Der wahre Gehorsam in der Kirche

Peter Kwasniewski


Peter Kwasniewski "Wahrer Gehorsam": "Gehorsam gegenüber der Wahrheit, um des Guten willen – um Gottes willen"
Peter Kwasniewski "Wahrer Gehorsam": "Gehorsam gegenüber der Wahrheit, um des Guten willen – um Gottes willen"

Von Vero­ni­ca Rasponi

Anzei­ge

Peter Kwas­niew­ski ist ein bril­lan­ter ame­ri­ka­ni­scher Gelehr­ter und Autor bedeu­ten­der Bücher über die Lit­ur­gie, dar­un­ter „Neu­an­fang inmit­ten der Kri­se. Die hei­li­ge Lit­ur­gie, die tra­di­tio­nel­le Mes­se und die Erneue­rung in der Kir­che (Ori­gi­nal 20141, deut­sche Aus­ga­be 2017) und „Noble Beau­ty, Tran­s­cen­dent Holi­ness: Why the Modern Age Needs the Mass of Ages“ („Edle Schön­heit, tran­szen­den­te Hei­lig­keit: War­um das moder­ne Zeit­al­ter die Mes­se aller Zei­ten braucht“, 2017, noch nicht ins Deut­sche übersetzt).

Vor elf Mona­ten erschien das Buch „Wah­rer Gehor­sam in der Kir­che: Ein Leit­fa­den in schwe­rer Zeit“ (Ori­gi­nal­ti­tel: True Obe­dience in the Church: A Gui­de to Dis­cern­ment in Chal­len­ging Times (2022), in dem der Autor ein heik­les und kom­ple­xes The­ma klä­ren will: Wie soll sich ein Katho­lik ange­sichts des Motu Pro­prio Tra­di­tio­nis Cus­to­des von Papst Fran­zis­kus und gene­rell ange­sichts von Maß­nah­men der kirch­li­chen Auto­ri­tät ver­hal­ten, die dar­auf abzie­len, die Zele­bra­ti­on der über­lie­fer­ten Lit­ur­gie zu ver­hin­dern oder einzuschränken?

Mit die­ser Fra­ge hat­te sich als einer der ersten der Theo­lo­ge und Domi­ni­ka­ner Roger-Tho­mas Cal­mel befaßt, der bereits 1969 den Novus Ordo von Paul VI. abge­lehnt hat­te und im Juni 1971 in der Zeit­schrift Itin­é­rai­res schrieb:

„Unser christ­li­cher Wider­stand als Prie­ster oder als Lai­en, ein sehr schmerz­haf­ter Wider­stand, weil er uns zwingt, dem Papst selbst gegen­über nein zu sagen zur moder­ni­sti­schen Mani­fe­sta­ti­on der katho­li­schen Mes­se. Unser respekt­vol­ler, aber nicht ver­min­der­ba­rer Wider­stand wird vom Prin­zip der völ­li­gen Treue zur immer leben­di­gen Kir­che dik­tiert; oder, mit ande­ren Wor­ten, vom Prin­zip der leben­di­gen Treue zur Ent­wick­lung der Kirche.“

Im Namen des Gehor­sams fühl­te sich Pater Cal­mel im Gewis­sen ver­pflich­tet, sich der neu­en Lit­ur­gie von Paul VI. zu wider­set­zen. Der Grund­satz, daß den Vor­ge­setz­ten Gehor­sam zu lei­sten ist, weil sie die Auto­ri­tät Got­tes reprä­sen­tie­ren, ist nicht abso­lut und unbe­grenzt. Wie Pro­fes­sor Rober­to de Mat­tei auf dem Rome Life Forum 2018 in Erin­ne­rung rief, „reprä­sen­tie­ren unse­re Vor­ge­setz­ten in der Fami­lie, in der Poli­tik und in der Kir­che inso­fern eine Auto­ri­tät, als sie das gött­li­che Gesetz ach­ten und durch­set­zen. Die­ses gött­li­che Recht ist nicht des­halb so, weil der Vor­ge­setz­te es uns auf­er­legt, son­dern weil es in sich selbst, das heißt in Gott, der sein Urhe­ber ist, sei­ne Grund­la­ge hat. Wer Auto­ri­tät hat, sagt der hei­li­ge Pau­lus, ist ‚ein Die­ner Got­tes, um Gutes zu tun‘ (Röm 13,4). Die Lie­be zum Wil­len Got­tes kann uns jedoch dazu brin­gen, jene Auto­ri­tä­ten und Geset­ze abzu­leh­nen, die Gott ableh­nen und durch ihre Ableh­nung Sei­ne Ehre unter­gra­ben und die See­len gefähr­den“ (Faithful Child­ren of the Curch: Catho­lic Obe­dience in Times of Apo­sta­sy, Lepan­to Foun­da­ti­on, Rom 2018, S. 13).

