
Begriffe prägen das Denken: Der Begriff „Leihmutterschaft“ ist ein verlogener Neusprech, eine kommerzielle PR-Vokabel, mit der die Wirklichkeit für das Geschäft geschönt und die dahinterstehende Ideologie versteckt wird. Gebärmutterprostitution kommt der Sache wesentlich näher. Im Italienischen wird der Begriff Gebärmuttereinmietung gebraucht. Im folgenden Beitrag von Fabio Fuiano wird der Verständlichkeit wegen der besonders verzerrende deutsche Ausdruck jeweils in Klammer angefügt. Man könnte noch ergänzen: Die schrankenlose Befriedigung egoistischer Wünsche fördert den schrankenlosen Egoismus mit – je länger es andauert – zunehmend negativeren Rückwirkungen auf das Zusammenleben der Menschen und damit der Familie, der Gemeinschaft, der Gesellschaft und des Volkes – denn schrankenloser Egoismus schlägt in Grausamkeit um.
Die Gebärmutter zur Miete? Das Kind der künstlichen Befruchtung
Von Fabio Fuiano*
Seit einiger Zeit tauchen in Rom in einigen Hauptstraßen wie dem Corso Francia Plakate auf, die für „Zentren für Reproduktionsmedizin“ werben und die Techniken der sogenannten „medizinisch unterstützten Fortpflanzung (PMA)“, auch bekannt als „künstliche Befruchtung“, anpreisen, die in Italien dank des ungerechten Gesetzes Nr. 40 aus dem Jahr 2004 legal sind, und zwar mit einem Slogan, der die Ideologie, die dieser Praxis zugrunde liegt, deutlich erkennen läßt: „Um einen Wunsch zu erfüllen, gibt es mehrere Möglichkeiten“.
Dies gibt zu denken: Ein Kind wäre demnach kein Subjekt mit Rechten, da es mit seiner Mutter dieselbe menschliche Natur teilt, sondern ein zu erfüllender Wunsch, für den man legitimerweise auf die Mittel zurückgreifen kann, die die Technik heute zur Verfügung stellt. Dies entspricht genau der vorherrschenden Kultur, die durch die in unserem Land geltenden ungerechten Gesetze (z. B. das Abtreibungsgesetz 194/1978 und das genannte Gebärmuttereinmietungsgesetz 40/2004 usw.) immer wieder angeheizt wird, wonach das Leben des ungeborenen Kindes zur totalen Disposition der Mutter steht.
Leider muß man feststellen, daß die kulturelle Wurzel dieses Denkens in bestimmten philosophischen Ideen gründet, die von einigen französischen Jesuiten in den 1970er Jahren verbreitet wurden.
Wie der Philosoph und Theologe Romano Amerio in seiner eingehenden Studie Iota Unum (Lindau, Turin, 2009, S. 379–388) feststellt, treffen diese modernen Theologen eine künstliche Unterscheidung zwischen menschlichem und vermenschlichtem Leben, um das Menschsein der Zygote, also der befruchteten Eizelle, und die daraus folgende Unrechtmäßigkeit der Abtreibung (und ganz allgemein jeder Verletzung der Unverfügbarkeit eines Menschenlebens) zu umgehen. Amerio erklärt, daß laut Meinung dieser Theologen „menschliches Leben das des Embryos als biologische Entität ist. Diese Entität ist als menschlich bekannt und wird menschlich genannt, weil sie aus zwei als menschlich bekannten Keimzellen hervorgegangen ist […]. Vermenschlichtes Leben hingegen ist das des Embryos insofern, als der Embryo von der menschlichen Gesellschaft akzeptiert wird, insbesondere von den Eltern, die ihn zur Geburt rufen und ihn lieben. Wenn man den Fötus tötet, bevor man ihn annimmt und liebt, liegt kein Verbrechen vor“ (S. 382).
Er fügt hinzu: „Das ist die jesuitische Doktrin der französischen Zeitschrift ‚Les études‘, die in Büchern von ihrem Schriftleiter Pater [Bruno] Ribes unterstützt wird. Der Abgeordnete Loris Fortuna1 stützte sich darauf, wie auch auf Kirchenvertreter, als er der italienischen Abgeordnetenkammer am 11. Februar 1973 sein Projekt zur Entkriminalisierung und Förderung der Abtreibung vorschlug“.
Amerio weist zu Recht darauf hin, daß diese philosophische Idee auf der Leugnung des Wesens und dem Laster des Subjektivismus beruht, d. h. sie ordnet das Sein des ungeborenen Kindes der Frage unter, ob er von seinen Eltern akzeptiert wird oder nicht, und vergißt dabei, daß dessen Akzeptanz gerade deshalb verpflichtend ist, weil das Kind bereits im Sein ist.
In der Tat „hat das seiende Kind das Recht, weil seiend, gewollt zu sein, und sein Recht, gewollt zu sein, gründet nicht im Gewolltsein, sondern in der Tatsache, daß es ist“ (S. 383).
