Musealisierung des Petersdoms geht weiter

Pilger-Parcours versus Touristen-Parcours


Blick des Malers David Roberts auf den Petersdom (1853)
Blick des Malers David Roberts auf den Petersdom (1853)

(Rom) Nach­dem die Meß­zei­ten radi­kal ein­ge­schränkt wur­den, wird nun mit einem eige­nen Pil­ger-Par­cours die fort­schrei­ten­de Musea­li­sie­rung des Peters­doms für alle sichtbar.

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Für die ersten Ver­än­de­run­gen wur­de die Coro­na-Zeit genützt. Zuerst wur­de mit Ver­weis auf eine angeb­lich töd­li­che Pan­de­mie der Peters­dom geleert. Gespen­stisch trost­los wir­ken noch heu­te die Bil­der vom lee­ren Peters­dom in der Oster­nacht 2020.

Dann trat am 22. März 2021 eine Neu­re­ge­lung der Meß­ze­le­bra­tio­nen in Kraft, die vom vati­ka­ni­schen Staats­se­kre­ta­ri­at in einem Hand­streich erlas­sen wor­den war. Dabei ver­fügt das Staats­se­kre­ta­ri­at über kei­ne Zustän­dig­keit über die Patri­ar­chal­ba­si­li­ka. Zur Durch­set­zung, die nur mit päpst­li­cher Ein­wil­li­gung mög­lich war, wur­de ein Aus­nah­me­zu­stand aus­ge­nützt, weil damals die Dom­bau­hüt­te einem päpst­li­chen Kom­mis­sar unter­stand und gera­de ein Wech­sel im Amt des Erz­prie­sters statt­fand. Kar­di­nal Ange­lo Coma­stri, von Bene­dikt XVI. 2006 zum Erz­prie­ster und Vor­stand der Dom­bau­hüt­te ernannt, war am 20. Febru­ar 2021 von Papst Fran­zis­kus eme­ri­tiert, sein Nach­fol­ger, der Mino­ri­ten­pa­ter Mau­ro Gam­bet­ti, aber erst am 29. März in sein Amt ein­ge­führt wor­den. Die Sache war jedoch schon län­ger davor geplant gewe­sen: Kar­di­nal Coma­stri war de fac­to schon im Juni 2020 die Zustän­dig­keit über die Bau­hüt­te ent­zo­gen und einem außer­or­dent­li­chen Kom­mis­sar, Titu­lar­erz­bi­schof Mario Gior­da­na, über­tra­gen wor­den. Der eme­ri­tier­te Vati­kan­di­plo­mat lei­te­te die Bau­hüt­te bis zum Amts­an­tritt von P. Gam­bet­ti, des­sen Erhe­bung in den Kar­di­nals­rang Papst Fran­zis­kus schon im Herbst 2020 bekannt­ge­ben hat­te, der Mino­rit also zu die­sem Zeit­punkt bereits für das neue Amt vor­ge­se­hen war.

Der Peters­dom wer­de „wie ein Muse­um“, es herr­sche „Gra­bes­stil­le“, so beschrieb Edward Pen­tin, Vati­ka­nist des Natio­nal Catho­lic Regi­ster, die Umsetzung.

Bis dahin hat­te im Peters­dom immer irgend­wo an einem der vie­len Altä­re irgend­ein Prie­ster eine Mes­se zele­briert. Gele­gent­lich auch im über­lie­fer­ten Ritus, obwohl es dafür zunächst eini­ge Hin­der­nis­se gab (noch 2009 teil­te Kar­di­nal Coma­stri auf die Kla­ge eines tra­di­ti­ons­ver­bun­de­nen Prie­sters mit, daß die Sakri­stei des Peters­doms über kein Mis­sa­le von 1962 ver­füg­te und er sich ver­pflich­te­te, vier Exem­pla­re zu besor­gen. Tat­säch­lich fehl­te es damals noch an mehr, um im über­lie­fer­ten Ritus zele­brie­ren zu kön­nen). Die Geg­ner­schaft des Staats­se­kre­ta­ri­ats gegen­über dem über­lie­fer­ten Ritus galt immer als noto­risch, auch zur Zeit von Papst Bene­dikt XVI. An Zele­bra­tio­nen im über­lie­fer­ten Ritus haf­te­te des­halb im Peters­dom häu­fig ein Hauch von Klandestinität.