Peter Kwas­niew­ski führt die­sen Gedan­ken­gang mit einer Fül­le von Bele­gen wei­ter aus. Der Gehor­sam, schreibt er, ist eine Tugend und zwar eine schö­ne Tugend, „weil er immer Gehor­sam gegen­über Gott ist, sei es auf unmit­tel­ba­re oder auf ver­mit­tel­te Wei­se“ (S. 20). Zur Ver­deut­li­chung die­ses Kon­zepts beruft sich der Autor auf die Auto­ri­tät des hei­li­gen Tho­mas von Aquin, der in den Fra­gen 104 und 105 der Sum­ma Theo­lo­giae lehrt:

„Der Mensch ist Gott abso­lut und in allen Din­gen, sowohl inner­lich als auch äußer­lich, unter­wor­fen; des­halb ist er ver­pflich­tet, Ihm in allem zu gehor­chen. Die Unter­ta­nen hin­ge­gen sind ihren Vor­ge­setz­ten nicht in allen Din­gen unter­wor­fen, son­dern nur in bestimm­ten Din­gen. Und nur in bezug auf die­se sind die Obe­ren Ver­mitt­ler zwi­schen Gott und den Unter­ta­nen. Im übri­gen aber sind die Unter­ta­nen unmit­tel­bar Gott unter­wor­fen, der sie durch das natür­li­che oder geschrie­be­ne Gesetz lei­tet“ (Q. 104, a. 5, ad 2).

Das bedeu­tet, daß der Gehor­sam nicht blind und bedin­gungs­los ist: „Die Pflicht zum Gehor­sam gegen­über einem ande­ren als Gott ist nicht abso­lut und exi­stiert nicht wie in einem Vaku­um: Sie besteht unter bestimm­ten Bedin­gun­gen, wirkt auf ver­schie­de­nen Ebe­nen und ist durch genaue Gren­zen umschrie­ben“ (S. 21).

Bene­dikt XVI. hat mit dem Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum vom 7. Juli 2007 die ewi­ge Gül­tig­keit der über­lie­fer­ten Mes­se bestä­tigt. Papst Fran­zis­kus hat mit dem Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des vom 16. Juli 2021 das Gegen­teil erklärt und damit abso­lu­te Ver­wir­rung gestif­tet. In die­ser Situa­ti­on, so Kwas­niew­ski, kann man unser lit­ur­gi­sches Erbe nicht ver­leug­nen, son­dern muß es ver­tei­di­gen, auch um den Preis des Wider­stands gegen die kirch­li­che Auto­ri­tät. Der Papst übt die vol­le Auto­ri­tät über alle Gläu­bi­gen aus, und es gibt kei­ne Auto­ri­tät auf Erden, die ihm über­ge­ord­net ist, aber er kann die Glau­bens­re­geln oder die lit­ur­gi­sche Tra­di­ti­on der Kir­che nicht ändern. Wenn dies geschieht, kann der „Unge­hor­sam“ gegen­über einer an sich unge­rech­ten Anord­nung bis zum Wider­stand gegen den Papst gehen. Das ist ein Fall, der die Gehor­sams­re­gel eines jeden Katho­li­ken gegen­über dem Stell­ver­tre­ter Chri­sti nicht bricht, son­dern bestä­tigt. „In einem Punkt“, so Kwas­niew­ski, „müs­sen wir uns abso­lut klar sein: Die tra­di­tio­nel­le Mes­se (oder irgend­ei­nen ande­ren tra­di­tio­nel­len lit­ur­gi­schen Ritus) anzu­grei­fen bedeu­tet, die Vor­se­hung Got­tes des Vaters anzu­grei­fen; das Werk Chri­sti, des Königs und Herrn der Geschich­te, abzu­leh­nen; das frucht­ba­re Wir­ken des Hei­li­gen Gei­stes im Gebets­le­ben der Kir­che zu lästern. Es wider­spricht der Pra­xis jedes Wer­kes der Kir­che, jedes Hei­li­gen, jedes Kon­zils und jedes Pap­stes vor dem 20. Jahr­hun­dert“ (S. 62).

Wider­stand muß natür­lich respekt­voll und fromm sein, aber, so schließt Prof. Kwas­niew­ski, „das Gewis­sen muß sei­ne Arbeit tun, ohne sich von einem faden­schei­ni­gen Miß­brauch des Gehor­sams ersticken zu las­sen, einer edlen Tugend, die all­zu oft von ihren Aus­beu­tern in den Dreck gezo­gen wird. Auf die­se Wei­se geben wir dem Gehor­sam in sei­ner höch­sten, schön­sten und radi­kal­sten Form Glanz: Gehor­sam gegen­über der Wahr­heit, um des Guten wil­len – um Got­tes wil­len“ (S. 85). Sehr nütz­lich sind schließ­lich die ver­tie­fen­den Lek­tü­ren, die der Autor am Ende sei­nes inter­es­san­ten Essays vor­schlägt (S. 86–89).

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi

Die auf deutsch erschie­ne­nen Bücher von Peter Kwas­niew­ski hier bezie­hen.


1 Ori­gi­nal­ti­tel: Resur­gent in the Midst of Cri­sis: Sacred Lit­ur­gy, the Tra­di­tio­nal Latin Mass, and Rene­wal in the Church.

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!