Die gegenteilige Anthropologie geht auf den Marxismus zurück, demzufolge der Mensch erst dann zur „Person“ wird, wenn er die Fähigkeit zur Beziehung besitzt. In Wirklichkeit ist genau das Gegenteil der Fall: Die Beziehungsfähigkeit beruht auf der Tatsache, daß derjenige, der Beziehungen eingeht, bereits eine Person ist. Diese Vorstellungen, weit davon entfernt, nur solche zu bleiben, haben sehr praktische Auswirkungen: in erster Linie die Tatsache, daß heute die Entscheidung über Leben oder Tod des Kindes „dem Ermessen der Mutter überlassen wird, was die Mitwirkung des anderen Elternteils völlig ausschließt und jede Verantwortung seinerseits für das Schicksal des Kindes auslöscht. Nicht nur die Gleichheit zwischen Kind und Mutter, sondern auch zwischen Mutter und Vater wird aufgehoben, als ob die Empfängnis durch Parthenogenese erfolgt wäre“ (S. 384).
Die Leugnung der Gleichheit von Mutter und Kind als Menschen ergibt sich aus der Verleugnung des aristotelisch-thomistischen Konzepts der „Natur“. Amerio stellt scharfsinnig fest: „Denn wenn der Mensch nicht Natur ist, die einer göttlichen Idee entspricht und von Gott abhängt, der sie so geschaffen hat, […] wird die menschliche Substanz eine Form sein, die durch die menschliche Substanz geformt werden kann. Und durch welche andere Form soll das geschehen als die der Nützlichkeit? Und da die Technik die Organisation der Nützlichkeit ist, ist es nicht verwunderlich, daß die großen Phänomene der menschlichen Existenz […] Geburt, Liebe, Zeugung und Tod allmählich unter die Herrschaft der Technik geraten“.
Er kommt zu dem Schluß, „wenn man das Konzept der absoluten Abhängigkeit des Geschöpfes von Gott verloren hat, das zuerst philosophisch und dann religiös war, ist es unmöglich, nicht auch das Konzept der absoluten Unabhängigkeit des Geschöpfes vom Geschöpf zu verlieren. Nur wenn ich zu Gott gehöre, kann mich niemand versklaven […]“ (S. 385).
Nicht alles, was die Technik erlaubt, ist moralisch richtig. Und das kann man nicht nur durch logische Strenge leicht erkennen, sondern auch durch die Beobachtung, was passiert, wenn man solchen perversen Ideen und Praktiken freien Lauf läßt. Wenn nämlich das Leben oder der Tod des Kindes in den Händen der Mutter liegt, dann ist nicht nur seine Unterdrückung erlaubt, sondern auch seine willkürliche Zeugung durch künstliche Befruchtung, bis hin zur abartigen Praxis der Gebärmuttereinmietung (Leihmutterschaft).
Am 6. April wurde bekannt, daß die 68jährige spanische Schauspielerin und Moderatorin Anna Obregon zur Geburt ihres Kindes eine Gebärmuttereinmietung (Leihmutterschaft) in Anspruch genommen hat. Obregon griff auf eine künstliche Befruchtung mit dem tiefgefrorenen Samen ihres Sohnes Aless Lequio, der im Alter von 27 Jahren an Krebs verstorben ist, und der Eizelle einer „Spenderin“ zurück. Das spanische Gesetz verbietet die Gebärmuttereinmietung (Leihmutterschaft), weshalb das so gezeugte Neugeborene in den USA geboren wurde. Paradoxerweise ist das Kind biologisch die Enkelin der Frau, aber gleichzeitig rechtlich ihre Tochter.
Solche Paradoxa ergeben sich aus der ausdrücklichen Leugnung des natürlichen Sittengesetzes, wonach der Mensch auf natürliche Weise durch den Geschlechtsakt eines Mannes und einer Frau, die durch das Band der Ehe verbunden sind, ins Leben gerufen wird. Die künstliche Befruchtung, das Tor zur Gebärmuttereinmietung (Leihmutterschaft), ist das doppelte Übel der Empfängnisverhütung: Während die eine die Zeugung von der Sexualität trennt, trennt die andere die Sexualität von der Zeugung. Das moralische Übel der künstlichen Befruchtung liegt gerade in dieser Trennung, und für die moralische Beurteilung spielt es kaum eine Rolle, ob bei einer solchen Befruchtung die eigenen Keimzellen des Paares (homologe Befruchtung) oder fremder Spender (heterologe Befruchtung) verwendet werden. Im zweiten Fall kommt sogar der erschwerende Umstand des Ehebruchs hinzu (Ansprache von Pius XII. an den Vierten Internationalen Kongress der Katholischen Ärzte, 29. September 1949: AAS, 41 [1949], 557–561).
Das Wörterbuch der Moraltheologie (F. Roberti, P. Palazzini, Verlag Studium, 1955, S. 695f) erklärt, daß die künstliche Befruchtung „durch das natürliche Sittengesetz verboten ist, demzufolge die Ehe und die intimen Beziehungen der Ehegatten das richtige und ausschließliche Mittel zur Zeugung von Nachkommen sind“.