Der men­schen­lee­re Peters­dom in der Oster­nacht 2020 war weni­ger einem Krank­heits­er­re­ger, dafür umso mehr des­sen Insze­nie­rung geschuldet

Tat­sa­che ist, daß seit der Neu­re­ge­lung die 45 Sei­ten­al­tä­re und jene der elf Kapel­len fast immer leer und ver­waist sind. Zele­briert wer­den darf nur mehr am Mor­gen in einer genau fest­ge­leg­ten Zeit­span­ne von zwei Stun­den, und zwar nur mehr vier Mes­sen, die höch­stens 30 Minu­ten dau­ern dür­fen. Im über­lie­fer­ten Ritus darf im Peters­dom selbst nicht mehr zele­briert wer­den. Die Hei­li­gen Mes­sen in der außer­or­dent­li­chen Form des Römi­schen Ritus, wie Papst Bene­dikt XVI. es defi­nier­te, sind in die Vati­ka­ni­schen Grot­ten ver­bannt. Immer­hin, so könn­te man sagen, herrscht seit­her zumin­dest in der Patri­ar­chal­ba­si­li­ka „Gleich­heit“, da vier Mes­se im Novus Ordo und vier Mes­sen im über­lie­fer­ten Ritus zele­briert wer­den dür­fen. Durch das Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des, das weni­ge Mona­te spä­ter folg­te, wur­de der prak­ti­schen Nut­zung die­ser neu­en Situa­ti­on aller­dings ein ande­rer, radi­ka­ler Rie­gel vorgeschoben.

Bereits im Juni 2021 erließ der neue Erz­prie­ster P. Gam­bet­ti, inzwi­schen zum Kar­di­nal kre­iert, eine Erklä­rung, in der er sich auf die voll­ende­ten Tat­sa­chen berief, die (sie­ben Tage) vor sei­ner Amts­ein­füh­rung geschaf­fen wor­den waren. Aus die­ser erge­be sich für den Novus Ordo, so Gam­bet­ti, daß er und alle ande­ren Prie­ster zur Kon­ze­le­bra­ti­on gezwun­gen sei­en, weil wegen des zeit­li­chen Kor­setts kei­ne Ein­zelz­ele­bra­tio­nen mehr erlaubt sind. In Wirk­lich­keit hät­te P. Gam­bet­ti als zustän­di­ger Erz­prie­ster die unrecht­mä­ßi­ge Ein­mi­schung des Staats­se­kre­ta­ri­ats wie­der auf­he­ben kön­nen, was er nicht tat. Es geht nicht fehl, wer annimmt, daß mit sei­ner Ernen­nung die Bei­be­hal­tung der Ein­mi­schung gekop­pelt wor­den war. So wäscht eine Hand die andere.

Aus­nah­men sind mög­lich, müs­sen jedoch eigens geneh­migt wer­den und betref­fen nur exter­ne Prie­ster mit grö­ße­ren Grup­pen zu beson­de­ren Anlässen.

Eine der Über­le­gun­gen, die das Staats­se­kre­ta­ri­at im Auf­trag von San­ta Mar­ta zum Hand­streich bewog, waren die Tou­ri­sten­strö­me, die seit eh und je in die Basi­li­ka strö­men, aber meist erst im Lau­fe des Vor­mit­tags, also nach dem Früh­stück, ein­set­zen. Bis dahin sol­len die Zele­bra­tio­nen been­det sein.

Gestern freu­te sich Vati­can­News über einen eige­nen „Pil­ger-Zugang zum Peters­dom“, der ein­ge­rich­tet wurde. 

