ra „das kul­tu­rel­le Schwei­gen der Pro­gres­si­ven“ kri­ti­siert, aber die­ses Mal erin­ner­te er erst­mals dar­an, daß Ama­to – der eben­so­we­nig gläu­big ist wie Gal­li del­la Log­gia und Fer­ra­ra – „etwas mehr über die Abtrei­bung gespro­chen“ hat und Zwei­fel am „Anspruch der pro­gres­si­ven Eli­ten“ äußer­te, die Tötung unge­bo­re­ner Kin­der „zu einem unbe­ding­ten Recht“ erhe­ben zu wollen.

Fer­ra­ra griff in einem wei­te­ren Arti­kel in Il Foglio vom 22. März die The­sen des berühm­ten Essays „Der Auf­stand der Mas­sen“ des spa­ni­schen Phi­lo­so­phen José Orte­ga y Gas­set aus dem Jahr 1929 auf. Denn wenn es stim­me, daß Trump in den USA den Auf­stand der Mas­sen gegen die Ideo­lo­gien der pro­gres­si­ven Eli­ten nüt­zen konn­te, dann sei auch klar, wie sehr die Lin­ke die Unter­stüt­zung des Vol­kes zum Instru­ment einer über­zo­ge­nen Dem­ago­gie gemacht habe.

Fer­ra­ra, ein Vor­den­ker der trans­at­lan­ti­schen Eli­ten, schreibt: In den 1930er Jah­ren habe der Auf­stand der Mas­sen in Euro­pa den Weg für schreck­li­che auto­ri­tä­re Lösun­gen geeb­net. Heu­te sei es daher ent­schei­dend, „einen Weg zu fin­den, um die Kul­tur der Eli­ten neu zu begrün­den und neue Model­le der Zusam­men­füh­rung der Mas­sen auf den Weg zu brin­gen, die mit dem libe­ra­len Auf­bau der poli­ti­schen Demo­kra­tie ver­ein­bar sind“. Hört, hört!

Dar­auf regier­te San­dro Magi­ster mit der Fra­ge: Und in der Kir­che? Denn auch hier mang­le es nicht an sub­al­ter­nen Anglei­chun­gen an die Ideo­lo­gie der pro­gres­si­ven Eli­ten, auch wenn sie mit Wor­ten wider­legt oder durch eine brei­te Rebel­li­on kon­ter­ka­riert werden.

Das grü­ne Licht, das der Hei­li­ge Stuhl Ende 2023 für die Seg­nung homo­se­xu­el­ler Paa­re gab, so Magi­ster, rief den Pro­test aller Bischofs­kon­fe­ren­zen Schwarz­afri­kas sowie bedeu­ten­der Tei­le der Kir­chen ande­rer Kon­ti­nen­te hervor.

Doch obwohl sich Papst Fran­zis­kus wie­der­holt gegen die „Gender“-Ideologie aus­ge­spro­chen habe, sei es eine Tat­sa­che, daß er „in der öffent­li­chen Mei­nung eher als inklu­siv denn als aus­gren­zend wahr­ge­nom­men wird“. Sein Image sei das eines Pap­stes, „der die Tür für alle öff­net und sich jeg­li­cher Ermah­nung oder Ver­ur­tei­lung ent­hält, nach dem Mot­to: ‚Wer bin ich, um zu urtei­len?‘“. Deut­li­cher gesagt: Fran­zis­kus wird all­ge­mein als pro­gres­si­ver Papst wahrgenommen.

Dar­über hin­aus mache die zutiefst anti­west­li­che Sicht­wei­se von Fran­zis­kus, die der latein­ame­ri­ka­ni­sche Histo­ri­ker Loris Zan­a­t­ta in sei­nem jüng­sten Buch „Berg­o­glio. Eine poli­ti­sche Bio­gra­fie“ her­aus­stellt, so Magi­ster, ihn emp­fäng­lich für die The­sen jener „Can­cel Cul­tu­re“, die gan­ze Jahr­hun­der­te der Geschich­te aus­lö­schen will, indem sie ihnen pau­schal Schuld zuweist. Auch sei­ne hef­ti­gen und stän­di­gen Tira­den gegen Tra­di­tio­na­li­sten tra­gen zu sei­nem Image als Initia­tor eines aus lin­ker Sicht „unbe­fleck­ten neu­en Kur­ses der Kir­che bei, der einer dunk­len Ver­gan­gen­heit feind­lich gegen­über­steht, für die nur um Ver­ge­bung gebe­ten wer­den muß“, so der Vatikanist.