Das ist sicherlich der erste Grund, warum eine solche Praxis sittenwidrig ist. Aber es gibt noch einen zweiten Grund, der mit der Entwicklung von Techniken wie der IVF (In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer in die Gebärmutter) hinzukommt, die ein inhärentes Opfer menschlicher Embryonen vorsehen, und zwar aufgrund (a) der Unnatürlichkeit der Einpflanzung des Embryos in die Gebärmutter und (b) der Schädigung des Embryos infolge des Kryokonservierungsverfahrens, das häufig zur „Konservierung“ überzähliger Embryonen aus einem künstlichen Befruchtungszyklus eingesetzt wird. Der sekundäre Charakter dieses Motivs ist nicht so sehr auf das immanente Übel der Embryonenvernichtung zurückzuführen, sondern vielmehr auf die Tatsache, daß selbst in dem (ohnehin nur theoretischen) Fall, daß eine solche Technik so weit perfektioniert würde, daß die Embryonenvernichtung ausgeschlossen wäre, der primäre Grund, die künstliche Befruchtung zu einem Akt wider die Natur zu machen, weiter bestehen würde. Die anderen (zahlreichen) moralischen Fragen ergeben sich daraus und sind ihre logische Folge. Wenn man also die Leihmutterschaft wirksam bekämpfen will, muß man damit beginnen, die künstliche Befruchtung, das ungerechte Gesetz, das sie erlaubt, und die kulturelle Matrix, auf der sie beruht, in Frage zu stellen.
Einleitung/Übersetzung/Fußnote: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
1 Loris Fontana (1924–1985), geboren in der Lombardei, wuchs in Friaul auf, wo sein Vater Kanzleileiter des Landgerichts Udine war. Als Udine im September 1943 von deutschen Truppen besetzt und Teil der von den Deutschen kontrollierten Operationszone Adriatischen Küstenlandes wurde, kämpfte er in den Reihen des dort operierenden bürgerlichen Partisanenverbandes Osoppo-Friuli gegen die deutschen Truppen. Im April 1944 gefangengenommen wurde er von einem deutschen Militärgericht in das Gefangenenlager für Kriegstäter im bayerischen Bernau geschickt, wo er als Torfstecher zum Einsatz kam. Nach dem Krieg nach Udine zurückgekehrt, schloß er sich der Kommunistischen Partei Italiens (PCI) an, in der bereits sein Vater aktiv ist. Er studierte Jus, wird Rechtsanwalt und gehört für die Kommunistische Partei dem Gemeinderat von Udine an. 1956 verläßt er die Partei wegen der gewaltsamen Niederschlagung des Volksaufstandes in Ungarn. Er wird Mitglied der Sozialistischen Partei Italiens (PSI), für die er 1963 in das Italienische Parlament gewählt wird. Dem Parlament gehört er bis an sein Lebensende an. Dort brachte er 1965 den ersten Gesetzentwurf zur Legalisierung der Scheidung ein, die 1970 eingeführt wird. Um das nötige Klima zu schaffen, verbündete er sich mit Marco Pannella und dessen radikalliberaler Radikaler Partei. 1973 brachte er den ersten Gesetzentwurf zur Legalisierung der Abtreibung ein (legalisiert 1978). Ab 1974 besaß er die doppelte Parteimitgliedschaft sowohl der Sozialistischen Partei als auch der Radikalen Partei und plädierte für eine neue Volksfront aller linken Parteien. Er wird deshalb zwar nicht mehr in den Vorstand der Sozialistischen Partei gewählt, dafür aber als Vertreter des linken Parteiflügels 1982 Minister der von Christdemokraten und Sozialisten geführten Koalitionsregierung. 1983 brachte er den ersten Gesetzentwurf zur Legalisierung der Euthanasie ein (legalisiert in einem ersten Schritt 2017). Alle seine Initiativen begründet er als Akt der „Befreiung“ und der Durchsetzung von „Bürgerrechten“. 1985 berief ihn Bettino Craxi als Minister für die Koordinierung der EWG-Politik in seine Regierung. Also solcher starb Loris Fontana noch im selben Jahr im Amt.
Pater Bruno Ribes SJ (1929–2007) leitete von 1966 bis 1975 die französische Jesuitenzeitschrift. La Croix, die Tageszeitung der Französischen Bischofskonferenz, stellte bei seinem Tod die Ereignisse am 13. September 2007 wie folgt dar:
„Bruno Ribes, ehemaliger Leiter der Zeitschrift Études. Am Samstag im Alter von 78 Jahren gestorben, hatte er von 1966 bis 1975 die Zeitschrift der Gesellschaft Jesu geleitet. Angesichts der Debatte über die Liberalisierung der Abtreibung versuchte Bruno Ribes, die Frage auf neue Weise zu beleuchten, aber seine Linie wurde in der Kirche kritisiert, was zu seinem Ausscheiden aus der Zeitschrift führte. 1981 hatte er die Gesellschaft Jesu verlassen und sich weiterhin mit Familienangelegenheiten beschäftigt“.