„Schlan­ge­ste­hen vor dem Peters­dom? Das war mal. Wer sich als Beter tarnt, kommt künf­tig schnel­ler in die Basilika…“

Sehen wir ein­mal über die unge­wöhn­li­che Wort­wahl hin­weg und lesen weiter:

„Wer zum Gebet, zur Beich­te oder zur Teil­nah­me an einer Mes­se in den römi­schen Peters­dom will, braucht sich ab sofort nicht mehr in die all­ge­mei­ne War­te­schlan­ge ein­zu­rei­hen. Das teilt die vati­ka­ni­sche Dom­bau­hüt­te mit. Für Beter und Pil­ger sei in Zusam­men­ar­beit mit den Sicher­heits­ver­ant­wort­li­chen eine eige­ne ‚Abfer­ti­gung‘ ein­ge­rich­tet worden.“

Die War­te­schlan­gen sind den Anti-Ter­ror-Maß­nah­men geschul­det, die bis in die 90er Jah­re hin­ein noch unbe­kannt waren – auch zu den Zei­ten, als in den 70er und frü­hen 80er Jah­ren in Ita­li­en tat­säch­lich ein grau­sa­mer Ter­ro­ris­mus wüte­te. Die­sen gibt es schon seit über 30 Jah­ren nicht mehr. Die Ver­än­de­run­gen tra­ten hin­ge­gen erst nach dem 11. Sep­tem­ber 2001 in Kraft, stan­den in kei­ner­lei Zusam­men­hang mit dem Vati­kan, wur­den aber den­noch von die­sem in Anleh­nung an Ita­li­en und die ande­ren west­li­chen Staa­ten auf Emp­feh­lung der US-Geheim­dien­ste über­nom­men. Man könn­te auch von haus­ge­mach­ten Pro­ble­men sprechen. 

Die Beter und Pil­ger, die nun sozu­sa­gen einen „bevor­zug­ten“ Zugang erhal­ten, müs­sen „sich aller­dings an einen eige­nen Par­cours hal­ten, der u. a. an der Pie­tà von Michel­an­ge­lo, am Grab des hei­li­gen Johan­nes Paul II. und an der Sakra­ments­ka­pel­le vor­bei­führt. Der Aus­gang muß über die vati­ka­ni­schen Grot­ten erfol­gen“, soweit Vati­can­News.

Im Klar­text ist die Basi­li­ka weder für die ande­ren Besu­cher noch für die Gläu­bi­gen mehr all­ge­mein zugäng­lich. Es erfolgt eine Sepa­rie­rung, obwohl die mei­sten Katho­li­ken aus aller Welt als Pil­ger und natür­lich auch als kul­tur­in­ter­es­sier­te Besu­cher in die Haupt­kir­che der Chri­sten­heit kom­men. Das läßt sich gar nicht tren­nen und soll­te auch nicht getrennt werden.

Den­noch wird genau das nun getan und sogar als Ver­bes­se­rung prä­sen­tiert. Tat­säch­lich han­delt es sich um einen wei­te­ren Schritt in Rich­tung Musea­li­sie­rung. Den ver­meint­li­chen „Vor­teil“, als der die Neu­re­ge­lung prä­sen­tiert wird, gibt es im Gesamt­kon­text nicht. Die War­te­schlan­gen vor dem Peters­dom wur­de ja erst durch anlaß­lo­se Maß­nah­men her­bei­ge­führt, die nun angeb­lich wei­te­re Maß­nah­men erfor­der­lich machen. Die Kir­che wird geteilt in einen Teil für die Beter – samt dem Gene­ral­ver­dacht, sich nur als sol­che zu tar­nen – und einen für die „Tou­ri­sten“. Die natür­li­che Ver­bun­den­heit eines Got­tes­hau­ses, in dem die wun­der­ba­ren Wer­ke der Sakral­kunst bestaunt wer­den und sich der Betrach­ter von ihnen berüh­ren läßt, mit dem Gebets­mo­ment wird auseinandergerissen.

Die Beter mit ihrem geson­der­ten Par­cours sind nur ver­meint­lich „Gewin­ner“. Tat­säch­lich erlebt die Musea­li­sie­rung einen Sie­ges­zug. Bis­her ist der Zutritt zum Peters­dom frei. Es wird aber gemun­kelt, daß in einem näch­sten Schritt alle, die nicht den eng­ge­steck­ten Beter-Par­cours wäh­len, Ein­tritt bezah­len müs­sen. Davon ist offi­zi­ell noch kei­ne Rede. Mit der Neu­re­ge­lung wer­den jedoch die Vor­aus­set­zun­gen dafür geschaffen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: VaticanNews/​Youtube

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