Ein durch­schla­gen­des Nach­ge­ben des Pap­stes gegen­über der „Can­cel Cul­tu­re“ fand anläß­lich sei­ner Rei­se nach Kana­da im Juli 2022 statt. Damals waren angeb­li­che Mas­sen­grä­ber von indi­ge­nen Kin­dern gefun­den wor­den und der Kir­che schwer­ste Vor­wür­fe gemacht wor­den. „Dies geschah pünkt­lich, mit einem reu­mü­ti­gen und zer­knirsch­ten Fran­zis­kus, der in Kana­da schar­fe Wor­te gegen Kolo­nia­lis­mus und Ras­sis­mus fand, an denen auch die Kir­che betei­ligt gewe­sen sei, und er bezeich­ne­te das angeb­li­che Mas­sa­ker an die­sen Kin­dern sogar als ‚Völ­ker­mord‘.“ All dies ohne jeden Beweis, sowohl was die tat­säch­li­che Exi­stenz der Grä­ber betrifft, als auch ohne irgend­ei­ne kon­kre­te Schuld der Kir­che. Nach drei Jah­ren hart­näcki­ger, aber erfolg­lo­ser Nach­for­schun­gen der kir­chen­feind­li­chen pro­gres­si­ven Regie­rung von Justin Tru­deau muß­te die damals ein­ge­setz­te Unter­su­chungs­kom­mis­si­on ergeb­nis­los geschlos­sen wer­den. Anstatt sich wegen der skan­da­lös fal­schen Anschul­di­gun­gen zu ent­schul­di­gen, wur­den still­schwei­gend die Brän­de und Ver­wü­stun­gen in mehr als hun­dert Kir­chen in Kana­da archi­viert, die in der Zwi­schen­zeit als „Ver­gel­tung“ für die angeb­li­chen „Ver­bre­chen“ der Kir­che ver­übt wor­den waren.

Ein wei­te­res ernst­haf­tes Nach­ge­ben, so Magi­ster, gegen­über der „Can­cel Cul­tu­re“ fand bei der Ama­zo­nas­syn­ode im Okto­ber 2019 statt, damals vor allem gegen den Kolo­nia­lis­mus, an dem die Kir­che angeb­lich mit­schul­dig gewe­sen sei. „Für Fran­zis­kus war es näm­lich eines der Zie­le die­ser Syn­ode, die Stäm­me des Ama­zo­nas in ihrer ursprüng­li­chen Unschuld zu wür­di­gen, in ihrem archai­schen ‚buen vivir‘ in glück­li­cher Sym­bio­se zwi­schen Mensch und Natur, bevor es durch zivi­le und kirch­li­che Kolo­ni­sa­to­ren dena­tu­riert und ent­kräf­tet wor­den sei.“ Daß die­ses angeb­lich unbe­rührt para­die­si­sche „buen vivir“ in eini­gen Stäm­men immer noch aus Kinds­tö­tun­gen und der Tötung der Alten besteht, mit dem erklär­ten Ziel, ein „Gleich­ge­wicht in der Grö­ße der Fami­lie und der Grup­pen“ zu gewähr­lei­sten und „den Geist der Alten nicht an den Kör­per zu ket­ten, ohne sei­ne Vor­tei­le auf den Rest der Fami­lie über­tra­gen zu kön­nen“, wur­de dabei jedoch verschwiegen.

Den auf­merk­sa­me­ren Beob­ach­tern unter den pro­gres­si­ven Eli­ten, ob in der EU oder im kirch­li­chen Bereich, scheint offen­bar immer mehr zu däm­mern, daß es ihnen wie den Demo­kra­ten in den USA erge­hen könn­te, wenn sie nicht recht­zei­tig von der Woke-Ideo­lo­gie abrücken. Sie begin­nen nach Stra­te­gien zu suchen, wie sie durch ein Ent­ge­gen­kom­men mög­lichst viel von ihrer lin­ken, men­schen­feind­li­chen Ideo­lo­gie ret­ten können.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Dia­ko­nos

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1 Kommentar

  1. Was die gegen­wär­ti­ge Kir­che lernt? Nichts natür­lich! „More of the same“ ist die Losung.

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